Trailer © by Universal Pictures Germany GmbH
Fakten
Jahr: 2013
Genre: Horror, Psychothriller, Home Invasion
Regie: James DeMonaco
Drehbuch: James DeMonaco
Besetzung: Ethan Hawke, Lena Headey, Max Burkholder, Adelaide Kane, Edwin Hodge, Rhys Wakefield, Tony Oller
Kamera: Jacques Jouffret
Musik: Nathan Whitehead
Schnitt: Peter Gvozdas
Review
Gleich vorweg: Die Prämisse von THE PURGE ist Schwachsinn im ganz großen Stil! Das ist Fakt, da gibt es nichts dran zu rütteln. Zwar gehe ich d’accord mit der Annahme, dass in sehr vielen Menschen, sehr viel schlechtes steckt, was sie mit Freuden in einer der hier porträtierten 12h-Exzesse hinaus lassen würden, doch kann es keine Alternativ-Realität geben in der das zu elementarem Frieden führt und plötzlich alle Arbeit haben. Das ist Bullshit! Aber eben tolerierbarer Bullshit, auch wenn viele Betrachter des Films wohl bereits schon an dieser Hürde scheitern.
Doch der “Purge” an sich, die eine Nacht in der alle Gewaltverbrechen außer der Nutzung von Massenvernichtungswaffen erlaubt sind, ist nicht das, was THE PURGE in der Belanglosigkeit, gefährlich nah an der Grenze zum Ärgernis balancieren lässt. Die Gründe dafür liegen woanders. Konkret: Erzwungene Twists, erzwungener Moral-Zeigefinger, erzwungener Genre-Mischmasch, dazu noch fehlendes erzählerisches Feingefühl, völlige Vernachlässigung des dystopischen Settings und wohl am schwerwiegendsten, die völlig fehlende Psychologie der Figuren.
Gelingt es, das Setting als gegeben anzunehmen – ein Mal im Jahr wird für ein Nacht, also 12 Stunden die vollkommene Gesetzlosigkeit ausgerufen und alle Menschen dürfen ihre niederen Instinkte ausleben und meucheln, morden, schlitzen, ballern was das Zeug hält – entsteht sogar zunächst eine ziemlich beklemmende Atmosphäre. Stichwort Empathie: Wie wäre das, sich in seinem Haus einzuschließen und plötzlich gehen draußen in der Ferne dumpf die Schüsse los, mehren sich langsam und erzeugen immer mehr das Gefühl in einem Käfig gefangen zu sein, der den Fahrstuhl in den Tod bedeuten könnte? Wie stark muss diese Beklemmung sein? Das sind interessante, sehr morbide Gedanken, die James DeMonaco zumindest noch partiell in die Amygdala der Betrachter zu transportieren vermag. Doch je mehr THE PURGE seinen Lauf nimmt, umso dünner wird die Summe am Ende der Gleichung, denn es ist die Situation an sich, nicht das Verhalten der Figuren, dass diese Stimmung erschafft. Recht früh scheint zwar durch, dass die Kinder der Familie dem “Purge” noch wesentlich skeptischer (= moralisch richtiger) als ihre gewöhnten, leicht abgestumpften Eltern gegenüber stehen – eine kurzes Aufflammen der Moralfrage: Kann das alles so richtig sein? Doch dabei bleibt es und im Weiteren weder die Psychologie der “teilnehmenden” Mörder durchleuchtet, noch die der passiven Beobachter, allesamt stille Befürworter, die zum Preis der Unmenschlichkeit die eigene Sicherheit aufrecht erhalten wollen.
Eine erkaufte Sicherheit: Anfangs ebnet DeMonacos Skript noch den Weg der astreinen Dystopie. Nicht dass der Gedanke der Purge-Nacht für sich schon gruselig genug ist, natürlich bringt sie als unangenehmen Nebeneffekt auch noch die unvermeidliche gesellschaftliche Spaltung mit sich. Was du hast, das bist du – bist du reich, hast du Schutz, bist du arm, bist du Zielscheibe. Immer wieder wird im Laufe des Films vom “homeless scum” gesprochen – Abschaum, der es verdient zu sterben, weil er keinen Nutzen für die Zahnräder dieses latent totalitären Systems hat. Auch wird die Bunker-Mentalität der Oberschicht skizziert – bereits dadurch, dass Hauptfigur James der Top-Händler für Flugbunker-artige Sicherheitssysteme ist, kurz vor dem Beginn des Purge erhält er noch die Nachricht, nun der No. 1 Salesman auf dem Sektor zu sein. Wirklich ausformuliert wird dies jedoch nicht weiter. Und eigentlich wird in THE PURGE überhaupt gar nichts mehr ausformuliert.
Ähnlich wie ein Jahr zuvor DREDD, wird hier in 10 Minuten eine Dystopie “etabliert”, nur um sie im weiteren Verlauf zu Gunsten eines 08/15 no-Brainer-Action-Feuerwerks völlig links liegen zu lassen. Einzig der Unterschied, dass hier kein Haus erstürmt, sondern verteidigt wird, sorgt für Abwechslung. Dystopie kippt also zum müden Home-Invasion-Thriller. Schnell ist auch noch absolut alles dunkel und das dystopische Horror/Thriller/Slasher-Mashup ist perfekt misslungen. Jump-Scares, Haus-Belagerung, erste Tote – nichts Halbes und nichts Ganzes. Nach etwas Panik und Bedrohung reißt DeMonaco dann plötzlich die Ruder herum: Moral mit dem Dampfhammer, auf das bloß klar gestellt wird, dass THE PURGE ganz sicher kein Selbstzweck-Schocker sein möchte. “Purge”, Mord und Totschlag, Opferung von Unschuldigen für die eigene Sicherheit: Alles ganz böse! Nicht falsch verstehen, tendentiell ist das die einzig richtige Aussage eines solchen Konzepts, doch dann bitte nicht so plötzlich aus dem Nichts und deplatziert. Als dann, zwecks Aufbruch der totalen Geradlinigkeit, auch noch ein finaler Twist zurechtkonstruiert wird, gehen endgültig die Lichter aus (bzw. im Haus der Sandins wieder an). Einen zwar nicht überragenden, aber doch soliden Film in den letzten 20 Minuten mit Vollgas gegen die Wand gefahren.
Irgendwie schade, denn abgesehen vom plakativen Stilmittel-Einsatz, hätte trotz aller fehlenden psychologischen Tiefe zumindest ein gewisses Genre-Potential in THE PURGE geschlummert. So ist er lediglich ein egales Stück Film mit einem starken Ethan Hawke. Audiovisuell zwar gelungen (speziell der Soundscape-artige Score von Nathan Whitehead), aber dennoch völlig banal.
Wertung
4 von 10 wahnsinnigen Belagerern
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):
Ein Gedanke zu „Film: The Purge – Die Säuberung (2013)“