© by Busch Media Group / Magnolia Pictures

Horrorctober 2015, Film #5: The House Of The Devil (2009)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Busch Media Group / Magnolia Pictures


Fakten
Jahr: 2009
Genre: Horror, Suspense-Thriller
Regie: Ti West
Drehbuch: Ti West
Besetzung: Jocelin Donahue, Tom Noonan, Mary Woronov, Greta Gerwig, AJ Bowen, Dee Wallace
Kamera: Eliot Rockett
Musik: Jeff Grace
Schnitt: Ti West


Es ist wieder so weit: der #horrorctober hat gerufen. Was das ist und was das soll erfahrt ihr auf dieser Info-Seite (die auch alle Links zu meinen Filmbesprechungen im Rahmen des “Events” enthält). Wer alles mitmacht, kann man auf dieser Info-Seite der CineCouch nachlesen. Also haut die Zombies weg, packt die Kettensäge aus und lasst euch nicht mit frechen Geistern ein – fröhliches Gruseln!


Review
Karotten Jeans, Armee-Parka und Föhnfrisur sitzen, der Walkman ist gezückt, die klassischen Synthesizer warten drauf, ihren plärrigen Klang in die Welt hinaus zu posaunen – die Zeichen sind eindeutig und nach einem kurzen eröffnenden Gespräch zwischen Hauptfigur Samantha und ihrer potentiellen neuen Vermieterin, beginnt ein Vorspann, dessen erste Sekunden endgültig etwaige Restzweifel beseitigen, in welche Richtung Regisseur, Autor und Allround-Talent Ti West die Weichen stellt: Hier wird sich ganz klar und bis ins Letzte an der Ästhetik vergangener Tage orientiert. Konkret: einer Epoche die mit 8 beginnt. Und bereits diese kurzen, knackigen Impressionen zu Anfang zeigen, dass Herr West das Material, welches er hier so fröhlich und umfangreich zitiert, in einer Tiefe (oder vielleicht einfach nur mit einer Freude) durchdrungen hat, welche derartiges Zitate-Kino sonst nur selten erreicht. Der Stil, die Optik, die Musik – kurz: das Gesamtkonstrukt – passen bis ins Letzte. Opening-Credits voller Freeze-Frames, körniger Look, Zooms statt Kamerafahrten – so geht Retro.

Ebenfalls klassisch, ist die extreme Geradlinigkeit der Geschichte, die West uns erzählt – wenn man diese überhaupt so nennen will: ein Tag, ein Ereignis, ein junges Mädchen zur falschen Zeit am falschen Ort. Das klassische Terror-Kino brauchte oft nicht mehr als diese simplen Zutaten und so beruft sich auch THE HOUSE OF THE DEVIL auf eine derart reduzierte Funktionsweise. Null Prozent Plot, hundert Prozent Atmosphäre – wir erleben zwei quasi-Teenager in der ausführlichsten Bequatschung ihrer vielzähligen Lebenskrisen (kein Geld, kein Freund, kein Plan), sitzen mit im Diner bei Pizza und Coke und treiben langsam aber stetig durch einen Tag, der in einem ominösen Babysitting-Job kein gutes Ende nehmen wird.

In der Ausführung ist der Film wohl einer derer, die die Lager in zwei Extreme spalten. Weil hier alles, aber auch wirklich alles auf atmosphärische Wirkung hin ausgelegt ist, rufen die einen, die Plot- und “Logik”-Fetischisten, gähnend “langweilig”, diejenigen mit gut konfigurierten Fühlern für subtilen Spannungsaufbau jedoch eher euphorisch “Meisterwerk”. Weil es packt: die Art wie West nach einer mittelkurzen (zugegebenermaßen an der Grenze zur Zähigkeit rangierenden) Aufwärmphase die beklemmende Wirkung des titelgebenden großen und leeren Hauses einfängt, greift zielgerichtet nach dem Nacken der aufmerksamen Zuschauer und hält in einem gnadenlos-festen Griff gefangen. Ein Haus, ein Mädchen und die Angst vor dem was kommen mag. Deal with it. Wer einen komplexen Plot, ausufernde Effekte, oder inszenatorische Abwechslung sucht, guckt demnach ganz sicher in die Röhre, ist aber vielleicht sowieso im falschen Subgenre unterwegs. Wen hingegen das unheilvolle Knarzen trockener Dielen und ein seicht angeschlagenes, düsteres Piano mehr ins Bockshorn jagen, als es dauermordende Killer, oder Zombies im Blutrausch je vermögen werden, kann in diesem Film einen wahren Hochgenuss finden.

