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Film geschaut: Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe aka The Bird with the Crystal Plumage (1970)

settegialli 2021, Film #3.

Ich bin beeindruckt, denn auch wenn ich das Ganze noch etwas nachwirken und sacken lassen muss, hat sich Argento mit seinem Debut vielleicht sogar direkt in der Erstsichtung auf den obersten Platz meines persönlichen Argento-Treppchens gespielt. Das hätte ich, obwohl mir sein zweiter Film DIE NEUNSCHWÄNZIGE KATZE (im Gegensatz zum dritten VIER FLIEGEN AUF GRAUEM SAMT) ebenfalls sehr gut gefällt, nicht erwartet.

Der Film bedient viele Giallo-Tropen ( ein Unbeteiligter wird Zeuge eines Verbrechens, nimmt die Ermittlungen selbst in die Hand und stößt am Ende auf große Twists; Ego-Perspektiven des Killers; etc.) und hat bereits in Ansätzen die hyper-stylischen und -stilisierten Sequenzen, die man an späteren Werken des Regisseurs so lieben gelernt hat (inkl. des für die Stimmung elementaren, überhöhten Sounddesigns). Im Kern schlummert allerdings eine vernünftig konstruierte, selbst in der Auflösung noch einigermaßen glaubhafte und vor allem auf dem Weg zu dieser hin, nicht vollkommen wirre Krimi-Handlung. Ungewöhnlich, um es mal wohlwollend auszudrücken. Pluspunkt ist auch, dass sich das Ganze nicht bierernst nimmt, sondern reichlich liebevollen, wenn auch in einzelnen Momenten aus der Zeit gefallenen Humor serviert. Gefärbt mit reichlich Zeit-Kolorit und untermalt von einem psychedelisch jazzigen Ennio Morricone-Score zum Niederknien, macht THE BIRD WITH THE CRYSTAL PLUMAGE durchweg Laune.

Schon so früh in seiner Karriere betätigt der Meister die nötigen Hebel, um entrückten Thrill und beklemmende Atmosphäre zu schaffen. Bereits Szenen wie der erste (versuchte) Mord in der Kunstgalerie stechen visuell, wie auch durch inhaltliche Kniffe als denkwürdig hervor, spätere Setpieces wie die fußläufige Verfolgungsjagd im Busdepot, oder die erhaben fotografierte Flucht vor dem Killer im Treppenhaus brennen sich ein, wie es auch die großen Momente der späteren Argentos mit Gewissheit tun. Dass die Morde hier noch nicht bis ins Letzte zelebriert und exploitativ ausgeschlachtet werden, empfinde ich als klaren Pluspunkt.

Ulkig ist, wenn es auch nichts mit dem Film zu tun hat, dass mich Katzen anscheinend durch meinen #settegialli 2021 begleiten. Stellte Film #2 (YOUR VICE…) sie noch als aktive, diabolische Entität dar, trifft sie hier ein deutlich passiveres Schicksal. Und im Wissen mir hier echt Feinde zu machen: ich fand’s gut!

Film: Die Taschendiebin – The Handmaiden – Agassi (2016)


The Handmaiden (IMDb) – Thriller, Drama, Südkorea, 2016 – Regie: Park Chan-wook, SkriptPark Chan-wook, Jeong Seo-Kyeong, Kamera: Chung Chung-hoon, Musik: Jo Yeong-wook, Copyright (Titelbild, Bildausschnitte, Trailer): Koch Media


Review
Gibt es eine unumstößliche Wahrheit? Können wir, klein und beschränkt in unserer Sicht, den Finger auf etwas legen und mit Gewissheit behaupten, dass es ist wie es ist und nicht anders? Oder ist alles, immer und überall, ausnahmslos eine Frage des Blickwinkels, weil wir doch sowieso nicht anders können, als nur zu sehen, was wir sehen wollen?

Vergnügt, lebendig und in wundervoll gestalteten Bildern stellt Park Chan-wook – nach dem US-Debut STOKER nun wieder zurück in Korea auf dem Regiestuhl – diese Fragen in den Raum, positioniert sich selbst damit in eindeutiger RASHOMON-Tradition und führt uns im Fortlauf seiner Geschichte regelrecht schelmisch vor Augen, wie eine klitzekleine Information schlichtweg alles verändern kann.

