Schlagwort-Archive: 2010er

Dokumentation: The Gatekeepers (2012)


Trailer © by Studio Hamburg


Fakten
Jahr: 2012
Themen: Geheimdienst, Schin Bet, Krieg, Politik
Regie: Dror Moreh
Konzept: Dror Moreh
Personen: Ami Ayalon, Avraham Shalom, Avi Dichter, Yuval Diskin, Carmi Gillon, Yaakov Peri
Kamera: Avner Shahaf
Musik: ?
Schnitt: Oron Adar


Review
Was passiert da wirklich – da hinter den Kulissen, wo alles “classified” ist, vertraulich, nur einem kleinen Kreis mächtiger Menschen zugänglich? Da wo Dinge passieren, über die die wildesten Verschwörungstheorien gesponnen werden, weil nur wenige den wirklichen Lauf der Dinge kennen? Da wo schnell und distanziert Entscheidungen über Leben und Tod getroffen werden?

Natürlich wird es nie eine Doku geben (können und von offizieler Seite dürfen), die vollständig die Katze aus dem Sack lässt – Geheimdienstarbeit ist nun mal größtenteils “geheim”, das steckt bereits im Namen – doch einen kleinen, überaus interessanten Einblick in diese Welt gibt THE GATEKEEPERS sehr wohl. Gemessen an dem, was tagtäglich in den Führungsriegen und Task-Forces der Geheimdienste und Militärs geplant und beschlossen wird, ist dieser Einblick sicher noch (recht) harmlos und abgemildert. Trotzdem ist es auf eine beklemmende Weise beeindruckend, wenn die sechs noch lebenden ehemaligen Chefs des israelischen “Schin Bet”-Geheimdienstes aus dem Nähkästchen plaudern. Sechs Menschen, die über Jahre einen Job gemacht haben, der an die Substanz geht, am Gewissen nagt und über weite Strecken immer wieder das akute (partielle) Ablegen der Menschlichkeit verlangt. Dokumentation: The Gatekeepers (2012) weiterlesen

Film: Der Junge mit dem Fahrrad – Le Gamin au vélo (2012)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Alamode Film


Fakten
Jahr: 2012
Genre: Drama
Regie: Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne
Drehbuch: Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne
Besetzung: Thomas Doret, Cécile De France, Jérémie Renier, Fabrizio Rongione, Egon Di Mateo, Olivier Gourmet
Kamera: Alain Marcoen
Musik: –
Schnitt: Marie-Hélène Dozo


Review
Bodenständig, geerdet, realistisch – man kann es nennen wie man möchte, Fakt ist dass LE GAMIN AU VÉLO uns leise und still, fast passiv eine Ladung Realität serviert, die gerade aufgrund ihrer Unaufgeregtheit und zurückhaltenden Darreichungsform ins Schwarze trifft.

Im Endeffekt sehen wir nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Leben eines Jungen. Dieser Junge tut zwar sein bestes, sein Inneres nicht nach außen scheinen zu lassen, schnell wird jedoch klar: Er ist verletzt, verzweifelt und tieftraurig, denn sein Vater will ihn nicht mehr und sein einziger Bezugspunkt – die emotional überforderte alleinerziehende Mutter – kann diese Lücke nur sehr bedingt füllen. Und so simpel das zunächst klingt, so hart und bitter ist es. Weil es da weh tut wo jeder von uns sensibel ist, da wo man gewollt werden will, Anerkennung braucht, die Hand ausstreckt und sich wünscht, dass sie genommen wird. Film: Der Junge mit dem Fahrrad – Le Gamin au vélo (2012) weiterlesen

Tatort: Feuerteufel (2013)


Trailer © by ARD


Fakten
Jahr: 2013
Genre: Krimi
Regie: Özgür Yildirim
Drehbuch: Markus Busch
Besetzung: Wotan Wilke Möhring, Petra Schmidt-Schaller, Sebastian Schipper, Achim Buch, Bernhard Schütz, Lo Rivera, David Berton, Philipp Baltus
Kamera: Matthias Bolliger
Musik: Christoph Kaiser, Julian Maas
Schnitt: Sebastian Thümler


Review
Hier brennen jede Nacht die Autos-Mautos, Diggah

Ah ja. So, so. Verstehe. Nicht dass ich so merkwürdige Formulierungen noch nicht im “echten Leben” gehört oder gelesen hätte, allerdings war ich bis jetzt immer klar der Meinung, dass derartig wundersamer Webslang noch nicht in den Alltag Einzug gefunden hätte. Sowas schreibt vielleicht mein nach Hamburg gezogener, dauerspaßender Kumpel Max Mustermann augenzwinkernd auf Facebook, aber sonst?

