Archiv der Kategorie: Reviews

Hier findet ihr meine Besprechungen zu Filmen, Serien und Dokumentationen. Ab und an verirrt sich auch mal ein Kurzfilm in den Blog.

Serie: Orphan Black – Season #2 (2014)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Polyband Medien GmbH


Fakten
Jahr: 2014
Genre: Mystery, Thriller, Science-Fiction, Drama
Showrunner: John Fawcett & Graeme Manson
Crew (Writer, Director, Cinematographer, Editor): IMDb-Übersicht
Besetzung: Tatiana Maslany, Dylan Bruce, Jordan GavarisMaria Doyle KennedyKristian BruunKevin HanchardEvelyne BrochuSkyler WexlerMichael MandoMatt FrewerAri MillenMichelle Forbes
Musik: Two Fingers (Main Theme) & Trevor Yuile (Score)


Review
Ein hoch auf die Zeiten des Internets und der daraus resultierenden Möglichkeit des nahtlosen Aneinanderreihens fortlaufender Serien-Staffeln. Warum? Nach dem brutalen über-Cliffhanger an Ende der ersten Season von ORPHAN BLACK, wäre jegliche Wartezeit auf eine Auflösung der finalen Situation schlicht nicht erträglich gewesen – keine Woche, kein Monat, von einem Jahr ganz zu schweigen! Zu nagend hätte sich das viele Grübeln um das Schicksal der entführten kleinen Kira (aka Monkey) und ihrer bangenden Klon-Mami Sarah gestaltet – doch egal wie lange der einzelne Zuschauer nun auch immer auf den Genuss der weiteren Episoden warten musste, es findet es ein jähes Ende, denn ihm wird recht schnell etwas (wenn auch nur kurz anhaltende) Entspannung gegönnt.

Ohne lange zu Fackeln steigt die zweite Staffel der Serie genau dort ein, wo wir gezwungenermaßen ausgestiegen sind: In Höchstgeschwindigkeit – anders sind wir es von ORPHAN BLACK sowieso nicht gewohnt – begibt sich Sarah auf die Spuren ihrer gekidnappten Tochter, erlangt erste Hinweise auf deren Aufenthaltsort und in kleinst-Schritten formt sich das Bild einer dubiosen Verschwörung, die weit in vergangene Tage zurück reicht. Nachdem die Frage “wer sind wir eigentlich” die Klone unabdinglich durch die ersten zehn Episoden trieb, geht es nun eher darum, wer genau sie erschaffen hat und warum eigentlich. Im Resultat weichen die ohnehin schon schwammigen Fronten endgültig auf – Bedrohung von überall, aber die Klon-Ladies bilden einen schützenden Zirkel, außerhalb dessen so gut wie niemandem mehr vertraut werden kann.

Verschiedenste Parteien hatten in ihrer Erschaffung die Finger im Spiel, doch was genau passierte, muss mühsam rekonstruiert werden – die Geschichte des ominösen DYAD Konzerns wurde geschwärzt. Classified! Da sind Wissenschaftler, die an den ursprünglichen Experimenten beteiligt waren, aber für tot erklärt wurden, da werden geheime Codes in DNA-Sequenzen entschlüsselt und im Nacken liegt immer die herrschsüchtige Rachel – ein weiterer Klon – welche scheinbar unglaubliche Macht hat, aber lange Zeit nicht wirklich durchscheinen lässt, was ihre konkreten Absichten sind – ihren gewalttätigen Taten und Aufträgen verschaffen diese Unklarheiten eine noch bedrohlichere Wirkung. Alles sehr mysteriös, doch spätestens an dem Punkt, als bewaffnete Männer beginnen Sarah zu verfolgen, kippt das Mysterium in Gefahr, der es zu entkommen gilt, zumindest so lang bis die Suche nach dem eigenen Ursprung sie in die nächste brenzlige Situation treibt. Dieses Stochern in der eigenen genetischen Erschaffungsgeschichte ist zwar Leitmotiv, aber dennoch nur eine von vielen konkreten Richtungen in die sich Season #2 parallel entwickelt. Nachdem anfänglich alles um Zusammenarbeit in der gemeinsamen Sache ging, gehen die Klone nun zunächst gezwungenermaßen getrennte Pfade, die lange parallel laufen, bis es zur nächsten Kreuzung kommt – jede hat ihr eigenes, spezielles Päckchen zu tragen, welches vollsten Einsatz erfordert.

