GeSneakt: Whiskey Tango Foxtrot (2016)


Trailer © by Paramount


Fakten
Jahr: 2016
Genre: Biopic, Komödie
Regie: Glenn Ficarra, John Requa
Drehbuch: Robert Carlock
Besetzung: Tina Fey, Margot Robbie, Martin FreemanAlfred MolinaChristopher AbbottBilly Bob ThorntonNicholas Braun
Kamera: Xavier Grobet
Musik: Nick Urata
Schnitt: Jan Kovac


Review
Man weiß gar nicht wo man anfangen soll, wenn ein Film – wie dieser – so sehr von vorne bis hinten nur “Totalausfall” schreit. Da bleibt dieses schwammige Gefühl, wenn du dich knapp zwei Stunden durch und durch nur gelangweilt, gelegentlich geärgert und immer wieder auf befremdliche Weise gewundert hast, doch nach dem Kinobesuch schlicht gar nichts im Kopf bleibt. Nicht mal Anreiz um groß zu schimpfen, denn all das Gesehene verblasst sofort, wenn der Film nicht einen einzigen Aspekt – weder inszenatorisch oder inhaltlich, noch darstellerisch – von Relevanz in sich trug. WTF, so will der Titel wohl gelesen werden, ist wirklich auf ganzer Linie gescheitert und geht als eine der wenigen Sneaks in meine Kino-Historie ein, in denen der ekelhafte Ton, sowie die vollkommene Banalität des Gezeigten mich zum verfrühten Gehen bewegte – wenngleich ich vermute, dass es wahrscheinlich erst während der allerletzten Szene war. Auf der Straße stehen und in den Himmel gucken, oder im Bett liegen und schlafen, erschien mir, nach dem endlosen hin- und herschieben im Sessel, in jenem Moment als weitaus sinnvoller investierte Zeit. Zumindest verglichen damit, auch nur eine Sekunde mehr von WTF zu sehen. Aber aus großer Qual entsteht große Verantwortung und so will ich kurz über diesen Murks aufklären, denn ich vermute – das deutete das ausufernde Lachen meiner Saalgenossen an – es wird nicht viele Stimmen geben, die euch ausdrücklich vor diesem Machwerk warnen.

Wir sehen Tina Fey als profillose Kriegsreporterin in Afghanistan. Sie wird abgeordnet, kommt an, trifft unsympathische Menschen und tut ihren Job. Dabei wählen die Macher von den unzähligen denkbaren Wegen, die aus solch einer Prämisse erzählerisch ableitbar wären, genau keinen. Hinten purzelt zwar etwas über Selbsterkenntnis raus, aber dennoch setzt WTF sämtliche Möglichkeiten in den Wüstensand und erzählt nichts. Gar nichts.

Abgesehen davon, dass all die Figuren – egal ob ihre Blondchen-Kollegin, die nur über den Beischlaf sinniert, Martin Freeman als widerliches schottisches Arschloch, oder jede andere der uninteressanten Personen – fürchterlich leer und dazu wirklich durch und durch unsympathisch sind (mein Gott, Tina Fey ist doch eigentlich Comedian), plätschert der Film nach ihrer Ankunft im Nahen Osten eine gefühlte Ewigkeit (meint: bis er vorbei ist) belanglos vor sich hin. Mal berichtet sie mit US-Truppen vom Einsatz, ansonsten sieht man die Reporter jeden Abend saufen und feiern, es kommen mächtig Nahost-Klischees auf den Tisch und weder ein satirischer Blick auf die Medienarbeit, noch ein Portrait eines gebeutelten Landes gelingen auch nur im Entferntesten. Nicht mal kurz. Nicht mal in einer einzigen Einstellung.

Und somit tun zwei Stunden lang Menschen Dinge. Menschen, zu denen man keinerlei Bindung hat und die einem nicht egaler sein könnten, weil niemand auch nur marginal interessant, oder als echter Charakter ausgeformt ist. Wenn WTF dann überhaupt mal versucht irgendeine Aussage zu treffen, oder Position zu beziehen, hebeln sich diese Andeutungen von ernsteren Momenten meist sofort wieder durch vollkommen deplatzierten Humor vom Schlage “Reporter-Dummchen hat keine Ahnung und muss unter Marine-Bewachung im Feindesland hinter der Palme Pipi machen” aus. Um brutalstes Kriegsgeschehen, in dem Menschen (auch auf der Leinwand) von Granaten zerfetzt werden, humoristisch aufzulockern, bedarf es mächtigem Feingefühl – Filmskript-Debutant Robert Carlock, bis jetzt ausschließlich an den Büchern reiner Comedy-Serien beteiligt, fehlt dieses zu jedem Zeitpunkt.

Größtenteils ist das Ergebnis nur doof, in einigen Momenten aber auch ziemlich bedenklich, weil derber Zynismus sich mit (im Gegensatz zu Bay’s 13 HOURS allerdings mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht intendiertem) Rassismus paart und das ganze passagenweise pretty american’ish wirkt. Was war das nicht witzig, als die US-Reporterin zur Tarnung plötzlich eine Burka trug. So witzig, dass man das in einer endlosen Slow-Motion-Sequenz mit ulkiger Popmusik zelebrieren musste. Und was war das nicht gemein, als die ansässigen arabischen Frauen der zivil gekleideten Fey hinterher riefen, sie “Schlampe solle gefälligst die Haare bedecken”, da konnte man als aufgeklärter Westler schon mal betroffen den Kopf schütteln – scheinbar schlimm da unten, immerhin ist das einzige (!) was der  Film besagten Frauen zugesteht, mehrfach aus fanatischem Antrieb heraus zu beleidigen. Und was war das nicht für eine clevere Komik, als eine Exekutionskommando der Marines bei Nacht eine Geisel befreite und von Mariah Carey Kitsch-Songs untermalt Menschen mit Handgranaten zerfetzte (da bin ich dann übrigens gegangen).

