Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by STUDIOCANAL
Fakten
Jahr: 2009
Genre: Drama, Roadmovie
Regie: Jim Jarmusch
Drehbuch: Jim Jarmusch
Besetzung: Bill Murray, Heather Simms, Jessica Lange, Sharon Stone, Jeffrey Wright, Alexis Dziena, Frances Conroy, Chloë Sevigny, Tilda Swinton, Larry Fessenden
Kamera: Frederick Elmes
Musik: Mulatu Astatke
Schnitt: Jay Rabinowitz
Review
On the road to nowhere und irgendwo unterwegs auch noch falsch abgebogen. So, oder so ähnlich beschreibt sich wohl in etwa das Stadium, in dem Bill Murray als Don Johnston in BROKEN FLOWERS vor sich hin existiert. Er macht den Anschein eines alternden Playboys (“You never had any trouble, getting to know some interesting women” sagt sein Nachbar Winston im Nebensatz), der völlig den Faden im Leben verloren hat – in verschiedensten Variationen des gleichen Jogginganzuges vegetiert er auf seinem Sofa vor sich hin, guckt alte Filme ohne sie wahrzunehmen und wird nicht einmal aus der Bahn geworfen, als seine aktuelle Freundin ihn unerwartet verlässt. Im Gegenteil: es scheint ihn völlig kalt zu lassen.
Überhaupt wird Don nicht von großen, intensiven Gefühlsregungen übermannt – er wirkt ziemlich entfremdet von seinem Umfeld, von echter Emotion, ja generell vom Leben. Präziser: speziell von seinem eigenen Leben. Kurze Momente des Aufblühens erleben wir nur, wenn Don mit der Familie, vor allem den fünf Kindern, seines Nachbarn Kontakt hat. Plötzlich zeichnet sich anstatt distanzierter Teilnahmslosigkeit der Hauch eines Lächelns auf seinem Gesicht ab. Doch selber Kinder will er nicht – eigentlich will er gar nichts, was ihn aus der Comfort-Zone aus Sofas, äthiopischem Kaffee und Langeweile herauslocken könnte.
Was Jim Jarmusch uns im Folgenden erzählt, ist eine Geschichte über Verlorenheit. Über das wachgerüttelt werden aus einem ewig andauernden Winterschlaf. Über die Wiederentdeckung des eigenen Selbst – Don wagt einen Schritt in die Zukunft, der nur über den Umweg der Vergangenheit gegangen werden kann.
Nachdem er nämlich einen seltsamen Brief erhält, begibt er sich widerwillig auf einen noch seltsameren Roadtrip: Immerfort voran, durch die endlosen Weiten des Mittleren Westens der USA, auf der Suche nach verflossener Liebe aus vergangenen Tagen, einem nie gekannten Sohn und un(ter)bewusst vor allem nach sich selbst. Nach neuer Lebensfreude, nach Sinn, nach einem Grund. Auffällig ist, wie immer bei Jarmusch, die Wahl der Kulisse – Don’s Reise muss hier, und zwar genau hier stattfinden, verloren in der endlosen Weite, von einer skurrilen Begegnung zur nächsten. Auf nie enden wollenden Straßen, von denen eine der anderen gleicht wie ein Zwilling, vorbei an sich endlos wiederholenden Häusern, für die das gleiche gilt. Eine monotone Ödnis, deren Gleichförmig- und Auswechselbarkeit Jarmusch über eine tolle Verkettung von Szenen herausarbeitet: Auf jeder Etappe kommt Don im Auto auf eine Kurve zu, diese ist natürlich eine andere als vorher, sieht aber ähnlich aus und biegt in etwa im gleichen Winkel nach rechts ab. Und jedes Mal kommt ihm ein LKW auf der Gegenspur entgegen – vielleicht Zufall, vielleicht ein geschickter Trick, der die völlige Monotonie und Leere in kluger Weise auf die Leinwand transportiert.
All das strahlt (vor allem in Verbindung mit den äthiopischen Jazz-Stücken, die Don im Auto hört – BROKEN FLOWERS hat einen der besten Soundtracks aller Zeiten) eine tiefe Melancholie aus. Der Körper verloren in weiter Endlosigkeit, der Geist genauso. Jarmusch gelingt hier wieder etwas für ihn charakteristisches: die Landschaft und Umgebung als direkter Ausdruck des Inneren eines Protagonisten. Ein Stilmittel was schon 1995 in DEAD MAN seinen Anfang nahm, von Jarmusch im Laufe der Zeit (und besonders hier in BROKEN FLOWERS) perfektioniert wurde und 2013 in ONLY LOVERS LEFT ALIVE, wo er den sinnbildlichen Verfall der gesamten Menschheit über die leere und dunkle “Geisterstadt” Detroit transportierte, seinen bisherigen Höhepunkt fand.
Und irgendwie hilft es Don zu sehen wer er mal war, um darüber zu realisieren wer er geworden ist. Und dass das Leben einen Wert hat, den er verlernt hat zu achten. BROKEN FLOWERS – ein langsam-stiller, melancholischer, oft auch skurril-befremdlicher Selbstfindungstrip der besonderen Art. Ganz großartig!
Wertung
9 von 10 zerknautschten Blumensträußen
Veröffentlichung
BROKEN FLOWERS ist bei STUDIOCANAL einzeln und als Teil der Complete Jarmusch Collection auf BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Outtakes; Behind the Scenes; Trailer. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
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4 Gedanken zu „Film: Broken Flowers (2005)“