Viel mehr zu schreiben, gibt es eigentlich gar nicht, da West ohne doppelte Böden oder tiefgreifende Subtexte arbeitet, sondern ziemlich straight einen schlichten Suspense-Knaller inszeniert. Dabei wird zwar mit höchst gewöhnlichen Zutaten aus der Retorte jongliert, dies jedoch auf eine so runde, stilsichere Art, dass ein so frisches, wie großartiges Ganzes entsteht. Suspense-Freunden dürfte in der zweiten Filmhälfte die Kinnlade runter klappen. Weil auf all die nervigen Genre-Klischees verzichtet wird – keine plumpen Erschreck-Momente im Sekundentakt, kein dauerhaft hysterisches Gekreische, kein leeres Blut-Gesumpfe zum Selbstzweck – dafür aber Atmosphäre bis ins allerhöchste Extrem verdichtet wird, wirkt der Film dort wo er soll – ein unangenehmes Kribbeln unter der Haut, sowie im Hirn gleichermaßen. Die entscheidende Rolle spielt dabei, wie wenig wir wissen: Früh wird ein gemein-gefährliches Bedrohungs-Szenario etabliert, welches eine latente, nicht mehr weichende Dauerangst einpflanzt. West zeigt uns, dass Samantha an einem Ort gelandet ist, der nicht sicher ist und von dem sie besser schnellstmöglich wieder verschwinden sollte. Doch Ort, Zeitpunkt und die Art und Weise, wie diese Bedrohung ihr gefährlich werden wird, hält er so vage, dass im Verlauf des ultra-langsamen und verdammt ruhigen Filmes jedes noch so kleine Geräusch die Quelle des Übels und der Startschuss zum Untergang sein könnten. Es kann so simpel sein: eine viel zu dunkle, viel zu leere Villa, dazu perfektes, unheilvoll und mysteriöses Sound-Design, sowie eine höchst seltsame, dafür aber extrem effektive Kameraführung. Mehr braucht es nicht, mehr liefert West nicht, und doch ist das Ergebnis maximal. Auf subtilste Weise entsteht knallharte Spannung über mehr als eine Dreiviertelstunde am Stück – kaum mal ein Moment der durchatmen lässt, kaum mal eine Einstellung die nicht die potentielle Eskalation vermuten lässt – die sich final in vollkommenem Wahn- und Irrsinn entlädt. In der Wirkung wohl tatsächlich ein Meisterwerk.

Es sei noch gesagt, dass Dunkelheit, Ruhe und Fokussiertheit absolut essentiell für die Sichtung dieses Films sind. Stille Zeichen hört man eben am besten (bzw. ausschließlich) in der Stille – eine redselige Runde ist prädestiniert solche Zeichen gnadenlos nieder zu bügeln, was THE HOUSE OF THE DEVIL ganz sicher zur vollkommenen Wirkungslosigkeit verdonnern würde. Ein Film für die einsame, späte Stunde. Nehmt’s euch zu Herzen, es lohnt sich. Viel Spaß.


Wertung
8 von 10 verschlossenen Zimmertüren


Veröffentlichung
THE HOUSE OF THE DEVIL ist in Deutschland bei Busch Media Group als BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Audiokommentar mit Ti West (Regie und Drehbuch) und Jocelin Donahue, Audiokommentar mit Ti West (Regie, Drehbuch), Larry Fessenden (Produzent), Peter Phok (Produzent) und Graham Reznick (Sound Designer), Originaltrailer, Behind-The Scenes “In the House of the Devil”, Deleted Scenes. Die Discs kommen im Wendecover. ohne FSK-Logo


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

6 Gedanken zu „Horrorctober 2015, Film #5: The House Of The Devil (2009)“

  1. Interessant mal eine Meinung zu hören, die nicht aus meinem unmittelbaren Umfeld direkt nach Filmsichtung stammt (und somit auch mir Abstand zum Gesehenen erlaubt).
    Aufmerksam geworden bin ich ja durch Ti West, der Bekanntschaft mit Gerwig und u.a. Joe Swanberg pflegt, die sich dem Low-Budget / No-Budget Stil der Mumblecore-Szene New Yorks (vor allem) zugehörig fühlen. Vom Anfang war ich dann leider ebenso enttäuscht wie vom vollkommen over-the-top geratenen Finale. Die von dir so eindringlich beschriebene Suspense im Haus hat mich extrem gepackt und zeichnet den Film echt aus.
    Insgesamt aber kein so überschwänglicher Jubel von mir.

    1. Meine Kritik hält sich echt in Grenzen. Ich fand den Vorspann und die Einführung des Retro-Stils absolut genial. Irgendwann schlich sich aber eine gewisse Zähigkeit ein und ich habe gehofft, dass West mir bald mehr liefert. Aber als sie dann am Haus ankommen und spätestens ab dem bizarren Gespräch in der Küche war ich voll drin und das bis zum Schluss! Das irrsinnige Finale war dann auch völlig mein Ding, mir sind im positiven Sinne nur riesen WTFs vor dem inneren Auge herum geschwirrt. Im Endeffekt war ich also mit ca. 20 von 90 Minuten nicht ganz grün – gute Ausbeute!

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