Film: Byzantium (2012)


Trailer © by Universum Film GmbH


Fakten
Jahr: 2012
Genre: Horror, Fantasy, Drama
Regie: Neil Jordan
Drehbuch: Moira Buffini
Besetzung: Saoirse Ronan, Gemma Arterton, Sam Riley
Kamera: Sean Bobbitt
Musik: Javier Navarrete
Schnitt: Tony Lawson


Review
Tod durch Sonnenlicht? Schnee von Gestern.
Fangzähne? Unnötig.
Verwandlung durch Biss? Wie denn, ohne Fangzähne?
Großes Schloss in Transsylvanien? Lieber ein ein Leben in der Moderne!

BYZANTIUM ist das nächste Exemplar einer aufkommenden, höchst interessanten Gattung des Vampirfilms – in einem Zug mit Werken wie DURST, SO FINSTER DIE NACHT oder auch ONLY LOVERS LEFT ALIVE entsteht im 21. Jahrhundert langsam (aber stetig) ein neuer, frischer Umgang mit der klassischen Materie. Mäntel, Särge, Fledermäuse, gruselige Schlösser, das alles war gestern. Den Autoren dieser neueren Vertreter ist verstärkt daran gelegen, den Vampir nicht nur aus seinem klassischen Mikrokosmos zu isolieren und unverändert in unsere Zeit zu verpflanzen, sondern das gesamte Leben dieser seltsamen Wesen, ihre Denke, ihren Umgang, ihr Dasein sinnvoll und authentisch im neuen Jahrtausend zu verorten.

Dabei scheuen die Macher, in diesem Fall Regie Altmeister Neil Jordan (der sich mit dem Thema der Vampire bekanntlich nicht das erste Mal auseinandersetzt) und Drehbuchautorin Moira Buffini, nicht im geringsten, all die klassischen Genre-Tropen über Bord zu werfen, sie sogar bewusst im Film als unsinnig, oder nicht mehr notwendig zu thematisieren. Im Resultat werden in BYZANTIUM spitze, ausfahrbare Zähne zu scharfen Fingernägeln, die zum ewigen Leben befähigten (vielleicht verdammten?) Frauen wandeln problemlos bei Tage umher, schlafen in Betten und benehmen sich auch sonst recht normal. Auch die Entstehung ihrer blutdürstigen Lebensform bekommt einen frischen, gänzlich neuen Anstrich. Das gefällt wahrscheinlich genau so sehr, wie es Genre-Puristen bitter aufstößt.

Nun stellt sich der Zuschauer vielleicht die Frage, ob die Thematik der Vampire bei so vielen Neuerungen sogar inhaltlich völlig neues Terrain betritt? Sind die Filme nun über ihren Ursprung erwachsen und zu mehr als schaurigen grusel-Horror Streifen geworden? Eine klare Antwort ist schwer möglich, doch genau da liegt die Qualität von BYZANTIUM. In seinen inszenatorischen Qualitäten entspricht der Film klar und deutlich einem leicht düsteren, ruhigen Genre-Filmchen – die Protagonistin Eleanor wandert einsam durch die Nacht, die düsteren Kulissen eines britischen Küstenortes zeichnen eine graue, kalte Welt, das Blut fließt hier und da, wenn auch wenig effekthascherisch. Doch wie auch in den obig genannten Genre-Kollegen der Neuzeit, ist in BYZANTIUM noch mehr als ein bisschen Blut und ein bisschen schauerige Atmosphäre zu finden. Immerfort schwingt eine tiefe Melancholie mit, die das “ewige Leben” mehr als Last, denn als Segen erscheinen lässt. Und immerfort schwingen (wie auch in DURST besonders stark ausgeprägt) Fragen nach der Moral des eigenen Handelns mit. Nach der Richtigkeit dessen, zu dem die Vampire aufgrund ihres Seins verdammt sind.

Blutdurst führt zu einem quälenden moralischen Dilemma:
Akzeptieren was man ist, ihm nachgeben, aber dadurch andere gefährden, verletzen, gar töten?
Oder Beherrschung üben, dadurch leiden und zur Not, wenn es gar nicht mehr anders geht, alternative Wege finden, die moralisch weniger falsch erscheinen?
Das Leben auf Kosten anderer. Notwendig, oder vermeidbar? Und falls notwendig, heißt das automatisch auch richtig? Hier findet der Vampirfilm der Neuzeit eine Kerbe, die er perfekt auszufüllen vermag, da das Leben einiger auf Kosten vieler – das moderne “Blutsaugen” – gesellschaftlich zwar schon immer relevant war, aber (leider) in letzter Zeit ungebremst an Fahrt aufnimmt.

In BYZANTIUM prallen verschiedene Sichtweisen all dieser Probleme stark und elegant aufeinander. Saoirse Ronan als trauriges Rotkäppchen Eleanor stellt sich die genannten Fragen, sieht ihr Leben mehr als Fluch an, thematisiert immer wieder die fehlende Freiwilligkeit ihres Handelns. Auf der anderen Seite Gemma Arterton als Clara, die einfach Leben will, ihre Fähigkeiten nutzen, zur Not auch ihre Macht und sich selbst immer und ausnahmslos über Andere stellen würde.

Sehr gelungener, wirklich toller Film.
Wenn das so weiter geht, werde ich noch Fan des Genres!


Wertung
8 von 10 speziellen Daumen-Nägeln


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

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