Techno, aber vor allem Techno-Sets sind schon eine interessante Angelegenheit. Immerfort pumpt die Vier-Viertel Kick vor sich hin. Die Variation oft minimal, nur gelegentlich schleicht sich ein neuer Klang in den Fluss, selten kommt ein gänzliches Element hinzu. “Passiert da noch mal was?” fragen die Leute nicht selten. Doch gerade aufgrund dieses monotonen Flusses kann die Musik, sofern das Set richtig arrangiert ist, einen Sog, wie kaum ein anderes Genre entwickeln. Eine Art meditativer Trance in mir auslösen.
In meiner aktiven DJ-Zeit habe ich versucht genau das umzusetzen und daher irgendwann verstärkt mit Loops und Mehrspur-Mixing gearbeitet. Dabei hatte ich immer ein gewisses “quasi-Vorbild”. Ein Set, was ich seit über zehn Jahren rauf und runter höre und nach wie vor, für eins der besten aller Zeiten halte. Die Extended Version von Richie Hawtin’s DE9:TRANSITIONS. Ich schreibe das, weil dieses Set mich in meiner Wahrnehmung dessen, was elektronische Musik erreichen kann, wirklich stark geprägt hat – alle wollten immer die großen Hits auf Partys hören, die Arme in die Luft reißen und 3 Wochen später dann auf das nächste kurzlebige Anthem abraven – meine Idealvorstellung war davon Welten entfernt. Diametral anders. Ich wollte keine Hoch und Runter, sondern stetigen Fluss, ich wollte keine wiedererkennbaren Tracks, sondern aus Fragmenten einzelner neue zusammen setzen.
Nun höre ich bereits seit kurz nach seinem Erscheinen den XLR8R Podcast #413 und bin, je öfter diese Beats mir durch das Hirn gewandert sind, immer fester davon überzeugt, hier sowas wie eine zeitgemäße Version von TRANSITIONS zu hören. Natürlich will ich niemandem irgend welche spezifischen Wahrnehmungen in den Mund legen, aber es scheint mir einfach, als hätte Sebastian Mullaert genau diese Art der Hypnose durch Flow, also das größte was Minimal und Techno sein können, bis ins letzte verstanden. Dieser 90 Minuten Mitschnitt, voll Live-Sound-Manipulation, Loops und subtilster Veränderung spricht eine klare, ganz wundervolle Sprache.
Es ist leider nicht im Entferntesten möglich, nachvollziehbar in Worte zu fassen, was genau diese Musik auslöst – am nächsten kommen aber wohl Formulierungen wie “Resonanz mit dem Puls des Lebens”. Je länger die Beats laufen, umso eher ist man auf eine Weise gefangen, die nicht mehr los lässt. Als ob der Herzschlag sich mit der Bassdrum synchronisiert und der Klang zur elementaren Untermalung des Lebens wird. Als ob es gar nicht möglich, und auch nicht erwünscht ist, dass das Set irgendwann vorbei ist. Klingt cheesy, ist aber so.
Ich ziehe den Hut, Herr Mullaert. Ganz großartig!
Tracklist
01 Sebastian Mullaert – untitled live jam #1 (0-5)
02 Sebastian Mullaert “In the Blurry Mist of Yourself” (live mix) (5-12)
03 Sebastian Mullaert & Patrick Siech “GENOME1” (12-19)
04 Sebastian Mullaert – untitled live jam #2 (19-26)
05 Sebastian Mullaert & Patrick Siech “Rivers Will Turn” (26-33)
06 KAB “Trust” (Sebastian Mullaert’s live mix) (33-46)
07 Moosfibr “Secret Cinema” (Sebastian Mullaert’s live mix) (46-55)
08 Sebastian Mullaert – untitled live jam #3 (55-66)
09 Sebastian Mullaert – untitled live jam #4 (66-72)
10 Sebastian Mullaert – untitled live jam #5 (72-79)
11 Sebastian Mullaert “Direct Experience” (live mix) (79-86)
12 Brian Eno “An Ending Ascent” (Sebastian Mullaert’s live edit)
Weblinks
Podcast (DL & Stream) auf XLR8R
Mullaert auf BEATPORT
Mullaert auf iTUNES
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