Trailer © by Walt Disney Studios
Fakten
Jahr: 2010
Genre: Fantasy, Märchen
Regie: Tim Burton
Drehbuch: Linda Woolverton
Besetzung: Mia Wasikowska, Johnny Depp, Helena Bonham Carter, Anne Hathaway, Crispin Glover, Matt Lucas, Michael Sheen, Stephen Fry, Alan Rickman
Kamera: Dariusz Wolski
Musik: Danny Elfman
Schnitt: Chris Lebenzon
Review
2010 sah ich diesen Film im Kino.
Ich hatte sowieso gerade Tim Burton so richtig für mich entdeckt (meint: ich hatte BIG FISH zum zweiten Mal gesehen und erkannt wie toll und verträumt der ist), vorher erst ein Mal einen 3D-Film geschaut und war aufgrund der bunten Trailer voller Vorfreude auf diesen abgefahrenen Stoff.
Burton’esk sollte dieser Kinobesuch werden.
110 Minuten später habe ich gut gelaunt, geradezu verzaubert den Kinosaal verlassen und in den folgenden Gesprächen Tim Burton einen erneuten Volltreffer bescheinigt. Ohne wenn und aber. Nichts zu meckern, nur zu loben.
Vier Jahre lang hielt ich sie für einen guten Film und habe ich nicht im Ansatz verstehen können, wieso diese Adaption von ALICE IN WONDERLAND ganz entgegen meiner Meinung eigentlich nur Schelte und Hass erntet. Wollte nicht begreifen wie man den Film als “leer”, als “flach” und “mit viel Wohlwollen wenn überhaupt noch als Mittelmaß” bezeichnen kann. Er hatte mich doch so verzaubert. War doch so niedlich gewesen.
Nun hat er seinen zweiten Durchgang bekommen.
Mit gewachsenem Anspruch an Filme.
Ohne die (ohnehin nicht mehr existente) Faszination für 3D.
Mit einer nun auch wieder etwas nüchterneren Sicht auf Tim Burton und seine Fließband-Skurrilität.
Ich hatte erwartet danach sowas wie “Ist nach wie vor gut, aber ich verstehe immerhin worauf die viele Kritik abzielt.” zu denken. Was ich nicht erwartet hatte, ist ratlos da zu sitzen und mich zu fragen, wie diesem bunten Filmchen überhaupt jemals irgendetwas abgewinnen konnte. Ich vermute – das erscheint als einzige Erklärung plausibel – hier einen klassischen Fall des AVATAR-Syndroms vorliegen zu haben. Das AVATAR-Syndrom – die ultimative Täuschung durch 3D. Eine unter 3D-Neulingen gängige, durch die (noch) unbekannte Technik hervorgerufene Faszination, im Extremfall sogar Erblindung, die sämtliche Inhalte des Gezeigten vollkommen überschattet und in bester Rummelplatz-Tradition durch Spektakel (und eben NUR durch Spektakel) punktet. Es MUSS so gewesen sein, denn diese Variante von ALICE IN WONDERLAND hat ansonsten leider wirklich gar nichts zu bieten.
Von Minute eins an, findet Burton keinen sinnvollen Erzählfluss. Alice will nicht erwachsen werden, als sie dann auch noch jung verheiratet werden soll, kippt ihre Laune ins ganz miese – als Flucht geht es ab ins Wunderland unter dem Baum. Was dann passiert ist am ehesten mit wüst, durcheinander und beliebig zu beschreiben: Alice stolpert ziellos umher, wird von meist motivations- und ebenso ziellosen, krampfhaft auf skurril getrimmten Figuren von einer Richtung in die andere (und wieder zurück) geschubst und landet irgendwann durch Zufall immer da wo der minimal-Plot einen weiteren losen, meist direkt wieder verlorenen Handlungsfaden auflesen kann. Irgendwann ist vom Empfinden dann alles und jeder egal. Dann, nach einem wirklich ärgerlichen, modernen Hirn-aus-Action-Blockbustern in nichts nachstehenden Finale (auch in Bezug auf Danny Elfmanns Musik), ist der Spuk vorbei.
Alles hier ist auf 3D-Effekthascherei ausgelegt. Die Figuren existieren nicht, um durch spezifische Charaktereigenschaften ein Profil zu entwickeln, welches in irgend einer Form mit Alice interagieren könnte. Nicht um eigene Individuen zu sein. Sie existieren lediglich (und ausschließlich) um abgedreht auszusehen und den Zuschauern mit ihren unbequem sitzenden Brillen entgegen zu fliegen, zu schweben, oder zu springen. Bunte, erzwungen schräge Wesen in einer vor Zucker triefenden Welt aus dem Computer. Eine Welt die so künstlich wirkt, dass jeglicher Zauber im Keim erstickt. Die “Abenteuer” echter Figuren in diesen gerenderten Wäldern aus Pixeln bekommen einen grotesken Beigeschmack – warum hier überhaupt noch reale Schauspieler eingesetzt sind, kann auf der Macht der Gewohnheit begründet sein. Ohne Depp und Bonham-Carter geht es bei Burton scheinbar nicht mehr, auch in einem sonst vollständigen Animationsfilm nicht.
Zwar geben Burton und seine Animatoren hier alles, lässt Grinsekatzen vor den Gesichtern der Zuschauer schweben, den bunten Hutmacher im fully-retard Modus abdrehen, seine wahnsinnigen Nagetiere und Hasen alles was nicht niet- und nagelfest ist kompromisslos zerdeppern und auch sonst soll kein Zweifel aufkommen, dass dieses Wunderland wirklich ganz besonders durchgeknallt ist. Da sind die rote Königin mit dem Riesenkopf und ihre, sich für den Wind haltende Pazifisten-Schwester, die rauchende Raupe, die zwei dicken Jungs. Doch wir wissen ja: Von allem zu viel führt zu nichts und so verpufft die Wirkung all dieser farbenfrohen Bildschirmschoner-Sequenzen, ohne auch nur in die Reichweite des Herzens zu gelangen. Und zieht man all diese (potentiellen) Schauwerte ab, bleibt einfach gar nichts mehr übrig. Selbst der Subtext von Realitätsflucht (ob nun Drogen- oder sonstwie induziert) ist entschwunden – das hier ist klar verständlich und bar jeder Interpretationsmöglichkeit.
Tatsächlich ein ganz schwacher Film.
Eingesehen, abgehakt.
Wertung
4 von 10 bunten Plastik-Kulissen
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
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3 Gedanken zu „Film: Alice in Wonderland (2010)“