Archiv der Kategorie: Gut (bis sehr gut)

Filme, Serien und Dokus, die ich mit 7-9 Punkten werte.

Film: The Whispering Star – Hiso hiso boshi (2015)


Titelbild, Bildausschnitte & Trailer © by Rapid Eye Movies


Fakten
Jahr: 2015
Genre: Endzeit, Science-Fiction, Gedankenexperiment
Regie: Sion Sono
Drehbuch: Sion Sono
Besetzung: Megumi KagurazakaKenji Endo, Yûto IkedaKôko Mori
Kamera: Hideo Yamamoto
Musik: –
Schnitt: Jun’ichi Itô


Review
Was bleibt, wenn alles zu Grunde geht? Wenn Zeit relativ wird, Sekunden endlos, Zivilisation zu vergessenen Ruinen verfällt? Wenn Einsamkeit die Norm ist und Emotionen verkümmern, weil es niemanden mehr gibt, der sie auslöst?

Einleitende Fragen, die man nicht auf Anhieb mit einem Filmemacher wie Shion Sono verbindet, doch nach all dem lauten, schrillen und unangenehmen Irr- und Wahnsinn, den der eigensinnige Mann in den letzten Jahren auf die Leinwand brachte, ist ihm mit THE WHISPERING STAR ein (erneut sehr guter, aber vor allem) überraschender Film gelungen. In allen Belangen.

Keine Blutfontänen, keine Gangsta-Rap-Battles, keine Schlüpfer-Fotografie, stattdessen endlose Stille, Intimität und eine Nachdenklichkeit, die ihre Fühler tief in meditative Gefilde ausstreckt. THE WHISPERING STAR ist, ganz im Gegensatz zu den großen Gesten seiner bekannteren Filme, ein Werk der kleinen Momente geworden. Der Nuancen und Denkanstöße. Denn während wir den Cyborg Yoko Suzuki No. 680 in ihrem kleinen, altmodischen Raumschiff bei jahrelangen Flügen durch ein fast menschenleeres All begleiten, sind es vor allem Kleinigkeiten, simple Banalitäten, auf die Sono unseren Blick lenkt.  Film: The Whispering Star – Hiso hiso boshi (2015) weiterlesen

Dokumentation: In Den Tiefen Des Infernos – Into The Inferno (2016)


Titelbild & Trailer © by Netflix


Fakten
Jahr: 2016
Themen: Vulkane, Mythologie, Forschung
Regie: Werner Herzog
Konzept: Werner Herzog
Kamera: Peter Zeitlinger
Schnitt: Joe Bini


Review
Feuerrot glühendes Magma in Großaufnahme – unablässig brodelt es, ist in Wallung, scheint ein geheimnisvolles Eigenleben in sich zu tragen. Die Luft zittert, ein fremdartiges Grummeln und Poltern liegt in der Luft, bildet ganz eigene, fremd anmutende Modulationen, gipfelt in ohrenbetäubendem Getöse, nur um direkt wieder auf das vorherige, nie enden wollende Level abzufallen. Und im Feuer gehen Formen ineinander über. Immer auf’s Neue, außerweltlich mutet es an, wie sie sich ohne Regeln oder klaren Rhythmus fressen und nahtlos neues gebären, das von kurzem Bestand ist. Doch wie lang? Vielleicht nur für Sekunden, vielleicht Tage, vielleicht Jahrmillionen? Niemand kann das sagen, aber eines ist sicher – für die Ewigkeit ist keine dieser Formationen geschaffen.

Vielleicht ist es die offensichtliche Nähe zu den lodernden Szenarien, die die christliche Lehre (und somit in hiesigen Kreisen, ob man will oder nicht, auch die Allgemeinbildung) uns in apokalyptischen Gemälden als das ewige, qualvolle Feuer der Hölle präsentiert, vielleicht auch, ganz unterbewusst, der der Natur der Sache inhärente Blick zurück durch die Zeit, der uns die eigene Unbedeutsamkeit und Endlichkeit bewusst macht, weil dieses Brodeln schon seit Millionen, oder sogar Milliarden von Jahren gleichgültig vor sich geht geht und uns, die gesamte Menschheit, um Äonen überleben wird – die Gründe des Wirkens dieser Motive sind subjektiv und eigentlich auch egal, denn Fakt ist, dass der Anblick der brodelnden Lava-Massen in Werner Herzog’s neusten Dokumentarfilm IN DEN TIEFEN DES INFERNOS starke Gefühle auslöst. Für eine überwältigende, ehrfürchtige, oft fast beklemmende Stimmung sorgt. Und somit stellvertretend für die Wirkungsweise des gesamten Films, vielleicht ssogar Herzog’s gesamten Werkes steht.

Denn dieser ist bekannt für einen besonderen, vielleicht einzigartigen Blick auf die Welt und den Menschen, der uns immer wieder ungewöhnliche Dokumentarfilme über ungewöhnliche Individuen oder Themen beschert. Dies sind Filme, die ganz entgegen der gemeinen Forderungen nach neutralen Dokumentationen durch Herzog’s (wortwörtliche) Erzählstimme vor allem WIRKEN sollen. Seine subjektive Faszination, sein Stirnrunzeln, oder seine tiefe Leidenschaft vermitteln sollen. Interesse und Neugier treiben seine Werke weit stärker an, als es Fakten oder Informationen tun.

