Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Sony Pictures Home Entertainment
Fakten
Jahr: 2012
Genre: Science-Fiction, Dystopie, Action
Regie: Len Wiseman
Drehbuch: Kurt Wimmer, Mark Bomback
Besetzung: Colin Farrell, Kate Beckinsale, Bokeem Woodbine, Jessica Biel, Bryan Cranston, Bill Nighy, John Cho, Will Yun Lee, Ethan Hawke
Kamera: Paul Cameron
Musik: Harry Gregson-Williams
Schnitt: Christian Wagner
Review
Ein neuer TOTAL RECALL in 2012 – liegt hier die Neuinterpretation einer Kurzgeschichte, oder das Remake eines Film-Klassikers vor? Ich habe mich in meiner Sicht von vornherein für ersteres entschieden. Lässt mehr Raum um Änderungen zu akzeptieren, verführt weniger zum direkten Vergleich mit Verhoeven’s Science-Fiction Meilenstein und verpasst dem Film nicht von vornherein das Label “unnötig”, wie es leider bei den meisten Remakes der Fall ist.
Ist es denn eine gelungene Neuinterpretation?
Zumindest der Einstieg gelingt, denn TOTAL RECALL fängt fantastisch an. Die Atmosphäre ist dystopisch, düster und dicht, der Plot wird in richtigem Tempo ins Rollen gebracht und vor allem, mein ausuferndes CGI-Bashing in der Vergangenheit hin oder her, sieht ALLES – die Stadt, die Animationen, das viele digitale Licht, die Kulissen – so dermaßen brillant aus, dass mir die Kinnlade runterklappte. Computerbilder sind immer dann gut (und seltener sogar unumgänglich), wenn sie uns Dinge zeigen, die sonst unmöglich wären. Genau das passiert hier zu Beginn und nach 30 Minuten hatte ich das Gefühl, da kann kommen was will, ein Film der so unfassbar gut aussieht, kann doch gar nicht mehr verlieren.
Und dann?
Dann baut TOTAL RECALL langsam aber stetig ab. Die mysteriöse Atmosphäre verpufft größtenteils, bzw. verschiebt sich zu einem weit weniger bedrückenden Action-Fokus hin, was unter anderem daran liegt, dass das World Building abgeschlossen ist und der Film im Vergleich zum Anfang viel heller wird. Mehr Tageslicht, weniger Atmosphäre. Auch inhaltlich stagniert der Fortschritt: Die anfänglich vielversprechende und diffuse Story verkommt zu einem Vehikel, welches lediglich den Antrieb für lange und durchkonstruierte Actionsequenzen liefert – wichtige Plot-Points hingegen, werden nur noch in ruhigeren Zwischen-Szenen vermittelt. Füll-Sequenzen in denen uns entscheidende Informationen durchweg in Form wenig knackiger Dialoge erzählt werden, nur um wieder den Ausgangspunkt für die nächste Verfolgungsjagd, oder Schießerei gelegt zu haben.
Enden tut TOTAL RECALL dann wirklich völlig unbefriedigend. Als das langsam bereits arg ermüdende Spektakel final zur Ruhe kommt, interessiert es eigentlich kaum noch, wer Protagonist Quaid nun wirklich war, ist, oder sein wird, was an Technik und Architektur alles zerlegt wurde und ob Person X, Y oder Z diesen Technik-Overkill überlebt haben.
Und das ist wirklich verdammt schade, denn der Film hat nicht nur optisches Potential (welches er als einziges nahezu voll ausschöpft), sondern eigentlich auch einen sehr interessanten und kritisch orientierten Plot (den er jedoch zu schleppend und mit falschen Schwerpunkten vorantreibt) und strotzt nur so vor interessanten und faszinierenden Ideen. Mal sind das nur Kleinigkeiten, wie die in der Hand implantierten Smartphones, die bei Kontakt zu Glasflächen automatisch einen vollständigen Screen projizieren, dann aber auch entscheidende und große Dinge wie der ”Fall’ – ein Fahrstuhl durch die Erde.