Das ist zum einen etwas schade, weil gerade die Interaktion der vielen von Tatiana Maslany verkörperten Frauen enorm zur Brillanz der ersten Staffel beitrug, zum anderen aber auch notwendig, weil so jede von ihnen ein schärferes, echteres Profil bekommt und die jeweiligen zwischenmenschlichen Bindungen endgültig verfestigt werden. Während Cosima verzweifelt an einer tödlichen Lungenkrankheit forscht, die die Klone befällt und mittelfristig in den Tod reißen wird, Allison irgendwie versucht ihr Leben und ihre Ehe wieder in erträgliche Bahnen zu lenken und Helena unter dem Wahnsinn abgedrehter Jesus-Freaks zu leiden hat, baut man zu allen von ihnen eine so feste Bindung auf, wie sie in der Season #1 streng genommen nur zu Sarah bestand – der Clone-Club wird zum Ensemble, die Verkörperung der einzelnen Frauen durch Maslany endgültig übermenschlich und die einzelnen Storylines in ihrer Gewichtung gleichwertig. Dabei treten im Laufe der Zeit sogar einige neue Player auf den Plan, die frischen Wind bringen: Helena gerät an besagte religiöse Fanatiker, welche Klone als Betrug an Gottes Werk ansehen und vor wenig zurückschrecken, einige Indizien aus Sarah’s Recherche deuten auf ein Mitmischen des Militärs im Klon-Experiment hin und gegen Ende erwartet den Zuschauer ein besonders großer Knall, der reichlich Material für zukünftige Staffeln liefert.

Inszenatorisch verschmelzen die zehn Episoden nahtlos mit den voran gegangenen – Stil, Tempo und Look korrelieren mit beachtlicher Stringenz – und auch inhaltlich hält ORPHAN BLACK nach wie vor gesund die Wage zwischen nötigen Auflösungen der aufgemachten Rätsel und der Schaffung neuer, großer Fragezeichen im verschachtelten Plot. Das gerät teilweise deftig hart, teilweise emotional packend und in Summe durchweg wieder so enorm spannend, wie die erste Staffel es bereits vorlegte. Ein Plus: Nie wirken in diesem vernebelten Verwirrspiel die kniffligen Verstrickungen in die Vergangenheit zu gewollt, oder zum Mystery-Selbstzweck erdacht – im Gegenteil, es macht alles Sinn und formt ein Ganzes, welches einem größeren Ziel dient, als lediglich die Zuschauer zum anschalten der nächsten Episode zu bewegen. Season #2 macht aus dem achtstündigen Film, der ORPHAN BLACK zuvor gewesen ist, einen sechzehnstündigen Film voller Hochs und Tiefs, sinnvoll arrangierter paralleler Handlungs-Stränge und intensiver Charakter-Momente. Nach wie vor ganz großartig!


Wertung
8-9 von 10 unmoralisch handelnden Großkonzernen


Veröffentlichung
ORPHAN BLACK – Season #2 ist bei Polyband Medien GmbH als BluRay und DVD erschienen.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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Film: Drei Affen – Üç Maymun (2008)


Trailer © by good!movies


Fakten
Jahr: 2008
Genre: Drama
Regie: Nuri Bilge Ceylan
Drehbuch: Nuri Bilge CeylanEbru Ceylan, Ercan Kesal
Besetzung: Yavuz Bingol, Hatice Aslan, Ahmet Rifat SungarErcan KesalCafer KöseGürkan Aydin
Kamera: Gökhan Tiryaki
Musik: –
Schnitt: Nuri Bilge CeylanAyhan ErgürselBora Göksingöl


Review
Macht, Gewalt, Verlust.