Fazit: Ich werde alt, so redet man nämlich scheinbar tatsächlich in den Hamburgäar-Gheddo-Streets, Allär! Genauso sagt der gemeine Hamburger selbstverständlich auch nach jedem Satz “Diggah” und genauso soll überhaupt alles in diesem TATORT-Debüt wirklich exakt wie “in echt” auf dem Asphalt der Straße sein. Ein Anspruch der Möhring’s Debut als Kommissar in so katastrophalem Ausmaß das Genick bricht, dass es nicht mal mehr nötig ist, sich kritische Gedanken zur Authentizität der dargestellten Hamburger Ghetto-Kids machen zu müssen.

Selten hat sich die Leistung eines Top-Darstellers mehr nach erkennbarem Schauspiel, nach auswendig gelernt, nach aufgesetzt angefühlt. Selten ist eine Figur dank (bewusst) sparsam gesetzten Einblicken in ihre Vergangenheit und Privatleben so flach und charakterlos zurück geblieben. Selten ist ein Kriminalfall dank Realitätsnähe und Vermeidung von filmischer Übertreibung noch öder über den Schirm geflimmert. Tatort: Feuerteufel (2013) weiterlesen

Film: Contagion (2011)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Warner Home Video


Fakten
Jahr: 2011
Genre: Epidemie, Katastrophenfilm, Thriller
Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: Scott Z. Burns
Besetzung: Matt Damon, Kate Winslet, Jude Law, Gwyneth Paltrow, Laurence Fishburne, John Hawkes, Monique Gabriela Curnen, Marion Cotillard, Armin Rohde, Bryan Cranston
Kamera: Steven Soderbergh
Musik: Cliff Martinez
Schnitt: Stephen Mirrione


Review
Ich sah die Menschheit im Angesicht der Katastrophe – und fühlte nichts dabei.

Zum erneuten Male gelingt es (so fern man da so sagen kann) Steven Soderbergh, mich mit seiner Art der Inszenierung vollkommen kalt zu lassen. 106 Minuten ohne jegliche Regung in irgendeine erdenkliche Richtung des Gefühlsspektrums. Kein Mitleid, keine Hoffnung, kein schlechtes Gefühl im Bauch. Auch keine Spannung, kein Mitfiebern. Ich muss ihm lassen, in Anbetracht des anstehenden Weltuntergangsszenarios, welches er in CONTAGION entwirft, ist das tatsächlich eine Leistung (der Emmerich’sche Weltuntergang jüngerer Vergangenheit hat mich ja wenigstens verärgert). Vielleicht möchte er ja genau das mit seinem quasi Doku-Stil (der sich in meinen Augen extremst mit der völlig übersättigten und von überzogener Schärfentiefe geprägten Optik beißt)? Aber warum dreht er dann Filme und keine Dokus? Denn (ich kann jetzt nur von mir sprechen) einen Film zu schauen soll doch etwas im Zuschauer auslösen. Selbst wenn es einzig und allein Antipathie gegenüber Figuren und ihren Handlungen ist (wie beispielsweise in Malick’s BADLANDS), so ist das dennoch eine Emotion. Hier passiert nichts. Film: Contagion (2011) weiterlesen

Film: Jack In Love – Jack Goes Boating (2010)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Alamode Film


Fakten
Jahr: 2010
Genre: Romanze, Tragikkomödie
Regie: Philip Seymour Hoffman
Drehbuch: Robert Glaudini
Besetzung: Philip Seymour Hoffman, Amy Ryan, John Ortiz, Richard Petrocelli, Tom McCarthy, Daphne Rubin-Vega
Kamera: W. Mott Hupfel III
Musik: Grizzly Bear
Schnitt: Brian A. Kates


Review
Der Abspann ist jetzt erst zwei Minuten zu Ende und ich habe das dringende Gefühl etwas in die Welt zu schreien: Das hier – JACK GOES BOATING – ist wohl der wunderbarste romantisch-tragisch-schöne Film, den ich bis jetzt sehen durfte. Ich bin absolut hin & weg! Wie schön kann ein Liebesfilm sein, wenn er die richtigen Töne wählt und die falschen vermeidet? Wie viel kann eine kleine Geschichte über tiefe und echte Freundschaft geben, ohne überhaupt viel sagen zu müssen? Wie feinfühlig und filigran kann sich die Inszenierung der Gefühlswelt einer Figur gestalten? Genial.

Das Philip Seymour-Hoffman vor der Kamera ein wahres Genie ist, ist absolut unumstritten – ich gehe so weit ihn als den (für mich) aktuell größten amerikanischen Charakterdarsteller zu bezeichnen – und dieser Film (während dessen Sichtung ich gar nicht wusste, dass er eben auch VON Hoffman ist) zeigt mir direkt und ohne Zweifel, dass er in punkto Regie in eine ähnlich starke Richtung tendiert. Film: Jack In Love – Jack Goes Boating (2010) weiterlesen