WTF steckt nicht nur im Titel, sondern im gesamten Film, der, betrachte man sie isoliert, zwar einige Gags landen könnte – wären sie einfach in einer Comedy Sendung in Sketch-Form gebracht worden – insgesamt aber den völlig falschen Umgang mit einer heiklen Thematik wählt. Wir erfahren nichts profundes über die inneren Konflikte dieser Menschen. Wir können nicht nachfühlen, geschweige denn rational verstehen, was der Charakter all dieser Figuren über die Jahre (!), die sie sich im Kriegsgebiet befinden für Wandlungen durchmacht. Warum sich unsere Protagonistin in ein mega-Arschloch verliebt? Warum, und vor allem wie sie zum Adrenalin-Junkie-Sensationsreporter wird? In WTF gibt es keine Entwicklungen, sondern nur Zustände, die isoliert voneinander bestehen, nie haben Dinge einen Grund. und entwickeln sich aus einander heraus. Das “weil” fehlt, WTF sagt nur “und dann”, ist aber selber nicht dran interessiert, was genau denn dann eigentlich kommt.

Dabei sind die Motive sicher nicht falsch. Dass die Reporter an derartig labilen Standorten oft irgendwo zwischen Galgenhumor und Betäubung unterwegs sind, glaube ich gern – die psychische Belastung muss enorm sein, sie auszublenden erscheint aus der Ferne wie ein valider Weg mit ihr fertig zu werden – doch der Weg den die Macher wählen, um es uns näher zu bringen, versagt auf der einen Seite voll (der heitere Ton sabotiert jeden Hauch von beklemmender Immersion) und ist an anderer so falsch, wie falsch nur sein kann. Ein heuchlerisches “based on a true story” zu Beginn, soll uns, wie üblich, stärker involvieren, doch ob “wahr” oder “unwahr” hat keinerlei Relevanz, denn berühren tut der Film nicht eine Sekunde lang auf nur irgendeine Weise, weil das Drama scheitert – es ist also “wahr”, dass die “echte” Reporterin, auf der Fey’s Figur basiert, mehrere Jahre in Kabul gefeiert, gesoffen und gelegentlich Bombenangriffe mit dummen Sprüchen kommentiert hat? Danke für diese Information, sie fühlt sich verlogen und voller Vorurteile an.

Ein wirklich schlechter Film, der akut nicht den Hauch einer Regung in mir auslösen konnte. Erst im Nachhinein schmerzt vor allem das Verschenken von Potential enorm. WTF fährt die eigene Prämisse wirkungslos gegen die Wand und zerbricht nicht einmal an den eigenen Fragen, sondern bereits an der Unfähigkeit sie überhaupt zu stellen. Als Gegenpol zur profillos-unterkühlten Fey und einem Martin Freeman, den man bei jedem Wort nur verprügeln will, bis er endlich ruhig ist, bildet wenigstens Billy Bob Thornton – sporadisch als Major der Marines auftauchend – den vielleicht einzigen Lichtblick in diesen fast zwei Stunden nichts sagender Ödnis. Der bringt es jedoch, wie auch Alfred Molina, als notgeiler afghanischer Politiker (dessen Doppelmoral wohl auch Satire sein soll), quantitativ auf maximal 3 Minuten Screentime. WTF?! Kino am Tiefpunkt – over and out.


Wertung
1 von 10 Definitionen der totalen Belanglosigkeit


Veröffentlichung
WHISKEY TANGO FOXTROT Läuft ab dem 02. Juni 2016 im Verleih von Paramount in den deutschen Kinos.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
Amazon (*) (falls ihr das Amazon-Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

4 Gedanken zu „GeSneakt: Whiskey Tango Foxtrot (2016)“

  1. Oh, schade. Extrem schade. Ich mag Tina Fey sehr gerne (zumindest in “30 Rock”) und dachte sie hat das nötige Fingerspitzengefühl für solch eine Satire.

    1. Ich habe keine Ahnung wie du den findest. Um mich herum wurde wild gegackert (aber eher wie bei einer reinen Comedy, nicht einer klugen Satire) und der bekommt überall fast durchweg so mittelgute Wertungen. Credit hat Fey hier allerdings nur als Darstellerin. Denke eine erfahrene Comedian wie sie wird sicher die ein oder andere Pointe im Entstehungsprozess mit eingebracht haben, aber das Skript geht laut Credits komplett auf Robert Carlock zurück. Aber auch Fey’s Delivery war fürchterlich und ihre Figur so unglaublich unsympathisch. War einer dieser Filme, wo “langweilig” als Beschreibung nicht reicht, weil die Erfahrung schon stark ins Schmerzhafte ging.

      Vielleicht muss ich mich auch einfach mal locker machen, was die Darstellung von Kriegsgebieten in denen die USA stationiert ist in US-Filmen betrifft – da regt mich jedes Klischee sofort unglaublich auf. Wobei – in Bigelow’s Filmen geht es ja auch, warum also nicht extrem kritisch drauf gucken?

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