Ein Gauner will, getarnt als vermeintlicher Fürst, die reiche Adlige Lady Hideko aus Japan verführen, um sie so zu hindern von ihrem besitzergreifenden Onkel in eine erzwungene Hochzeit gedrängt zu werden und an ihr Vermögen zu gelangen, also setzt er die junge Taschendiebin Sook-hee als vorgetäuschtes Hausmädchen darauf an, die Einflugschneise seines großen Auftritts zu präparieren. Dass die einsam und kindlich anmutende Lady, zunächst “nur” Opfer rein finanzieller Begierde, sich in ihren merkwürdigen Eigenarten zunächst gar nicht in dieses Spiel einfügen will, verkompliziert das Unterfangen. Als dann alsbald in Sook-hee, die ihrer Rolle als manipulative Dienerin anfangs noch gewissenhaft und abgebrüht nachkommt, etwas unerwartetes erwacht – ein Gefühl, dass sie noch nicht kannte und welches sie eine starke Anziehung hin zum Ziel ihrer Täuschung verspüren lässt – wird diese sogar zum Spielball konträrer Interessen.  Film: Die Taschendiebin – The Handmaiden – Agassi (2016) weiterlesen

Film: Saint Ange – Haus Der Stimmen (2004)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Koch Media


Fakten
Jahr: 2004
Genre: Horror, Psychologisches Drama
Regie: Pascal Laugier
Drehbuch: Pascal Laugier
Besetzung: Virginie Ledoyen, Lou Doillon, Catriona MacCollDorina LazarVirginie DarmonJérôme Soufflet
Kamera: Pablo Rosso
Musik: Joseph LoDuca
Schnitt: Sébastien Prangère


Review
Gefangen in der eigenen Vergangenheit, Opfer schrecklicher Erlebnisse, unfähig mit ihnen (und sich selbst) ins Reine zu kommen – ähnlich wie in seinem polarisierenden Nachfolgewerk, thematisierte der französische Regisseur Pascal Laugier diese Aspekte bereits in seinem Spielfilmdebüt SAINT ANGE – rein filmisch beschreitet letzterer von 2004 jedoch maßgeblich andere Wege.

Anders als in MARTYRS, besagtem Nachfolger, der als Studie der verheerenden Folgen unmenschlicher Gewalt mit derbem meta-Einschlag auch international zu immensem Ruhm gelangte, agiert SAINT ANGE nämlich durchweg vor allem langsam und subtil, fast schleichend. Eine junge Frau wird im Jahre 1958 als Haushälterin in einem stillgelegten Waisenhaus eingestellt und beginnt recht schnell anzuzweifeln, dass an diesem Ort alles mit rechten Dingen zugeht. Klassische Horror-Story, soweit die Oberfläche.  Film: Saint Ange – Haus Der Stimmen (2004) weiterlesen

Film: The Double (2013)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Impuls Home Entertainment


Fakten
Jahr: 2013
Genre: Film Noir, Mystery, Surreal, Groteske
Regie: Richard Ayoade
Drehbuch: Richard AyoadeAvi Korine
Besetzung: Jesse Eisenberg, Mia Wasikowska, Wallace ShawnYasmin PaigeNoah TaylorJames Fox,  Cathy MoriartyPhyllis SomervilleKobna Holdbrook-Smith
Kamera: Erik Wilson
Musik: Andrew Hewitt
Schnitt: Chris DickensNick Fenton


Review
Schön zu sehen, dass auch über 50 Jahre nach dem vermeintlichen Aussterben dieser (von so prägnantem Stil) getragenen Film-Gattung noch ein waschechter Film-Noir gedreht werden kann. Zwar bewegt sich THE DOUBLE nicht gänzlich auf klassischem Terrain – die ursprünglich so stark ausgeprägtem Crime-Aspekte, weichen in Richard Ayoade’s Film eher einer surreal angehauchten Mystery-Stimmung – doch sind vom gebrochenen Protagonisten, über die harten Schatten, bis zur verhängnisvollen Femme-Fatal die meisten der Zutaten gegeben, welche sich damals vor der lähmend-beklemmenden Kulisse molochartiger Städte umspielten und paarten.

