Archiv der Kategorie: Europa

Filme aus Europa

Film: Dogtooth – Kynodontas (2009)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Störkanal


Fakten
Jahr: 2009
Genre: Drama, Kopfkino, meta-Film, Fragenkatalog
Regie: Yorgos Lanthimos
Drehbuch: Efthymis Filippou, Yorgos Lanthimos
Besetzung: Christos Stergioglou, Michele Valley, Angeliki Papoulia, Hristos Passalis, Mary Tsoni, Anna Kalaitzidou
Kamera: Thimios Bakatakis
Musik: –
Schnitt: Yorgos Mavropsaridis


Review
Vater: “Eure Mutter wird bald zwei Kinder und einen Hund gebären. Wenn ihr euch anstrengt und euer Verhalten sich bessert, kann eventuell von den Kindern abgesehen werden

Wie(so) funktioniert unsere moderne Gesellschaft?

Vereinfacht, ist sie wohl am ehesten als ein präzise ineinander greifendes Uhrwerk aus anerzogenen, erlernten und am wichtigsten, von einer übergeordneten Führung vorgegeben Regeln und Normen, kommuniziert durch etablierte und mit unveränderlichem Sinn behaftete Sprache, zu beschreiben. Wir verstehen uns durch das Erlernen von Begriffen (die einem von außen zugetragen werden) als Beschreibung für erlernte Taten (die einem von außen vorgegeben werden). Konditionierung von Tag eins an. Wir tun also das, was man uns als gut und richtig eingeimpft hat – ein Zustand, der als gegeben und selbstverständlich hingenommen wird. Unser gesamtes Weltbild ist ein Produkt unserer Umgebung – “normal” ist das, was tagtäglich auf uns einwirkt.

Doch inwieweit entsteht diese gültige Realität aus dem tiefen Innersten des Menschen heraus und wieviel davon ist ein künstliches Konstrukt – über die Zeit gewachsen, um den Interessen einer bestimmten (wie auch die Gesellschaft ebenfalls in dauerhaftem Wandel stehenden) Gruppe in die Arme zu spielen? Heruntergebrochen von gesellschaftlicher auf individuelle Ebene, folgt eine essentielle Frage von enormer Tragweite: Wie viel in uns stammt ungefiltert und pur aus unserem Wesen? Also wie viel ist im Gegenzug von rein artifizieller, von anderer Seite aus erschaffener Natur und wurde lediglich durch gezielte Implementierung dieses artifiziellen Konstruktes in unserem, bis dato noch unbefleckten, Geist ein Teil von uns?

Unser Hirn als Festplatte – mit beliebigem Inhalt beschreibbar, in jede mögliche Richtung programmierbar? Oder der Mensch, als sich selbst definierendes Wesen, welches – sofern er in eine ihm unwohle Form gepresst wurde – beim geringsten Störimpuls Versuche des Ausbruchs unternehmen wird?

Diese Fragen stellt DOGTOOTH. Film: Dogtooth – Kynodontas (2009) weiterlesen

Film: Paradies – Liebe (2013)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by good!movies


Fakten
Jahr:2013
Genre: Drama, Gesellschaftskritik
Regie: Ulrich Seidl
Drehbuch: Ulrich Seidl, Veronika Franz
Besetzung: Margarete Tiesel, Peter Kazungu, Inge Maux, Dunja Sowinetz, Helen Brugat, Gabriel Mwarua, Josphat Hamisi, Carlos Mkutano, Melanie Lenz, Maria Hofstätter, Livingson Nyambu, Tobias Kasiwa, Anderson Mutisya, Francis Aluoch
Kamera: Edward Lachman, Wolfgang Thaler
Musik: –
Schnitt: Christof Schertenleib


Review
Wir Menschen mögen klare Verhältnisse. Wir wollen mit dem Finger auf jemanden zeigen können, sagen: “Das ist der Böse!” und uns dann, nach dieser klaren und unanfechtbaren Erkenntnis, den anderen zuwenden und feststellen, dass sie unschuldig, fromm und einfach durchweg gut sind. Wir wollen Schuld definieren und zuweisen – deutlich und unumstößlich.

Doch so einfach macht Ulrich Seidl es uns mit dem Auftakt seiner PARADIES-Trilogie leider (bzw. eher zum Glück) nicht. In PARADIES: GLAUBE untergräbt er dieses vereinfachte “ganz oder gar nicht” Denken vollständig – in seiner Welt gibt es nicht die eine Seite, die alles richtig macht und die andere die darunter leidet. Es ist komplizierter. Das Stichwort heißt: Ambivalenz.

Die frustrierte, tief einsame, körperlich wenig anziehende Teresa will aus ihrer österreichischen Vorstadt-Tristesse ausbrechen. Nach Kenia – wenn man dem Film glauben schenken darf, dem Bangkok der sexuell frustrierten Mittfünfziger-Damen. Zunächst herrschen Berührungsängste und Skepsis vor, doch ihre Freundin muss ihr nur noch ein wenig die Ohren vollschwärmen – vom Kokos-Geruch der “Negerhaut” und den Vorzügen solch erkaufter Zärtlichkeiten – und nach anfänglicher Abneigung fällt sie schnell auf die durchtriebene Masche des Einheimischen Munga herein – getrieben von der Illusion der gefundenen Liebe.