Elementare Themen, denen man sich in großer Geste und mit lautem Knall nähern kann – die volle emotionale Dröhnung, überbordend und frontal auf die Rezeptionszentren der Zuschauer einhämmernd – oder man wählt, wie der türkische Virtuose der Langsamkeit Nuri Bilge Ceylan, den weniger offensichtlichen Weg und schleicht sich auf vollkommen anderem Wege an die vielschichtigen Dilemmata des menschlichen Seins heran. Still, verständnisvoll beobachtend und weit mehr am Abklang, plus den seelischen Nachwirkungen des Sturms, als am eigentlichen Epizentrum interessiert. Will man Effekte haschen, oder ist man auf der Pirsch, um das Wesen des Menschen zu durchdringen und, auch wenn dieses Ziel sicher ins utopische geht, irgendwann mal zu verstehen?

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Film: Verjährung – Mong-ta-joo (2013)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Edel:Motion Film


Fakten
Jahr: 2013
Genre: Thriller, Drama
Regie: Geun-seop Jeong
Drehbuch: Geun-seop Jeong
Besetzung:  Eom Jeong-hwa, Kim Sang-kyung, Song Young-changJo Hie-bong
Kamera: Lee Jong-Youl
Musik: An Hyun-jinKoo Ja-wan
Schnitt: Steve M. ChoePark Kyoung-sook


Review
In Bezug auf audiovisuell ansprechende Thriller mausert sich Südkorea in den letzten 10-15 Jahren zu einem der globalen Film-Player schlechthin. Von Entführung (THE CHASER), über das wahrscheinlich häufigste Motiv der Rache (LADY VENGEANCE, I SAW THE DEVIL), bis hin zu Meisterwerken, die sich gekonnt jeglicher klaren Einordnung entziehen (OLDBOY) nutzen die verschiedenen Filmemacher Motive aus der Welt von Cops, Gangstern und allem dazwischen, um packende Geschichten, nicht selten mit gehaltvollem Subtext zu erzählen. Der durchschlagende Erfolg von Werken wie MEMORIES OF MURDER gibt Ihnen recht, denn nicht selten sind die Krimis aus dem eigenen Land die erfolgreichsten Filme des jeweiligen Jahres und locken in dem kleinen, boomenden Land in Südostasien Hunderttausende in die Kinos – kein Wunder, Filmkenner wissen es schon längst: Wer braucht noch Hollywood, wenn er Bong Joon-ho, Kim Jee-woon, oder Park Chan-wook hat! Auch abseits dieser, mittlerweile tatsächlich allesamt durch die jeweiligen U.S.-Debuts aufgefallenen, etablierten großen Namen tut sich einiges: Kleinere Filmemacher, oft auch Autoren der Werke, bekommen die Chance ihre Stoffe umzusetzen, um (und das klingt schlimmer als es ist) den dürstenden Markt zu bedienen. Herüber nach Deutschland und Europa schwappt leider nur ein relativ kleiner Teil des beträchtlichen filmischen Outputs dieses Landes – schade, doch nun ist es mal wieder so weit, mit zwei Jahren Verspätung schafft es ein Regiedebut namens VERJÄHRUNG in die deutschen Heimkinos.  Film: Verjährung – Mong-ta-joo (2013) weiterlesen

Film: The One I Love (2014)


Trailer © by RADiUS-TWC


Fakten
Jahr: 2014
Genre: Drama, Mindgame
Regie: Charlie McDowell
Drehbuch: Justin Lader
Besetzung: Mark Duplass, Elisabeth Moss, Ted Danson
Kamera: Doug Emmett
Musik: Danny BensiSaunder Jurriaans
Schnitt: Jennifer Lilly


