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Film: The Double (2013)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Impuls Home Entertainment


Fakten
Jahr: 2013
Genre: Film Noir, Mystery, Surreal, Groteske
Regie: Richard Ayoade
Drehbuch: Richard AyoadeAvi Korine
Besetzung: Jesse Eisenberg, Mia Wasikowska, Wallace ShawnYasmin PaigeNoah TaylorJames Fox,  Cathy MoriartyPhyllis SomervilleKobna Holdbrook-Smith
Kamera: Erik Wilson
Musik: Andrew Hewitt
Schnitt: Chris DickensNick Fenton


Review
Schön zu sehen, dass auch über 50 Jahre nach dem vermeintlichen Aussterben dieser (von so prägnantem Stil) getragenen Film-Gattung noch ein waschechter Film-Noir gedreht werden kann. Zwar bewegt sich THE DOUBLE nicht gänzlich auf klassischem Terrain – die ursprünglich so stark ausgeprägtem Crime-Aspekte, weichen in Richard Ayoade’s Film eher einer surreal angehauchten Mystery-Stimmung – doch sind vom gebrochenen Protagonisten, über die harten Schatten, bis zur verhängnisvollen Femme-Fatal die meisten der Zutaten gegeben, welche sich damals vor der lähmend-beklemmenden Kulisse molochartiger Städte umspielten und paarten.

Letzteres, also Kulisse, Atmosphäre, Wirkung, hat es in sich. Während wir Protagonist Simon auf seinem unsicheren Weg durch die Welt begleiten – an den Türen der Firma in der er seit sieben Jahren arbeitet als Unbekannter abgewiesen, neurotisch und auf creepig-obsessive Art von seiner Kollegin und Nachbarin Hannah besessen, aber im entscheidenden Moment niemals in der Lage die richtigen Worte zu finden – stellt sich zunehmend das hämmernde Gefühl ein, auf den Spuren von David Lynch’s sperrigem Debut ERASERHEAD zu wandern. Diese Welt ist nicht die unsere – menschenleer, dreckig, von ständiger Nacht gezeichnet – und erinnert durch omnipräsentes Dröhnen, Pfeifen des Windes, oder Rattern von Zügen in der Ferne eher an an einen horror’esken Nicht-Ort, als ein angenehmes Lebensumfeld. 

Und je mehr wir Simon und sein Scheitern an der schwierigen Aufgabe, die wir das Leben nennen, miterleben (und -fühlen), desto mehr kristallisiert sich heraus, auf welch ausdrucksstarke Weise all die grotesken Situationen (bzw. die Art wie sie eingefangen sind) in THE DOUBLE dessen aufgewühltes Innenleben widerspiegeln, was vom Regisseur in inszenatorische Mittel überführt wurde. Wie ein Geist und mit aller Energie um ihn rum stetig gegen sich gerichtet, schwebt Simon durch Kulissen, deren wundervolles visuelles Design punktgenau irgendwo zwischen schrulliger Nostalgie und der Groteske eines Terry Gilliam angesiedelt ist. Vintage-Technik, Öllampen, uralt-Anzüge.

Alles – vom kontinuierlichen Starren der Leute während Simon versucht seine Sichtweisen klar zu stellen, über die genervte Abweisung einer Kellnerin im Restaurant, bis zur respektlosen Art seiner Mitmenschen,  die Handeln als ob Simon gar nicht da wäre (was er selbst als das Pinoccio-Gefühl kommuniziert) – dient zum erlebbar machen seiner tief sitzenden Unsicherheiten. Als dann ein Doppelgänger namens James auftaucht, welcher als neuer Mitarbeiter in seiner Firma eingeführt wird und eine identische Spiegelung von Simon’s Äußerem darstellt, die auf der anderen Seite des Selbstbewusstseinsspektrums zu Hause ist, werden Simon’s Routinen mächtig aufgerüttelt – und ein wenig Hoffnung geschürt. Der Status Quo, mit dem er sich längst abgefunden hatte, scheint plötzlich gar nicht mehr so gesetzt.