Was Seidl uns im Laufe der folgenden zwei Stunden in quasi-dokumentarischer Form vorsetzt, ist sowohl auf eine traurige Art bewegend, wie auch konträr dazu enorm abstoßend. Film: Paradies – Liebe (2013) weiterlesen

Film: 00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse (2013)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Senator / Wild Bunch Germany


Fakten
Jahr: 2013
Genre: Komödie, Klamauk, Satire, Groteske
Regie: Helge Schneider, Andrea Schumacher
Drehbuch: Helge Schneider, Andrea Schumacher
Besetzung: Helge Schneider, Peter Thoms, Tyree Glenn, Rocko Schamoni, Ira Coleman, Salvatore Bonarrigo, Udo Hesselmann, Maurizio Rinaudo, Pete York, Willy Ketzer, Butterscotch, Rudi Olbrich, Carlos Boes, Claudia Raquet, Sven Hiller, Giuseppe Angelone, Sergej Gleitmann, Kim Ju-Hae, Erwin Klempke
Kamera: Voxi Bärenklau
Musik: Helge Schneider
Schnitt: Andrea Schumacher


Review
Helge Schneider – ein Phänomen – geliebt, gehasst, verflucht, angehimmelt, missverstanden, abgefeiert. Die Liste ist endlos, lediglich all die Emotionen aus dem “neutralen Spektrum” müssen selbstverständlich gestrichen werden, weil man den “albernen Helge” wahrscheinlich einfach nicht bloß “ganz nett” findet – man liebt oder hasst die einmalige Kunst dieses Mannes. Eine Kunst die sich mit der Zeit sehr verändert hat.

Hat er, trotz aller ausufernden Liebe zu seinem Werk meinerseits, ganz objektiv betrachtet in den Neunziger Jahren wirklich, obwohl die Bezüge zu Gesellschaft und der Absurdität des menschlichen Daseins immer da gewesen sind, hauptsächlich genialen, albernen, ziemlich bekloppten Dadaismus mit extrem eigener Note abgeliefert – Helge halt – so wurde es doch Anfang des neuen Jahrtausends zunehmend nachdenklicher, melancholischer und einfach anders. Eine tief philosophische Betrachtung des eigenen Selbst und des Daseins in Gänze. Der Schwere des Lebens und den Hürden des Erfolgs. Manchmal zumindest. War natürlich immer noch ein bisschen “albern“. Film: 00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse (2013) weiterlesen

Film: Jagdszenen aus Niederbayern (1969)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by EuroVideo Medien GmbH


Fakten
Jahr: 1969
Genre: Gesellschaftskritik
Regie: Peter Fleischmann
Drehbuch: Peter Fleischmann
Besetzung: Martin Sperr, Angela Winkler, Else Quecke, Michael Strixner, Maria Stadler, Gunja Seiser, Johann Brunner, Hanna Schygulla, Renate Sandner, Ernst Wager, Johann Lang, Johann Fuchs, Hans Elwenspoek
Kamera: Alain Derobe
Musik: –
Schnitt: Barbara Mondry, Jane Seitz


Review
JAGDSZENEN AUS NIEDERBAYERN (oder: Die gnadenlose Demaskierung des deutschen Nachkriegs-Heimat-Mythos)

Damals, 1969, die übliche Behauptung: In einem x-beliebigen Dorf in Süddeutschland, repräsentativ für jedes andere, lebt eine glückliche Dorfgemeinschaft. Die Menschen verüben fröhlich ihre Arbeit und die Sonne scheint bis tief in die Herzen hinein.

Hier gezeigte Realität: Die fröhliche Gemeinschaft ist in Wahrheit eine zutiefst verrohte Sippschaft in der Intoleranz, psychische und körperliche Gewalt, sexuelle Übergriffe und Alkoholismus tief verwurzelt und gedudelt sind, allerdings durch eine scheinheilige Doppelmoral unter dem Deckmantel der gottesfürchtigen-Angepasstheit totgeschwiegen werden.

Diese Angepasstheit ist das Wichtigste in der provinziellen Denke der Dorfbewohner. Eine makellose, sichtbare Fassade bewahren. Nicht auffallen. Bloß nicht aus dem Rahmen der akzeptierten gesellschaftlichen Normen herausbrechen. Jede (vermeintliche) Störung der etablierten Strukturen mit ganzer Kraft bekämpfen. Film: Jagdszenen aus Niederbayern (1969) weiterlesen

Film: Possession – Das Dunkle in Dir (2012)


Trailer © by STUDIOCANAL


Fakten
Jahr: 2012
Genre: Horror, Suspense
Regie: Ole Bornedal
Drehbuch: Juliet Snowden, Stiles White
Besetzung: Natasha Calis, Kyra Sedgwick, Jeffrey Dean Morgan, Madison Davenport, Matisyahu, Grant Show, Rob LaBelle
Kamera: Dan Laustsen
Musik: Anton Sanko
Schnitt: Eric L. Beason, Anders Villadsen


Review
Besessenheit und Austreibung. Hundertfach wiedergekäute Angelegenheit, die von Ole Bornedal aber angenehmerweise mal mit der nötigen Ruhe und Zeit abgespult wird.

Es dreht nicht plötzlich jemand ab und der Fokus liegt auf der Austreibung, sondern wir wohnen dem kompletten Werdegang der Besessenheit bei: Erwerb der unheilbringenden Box (jaja, immer diese Boxen), Anziehung, Verfall, Wahn und schließlich kommt der Rabbi ins Spiel, um sich bei der Austreibung mächtig ins Zeug zu legen. Film: Possession – Das Dunkle in Dir (2012) weiterlesen