So auch hier – man mag zunächst denken in IN DEN TIEFEN DES INFERNOS ginge es natürlich offenkundig um mächtige Vulkane, doch Herzog wählt – anstatt uns in einem verfilmten Wikipedia-Eintrag lediglich plump zu erklären was sie sind, wie sie funktionieren und wo die größten stehen – erneut den weniger offensichtlichen Weg, ist primär an Menschen, Mythen und Emotionen, statt an Wissen interessiert und biegt zu diesem Zwecke in der Erzählung immer wieder in gänzlich unerwartete Richtungen ab. Der Mythos Vulkan ist der eigentliche Kern, das wissenschaftliche System Vulkan hingegen wird trotz involvierter Wissenschaftler nur kurz angerissen. Weil es Herzog spannenderes wittert. Weil er am Wegesrand immer wieder Bruchstücke wahrnimmt, die eine tiefere Ausleuchtung, wenn nicht gar einen eigenen Film verdienen – nicht umsonst hat er das Team Wissenschaftler, welches er hier erneut begleitet, vor über zehn Jahren bei den Dreharbeiten zu BEGEGNUNGEN AM ENDE DER WELT kennengelernt.

Fünf aktive Vulkane, vom ewigen Eis über die Philippinen bis nach Nordkorea verstreut über die ganze Welt, sind die Anlaufpunkte der Reise, doch die beeindruckenden Bildern eruptiver Ausbrüche und kochender Lava, nutzt der Film nur immer wieder, um die Aussagen seiner Protagonisten fühl- und erlebbar zu machen. Herzog will zum Lebendigen, fängt die anorganischen Welten des flüssigen Steins als eben dieses ein und dringt schnell in tief menschliche Gefilde vor. Wie haben die Vulkane das Leben der Menschen beeinflußt? Unser aller Leben? Was hat junge Forscher dazu gebracht, ihnen ihr gesamtes Leben zu opfern, was die Chiefs eines kleinen Inselstaates dazu, trotz aller Gefahren Nächte im Krater zu verbringen, welche Kette von Ereignissen stoßen die rauchenden Berge an, die nun 100.000 Jahre später Forscher im äthiopischen Wüstensand kriechen lässt?

Die einen suchen Erkenntnis, die anderen finden im Vulkan einen neuen Gott, von dem sie sich sich spirituelle Erleuchtung erhoffen, die nächsten sehen in ihm das Mittel, um einen Hauch Freiheit zu atmen – sie alle eint eine tiefe, kaum in Worte zu fassende Faszination. Und so finden wir uns inmitten von Naturvölkern wieder, in der Wüste zwischen skurrilen Forschern, die die ersten Menschen in alten Vulkan-Tälern suchen, oder sogar in Nordkorea, wo ein Vulkan seinen festen Platz in der sozialistischen Propaganda hat, weil der “große Führer” angeblich auf ihm weilte, bevor er die Volksrepublik ausrief.

Wo auch immer wir Menschen treffen, die der Berg geprägt hat, schafft Herzog durchweg Momente, die etwas besonderes in uns auslösen – von Interesse, über ungläubige Skepsis, bis zu Ehrfurcht und Staunen – und so ist IN DEN TIEFEN DES INFERNOS ein oft meditativer, (trotz aller meiner Beschreibungen von Herzog’s eigener Gewichtung) auch informativer, aber dabei immer tief menschlicher Film geworden. Stark.


Wertung
8 von 10 ewigen Brodel-Schloten


Veröffentlichung
INTO THE INFERNO ist bei Netflix verfügbar.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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Horrorctober 2016, Film #8: Das Haus Der Vergessenen – The People Under The Stairs (1991)


Titelbild & Trailer © by Universal Pictures Germany


Der #horrorctober (was das ist, erfahrt ihr auf dieser Info-Seite, die auch alle Links zu meinen Filmbesprechungen im Rahmen der „Events“ enthält, oder auf dieser anderen Info-Seite der CineCouch) ist längst vorbei, ich habe im Laufe des Monats 10 von den geplanten 13 Filmen geschafft und schiebe nun die Reviews so fix es geht hinterher. Zum Schreiben kam ich im Oktober nämlich wirklich kaum…


Fakten
Jahr: 1991
Genre: Horror, Abenteuer, Gesellschaftskritik
Regie: Wes Craven
Drehbuch: Wes Craven
Besetzung: Brandon Quintin Adams, Everett McGill, Wendy RobieA.J. LangerVing RhamesSean WhalenBill CobbsKelly Jo MinterJeremy Roberts
Kamera: Sandi Sissel
Musik: Don Peake
Schnitt: James Coblentz