“You’re pretty unnoticable. Bit of a non-person”

Wie die meisten Doppelgänger-Filme, bzw. streng genommen wahrscheinlich sogar jeder, spielen in diesem rational unmöglichen, in der Filmwelt aber dennoch existenten Setting, die Wünsche und Ängste unseres Protagonisten eine tragende Rolle. Der introvertierte Typ, zu schüchtern zum Leben, bekommt das, was er in einer anderen Realität sein könnte vor Augen gesetzt – am Ende steht meist ein geläuterter Charakter, der seine Probleme überwunden hat. Doch so einfach macht es sich THE DOUBLE nicht, lässt Simon einen harten Krieg ausfechten und geht thematisch sogar ein Stück weiter – lotet nicht nur individuelle charakterliche Defizite aus, sondern spannt den Bogen bis hin zur generellen Lebenswegen in der privaten sowie beruflichen Welt. Am Ende steht, dass weder der, der fähig ist, jedoch nicht in der Lage diese Fähigkeiten auch an den Mann zu bringen, noch der laute, selbstsichere Typus, welcher andere ausnutzt und über Leichen geht, um sich Vorteile zu sichern, auf Dauer siegen kann. Der eine wird unbemerkt im Sande versinken, der andere mit Höchstgeschwindigkeit gegen eine Mauer rasen.

Das schöne an THE DOUBLE ist dabei, dass es ein Film ist, der grob skizziert, nicht formuliert. “Was soll das alles?” werden viele Fragen und müssen die Antwort autonom und ganz für sich finden. Denn was Ayoade gemeinsam mit Harmony Korine’s Bruder Avi aus der zugrundeliegenden Dostoevski-Geschichte ableitet, ist vor allem ein sogartiger Rausch aus Denkanstößen und Sinn-Fragmenten zur menschlichen Wahrnehmung und Identität – gekleidet in ein chiques Gewand aus Farbspielereien, Licht und Schatten, sowie perfektem Musikeinsatz.

Bei dem gelacht werden darf – zu grotesk gestaltet sich das ganze, als dass es vollkommen bierernst genommen werden möchte. Wenn Simon dann meterweit vor einem Schalter warten muss, um gesagt zu bekommen, dass seine Existenz gelöscht wurde, oder der Pfleger im Altenheim seiner Mutter auf die Aussage “They carry weapons, did you know? How long has this been going on?” gelangweilt und knochentrocken seinen Revolver zeigt und brummt “A while.”, kann vor Skurrilität tatsächlich losgeprustet werden. Primär ist THE DOUBLE neben einem eigensinnigen Selbstfindungstrip in einer verzerrten Version unserer Realität mit sozial-dystopischen Anleihen, nämlich vor allem eine weirde Groteske (die nicht selten tatsächlich direkte Gilliam-Vergleiche herauf beschwört).

Den Spagat zwischen zerbrechlichem Würstchen und penetrantem Alpha-Männchen meistert Jesse Eisenberg dabei ganz gut. Zwar neigt er in der Doppelgänger-Variante oft (und vielleicht auch intendiert) zum Chargieren, vor allem aber in der “Ursprungsversion” strahlt sein Blick eine tiefe, nagende Traurigkeit aus. An Jake Gyllenhal im fast zeitgleich entstandenen ENEMY kommt er damit nicht ganz ran – atmosphärisch nehmen die Filme sich nichts – doch als darstellerischer Gegenpol bereitet (wie immer) Mia Wasikowska’s so qwerky wie melancholische Performance besondere Freude – Wahnsinn die Frau.

Insgesamt ein vor allem formell durchweg brillanter kleiner Indie-Film, der bei genauerer Betrachtung reichhaltig Denk- und Reflektions-Potential liefert. Fein. Warum sowas allerdings hier keinen Kinostart bekommt und dann drei Jahre (!) bis zur deutschen Veröffentlichung braucht? Ich frage am besten gar nicht mehr.


Wertung
8 von 10 absurden Hits in der Jukebox


Veröffentlichung
THE DOUBLE erscheint heute am 24. Juni 2016 bei Impuls Home Entertainment BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Trailer. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
Amazon (*) (falls ihr das Amazon-Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

3 Gedanken zu „Film: The Double (2013)“

  1. Aaaah ja das war wirklich mal ein Film, der sich sehr absetzt. Allerdings habe ich Simon/James Welt als so düster, grau und hoffnungslos wahrgenommen, dass ich den Film wahrscheinlich nicht nochmal schauen werde. Obwohl er bei mir rein punktetechnisch ähnlich abgeschnitten hat wie bei dir und ich die Skurrilität auch gern mochte.
    Dass er aber drei Jahre braucht um zur Veröffentlichung angeboten zu werden .. krass. Finde es immer wieder schade, dass es für manche (Indie)Filme so schwierig ist. Ich warte gefühlt eine Ewigkeit auf Treasure Hunter Kumiko …

    1. Du hast schon recht, da schwingt durchweg etwas beklemmendes mit. Aber a) steh ich auf sowas und b) hat der groteske Charakter mich teilweise echt schallend auflachen lassen. Von daher hielt sich das gut die Wage

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