Letzteres, also Kulisse, Atmosphäre, Wirkung, hat es in sich. Während wir Protagonist Simon auf seinem unsicheren Weg durch die Welt begleiten – an den Türen der Firma in der er seit sieben Jahren arbeitet als Unbekannter abgewiesen, neurotisch und auf creepig-obsessive Art von seiner Kollegin und Nachbarin Hannah besessen, aber im entscheidenden Moment niemals in der Lage die richtigen Worte zu finden – stellt sich zunehmend das hämmernde Gefühl ein, auf den Spuren von David Lynch’s sperrigem Debut ERASERHEAD zu wandern. Diese Welt ist nicht die unsere – menschenleer, dreckig, von ständiger Nacht gezeichnet – und erinnert durch omnipräsentes Dröhnen, Pfeifen des Windes, oder Rattern von Zügen in der Ferne eher an an einen horror’esken Nicht-Ort, als ein angenehmes Lebensumfeld.  Film: The Double (2013) weiterlesen

Film: Evil Dead (2013)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Sony Pictures Home Entertainment


Fakten
Jahr: 2013
Genre: Horror
Regie: Fede Alvarez
Drehbuch: Fede Alvarez, Rodo Sayagues, Sam Raimi
Besetzung: Jane Levy, Shiloh Fernandez, Jessica Lucas, Elizabeth Blackmore, Lou Taylor Pucci
Kamera: Aaron Morton
Musik: Roque Baños
Schnitt: Bryan Shaw


Review
Sich einen der, zumindest unter Genrefans, bekanntesten und beliebtesten Horrorklassiker als Basis für ein modernes Remake unter den Nagel zu reißen, erscheint zunächst, aus jedem nur erdenklichen Blickwinkel betrachtet, wie eine schlechte Idee. EVIL DEAD von 1981 ist “Kult” und nicht wegzudenken aus der filmischen Genre-Sozialisation einer gesamten Generation, stellte er für viele doch zunächst einen unerreichbaren Mythos dar, der sich über die Zeit zum unantastbaren Teil der Jugend manifestierte. Der sagenumwobene Charakter der Videotapes, hierzulande natürlich unter dem Titel TANZ DER TEUFEL gehandelt, welche in den Neunziger Jahren auf Schulhöfen der Republik jeder behauptete gesehen zu haben, keiner jedoch in physischer Form an den Start bringen konnte, spricht eine deutliche Sprache – eine nicht zu leugnende Aura umgab Raimi’s Filmreihe schon immer. Und wer irgendwann tatsächlich, wahrscheinlich in viel zu jungen Jahren, ein VHS-Exemplar in die Finger bekam, staunte nicht schlecht und nahm entweder ein Trauma, oder eine tiefe Liebe für das Horrorgenre aus dieser Begegnung mit.

Wie es bei den meisten Klassikern ist, sind sie in den Augen dieser zahlreichen Fans genau deshalb so gut, weil sie sind wie sie sind. Exakt so. Nicht der Hauch einer Veränderung von Nöten, warum also neu machen? In Fall von EVIL DEAD wird es sogar noch komplizierter, denn zieht man die üblichen Argumentationsketten für Remakes heran, lässt sich das Vorhaben einer Neuverfilmung gleich in doppeltem Sinne als fragwürdig entlarven: Nicht nur, dass Fans den Film “weder wollen, noch brauchen”, auch der übliche Ansatz, einen sehr, sehr günstig produzierten Film in (vermeintlich) “verbessertem”, also technisch brillantem Anstrich nochmals zu präsentieren, geht nicht auf, hat Raimi schließlich bereits wenige Jahre nach dem damaligen Überraschungshit mit höheren Budget (welches aus dem Erfolg des ersten Films resultierte) seinen eigenen Film quasi noch mal gedreht. EVIL DEAD 2 ist streng genommen das erste Remake des Klassikers. Film: Evil Dead (2013) weiterlesen