Review
Ohne Frage ist Wes Craven (auch) dafür bekannt, seine abgedrehten Horror-Szenarien oft mit einer gehörigen Prise schwarzem Humor bzw. Absurdität zu würzen. Er scheint sich voll bewusst zu sein, dass er da streng genommen ziemlich seltsames Zeug inszeniert und verpackt es daher mit einer auflockernden Portion Augenzwinkern (ohne dabei die notwendige Ernsthaftigkeit aus dem Blick zu verlieren). Nicht dass ein morbider Albtraum-Slasher wie NIGHTMARE dadurch maßgeblich weniger creepy wäre, doch das Spiel mit der gesunden Übertreibung sorgt für einen ganz eigenen Charme, der neben der erwünschten Horror-Wirkung regelmäßig auch für erleichternde Erheiterung sorgt.  Horrorctober 2016, Film #8: Das Haus Der Vergessenen – The People Under The Stairs (1991) weiterlesen

Horrorctober 2016, Film #5: Let Me In (2010)


Titelbild & Trailer © by Universal Pictures Germany


Der #horrorctober (was das ist, erfahrt ihr auf dieser Info-Seite, die auch alle Links zu meinen Filmbesprechungen im Rahmen der „Events“ enthält, oder auf dieser anderen Info-Seite der CineCouch) ist längst vorbei (ja, hab ich mitbekommen), ich habe 10 von 13 Filmen geguckt und schiebe nun die Reviews nach und nach hinterher. Zum schreiben kam ich im Oktober nämlich wirklich kaum.


Fakten
Jahr: 2010
Genre: Horror
Regie: Matt Reeves
Drehbuch: Matt ReevesJohn Ajvide Lindqvist
Besetzung: Kodi Smit-McPhee, Chloë Grace Moretz, Richard JenkinsCara BuonoElias KoteasSasha Barrese
Kamera: Greig Fraser
Musik: Michael Giacchino
Schnitt: Stan Salfas


Review
Ich hätte es ja nicht für möglich gehalten, aber durch den ziemlich simplen (allerdings nicht sonderlich kreativen) Ansatz, die grandiose Vorlage dieses Remakes minutiös, Bild für Bild und Sequenz für Sequenz in einem größtenteils identischen Setting noch mal abzudrehen, ist unterm Strich ein guter Film herausgekommen.

Anstatt wild im Ausgangsmaterial der Coming-Of-Age Vampir-Fabel herum zu pfuschen (und wie bei neun von zehn Remakes vergleichbarer Art, eine massive Verschlechterung darüber zu erreichen), konzentriert sich Regisseur Matt Reeves in seinem nächsten Film nach CLOVERFIELD vor allem darauf, die überaus fähigen Darsteller in einer packenden, sehr düster und beklemmend gehaltenen Atmosphäre aufspielen zu lassen. Abseits davon, dass die Handlung in die nördlichen USA Anfang de 80er verlagert wurde, bleibt alles gleich – Themen, Eckdaten, Beziehungen der Figuren. Kein Unterschied.  Horrorctober 2016, Film #5: Let Me In (2010) weiterlesen

Horrorctober 2016, Film #3: Friedhof der Kuscheltiere – Pet Sematary (1989)


Titelbild & Trailer © by Paramount Home Entertainment


Es ist wieder so weit: der #horrorctober hat zum vierten (bzw. für mich zum dritten) Mal gerufen. Ghost of Horrorctober heißt dieses Mal die Devise. Was das genau ist und was das alles soll erfahrt ihr auf dieser Info-Seite (die auch alle Links zu meinen Filmbesprechungen im Rahmen des „Events“ enthält). Wer alles mitmacht, kann man auf dieser Info-Seite der CineCouch nachlesen. Also haut die Geister weg, packt die Kreissäge aus und lasst euch nicht mit frechen Zombies ein – fröhliches Gruseln!


Fakten
Jahr: 1989
Genre: Horror
Regie: Mary Lambert
Drehbuch: Stephen King
Besetzung: Dale Midkiff, Denise Crosby, Fred GwynneBrad GreenquistMichael LombardMiko HughesBlaze Berdahl
Kamera: Peter Stein
Musik: Elliot Goldenthal
Schnitt: Daniel P. HanleyMike Hill


Review
Da wettere ich vor kurzem noch gegen das Gros der King-Adaptionen, stelle gar die Frage in den Raum, ob seine Romane überhaupt filmisch umzusetzen sind und picke mir dann noch im selben Horrorctober, beinahe im direkten Anschluss, eine weitere heraus, die sich ganz unerwartet durch und durch King’ish anfühlt. Nice!

PET SEMATARY, eine grauenvolle Abhandlung über Verlust, Trauer und Verzweiflung – tief in der Zeit ihrer Entstehung verhaftet, teils ein wenig zäh, aber vor allem atmosphärisch gelungen. Prägnant daran ist im genannten Kontext, wie treffend Regisseurin Mary Lambert den King-schen Schleier über den Dingen nachzeichnet – Maine der Ort, seltsam die Menschen, dunkel die verborgenden Kräfte unter der Oberfläche. Von Anfang an suggerieren die Bilder vor allem eines: Hier stimmt etwas nicht und aus diesem Missstand wird etwas schreckliches entwachsen.  Horrorctober 2016, Film #3: Friedhof der Kuscheltiere – Pet Sematary (1989) weiterlesen