Review
THE ONE I LOVE – dieser eine Mensch, den du liebst. Wer ist er? Was zeichnet ihn aus? Welche unvergleichlichen Eigenschaften machen ihn besonders, welche nagenden Macken zeitweise unerträglich? Fragen, die sich jeder Mensch der in längeren Beziehungen lebt, zwangsweise irgendwann stellt. Mal mehr, mal weniger, mal aus einem heftigen Streit und mal aus der beflügelnden Verzückung heraus, die nur dieser eine Mensch hervorrufen kann. Der eine, den man liebt. Doch was, wenn man ihn vielleicht gar nicht wirklich kennt? Denkt ihn vollkommen zu lieben, aber doch nur die halbe Wahrheit sieht? Was wenn man das Unangenehme so effektiv ausblendet, dass das große Glück nur fälschlicher Trug ist? Wie viele seiner Ticks muss man ignorieren, um glücklich zu bleiben? Letztere sind wichtige Fragen, die ein hohes Maß an Ehrlichkeit zu sich selbst erfordern und daher in der Regel mit Vorliebe weit von sich geschoben werden – das Ergebnis könnte schließlich unangenehm sein.

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Film: A Girl Walks Home Alone At Night (2014)


Titelbild, Trailer und Bildausschnitte © by Capelight Pictures


Fakten
Jahr: 2014
Genre: Horror, Gesellschaftskritik
Regie: Ana Lily Amirpour
Drehbuch: Ana Lily Amirpour
Besetzung: Sheila Vand, Arash Marandi, Marshall Manesh,  Mozhan Marnò, Dominic Rains, Milad Eghbali
Kamera: Lyle Vincent
Musik: Verschiedene (*)
Schnitt: Alex O’Flinn


Review
Ist es nicht wundervoll, wie man in den letzten Jahren dem Vampirfilm, einer Filmgattung die schon immer voll im Fluss des zeitlichen und moralischen Wandels stand, dabei zusehen kann wie er zu neuer, vielleicht noch nie erreichter Größe erwächst und sich dabei ein ums andere Mal selbst übertrifft? Wie ganz selbstverständlich die ausgetretenen Pfade des reinen Grusels verlassen und sich plötzlich Genre-übergreifend gesellschaftlichen, ja teils gar existenzialistischen Themen gewidmet wird? Statt Blut, Schock und Särgen, stehen mittlerweile verstärkt die Schwierigkeiten einer derartigen Kreatur im Mittelpunkt.

So erzählte ONLY LOVERS LEFT ALIVE (genau so wie DURST) von moralischen Hindernissen, dem Unwillen, oder gar der Unfähigkeit sich triebhaft dem Blutdurst hin zu geben. In gleichem Maße wie ersterer sinnierte SO FINSTER DIE NACHT implizit über die Last der Gefangenschaft in einem ewig gleichbleibenden Körper und Werke wie BYZANTIUM schlugen in die gleiche Kerbe, aber ließen sogar eine Vielzahl stereotyper Genre-Merkmale komplett und ohne sich trauernd umzublicken hinter sich. All dies taucht tief in die Psyche der unfreiwilligen Blutsauger ein – tiefer als die meisten Klassiker.

Auf anderer Seite taugt das Metier auch, um allegorisch von universelleren Themen zu erzählen. Ähnlich wie der australische Film DAYBREAKERS, der aktuelle gesellschaftliche Missstände weiter denkt, auf eine Vampir-Gesellschaft überträgt und neben der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen vor allem die Ausgrenzung der Schwachen und Kranken kritisiert, nutzt auch A GIRL WALKS HOME AT NIGHT, Debutfilm der iranisch-stämmigen Amerikanerin An Lily Amirpour, die Übermächtigkeit des Vampirs, um Denkanstöße (und träumerische Lösungsansätze) zu realen Problemen zu geben. Aber: Andersherum. Nicht die Schwachen werden in ihrem Film durch mächtige Vampire unterdrückt, sondern die Unterdrückten, nämlich Frauen in fundamentalistisch-islamischen Systemen, im Fortschreiten ihres Befreiungskampfes katalysiert: der Vampir-Mythos als Sprengstoff für etablierte gesellschaftliche Fesseln. Film: A Girl Walks Home Alone At Night (2014) weiterlesen