Science-Fiction Autoren hatten wirklich schon viele kreative Ideen, aber das – “The Fall” – ist verdammt nochmal eine der abgefahrensten, die ich auf diesem Sektor jemals gesehen habe – so simpel und (in einem fantastischen Setting) naheliegend, aber dennoch so beeindruckend. “Approaching earth core. Prepare for gravity reversal.” Ein ultimativer Gänsehaut-Moment, die Atmosphäre auf der Fahrt quer DURCH den Erdball ist unbeschreiblich, der Gedanke allein ist schon verrückt: In Australien leben, in London arbeiten und dazu täglich pendeln…
Doch nicht nur solche gelungenen Ideen machen das (beinahe) scheitern von TOTAL RECALL bitter, vor allem die überragende Optik lässt mich darüber schluchzen, dass der Inhalt nicht mithalten kann. Das Visuelle ist für mich ein essentieller Teil des Genres, animiert mich dazu – wie hier – immer wieder Filme besser finden, als sie eigentlich sin) und veranlasst mich in diesem Fall tatsächlich, meine grundsätzliche Sicht auf CGI und dessen Einsatz zu überdenken, bzw. mich ein Stückweit mehr zu öffnen. Das Design der zwei letzten verbliebenen Megacitys beeindruckt nämlich ziemlich: dank knappem Wohnraum ist die Menschheit in luftige Höhen verlagert – Wohnblocks, Business-Distrikte, Highways – das alles schwebt in zahlreichen Layern weit über dem Boden und obwohl immer wieder BLADE RUNNER, MINORITY REPORT oder iROBOT durchschimmern, schaffen die Schöpfer hier ein stimmiges Ganzes und eine gelungene Zukunftsvision.
Auch inszenatorisch blitzen immer wieder starke Augenblicke auf – vor allem verrückte Kameraperspektiven und -fahrten in denen looping-artig die kämpfenden Protagonisten umkreist werden, sorgen für irre Momente. Überhaupt ist die Action für sich zwar sehr CGI-dominiert, aber durchaus gelungen. Es gibt nur einfach viel zu viel davon. Ein pausenloser Hochgeschwindigkeits-Trip in dem keine Aktion zu waghalsig, kein Stunt zu übertrieben ist, dazu kommen noch ganze Bataillone an synthetischen Police-Officern, die LKW-Ladungen an Munition verschießen. Immer wieder entkommen Quaid und sein Anhang der fiesen Übermacht im allerletzten Moment, immer wieder soll Maximales uns maximal auf die Folter spannen – das funktioniert einfach nicht über mehr als eineinhalb Stunden. Und schlimmer: Was an Action zu viel serviert wird, fehlt den Figuren an Prägnanz und der Geschichte an tieferer Ausarbeitung. Und wenn dann Kate Beckinsale zum neunten mal mit Wut-verzerrtem Gesicht auf Farrell zustürmt, um ihn auseinanderzunehmen, fragt man sich zudem ob Regisseur Len Wiseman dazu geeignet ist, mehr als nur eine einzige Facette aus seinen Akteuren heraus zu kitzeln?
Ein richtig schwerer Kandidat dieser Film. Zum einen hat er schon irgendwie Spaß gemacht, ich zeitweise sogar viel und (ich wiederhole mich) sah unfassbar gut aus, zum anderen erschweren das holprige, mehrmals fast plumpe Story-telling und die völlig über-gewichtete Action, unter der eben enorm die Möglichkeiten der Charakterdarstellung leiden, es enorm den Film wirklich zu mögen.
Als geradliniger Actioner trotzdem in Ordung, wenn auch etwas blutleer, als tiefgründige Science-Fiction-Fabel leider ziemlich daneben. Damn. Aber er hat den “Fall”, goddamn it, das lässt mich in gütige Spendierlaune geraten – der “Fall” ist einfach ZU gut und deswegen finde ich den Film jetzt auch einfach bewusst zu gut.
Wertung
6 von 10 endlosen Fahrstuhlfahrten durch den Erdkern
Veröffentlichung
TOTAL RECALL (2012) ist bei Sony Pictures Home Entertainment als BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Total Recall Hintergrundinfo, 3 Dokumentationen, Science-Fiction vs. Wissenschaftsfakten, Das Design von „The Fall”, Gag Reel, ALternatives Ende, Kommentar des Regisseurs, Weitere Dokumentationen, Action pur – Schlüssel-Actionsequenzen und detaillierte Stuntdarstellungen, Erinnerung auf Abruf – Prävisualisierung spannender Kampf- und Verfolgungssequenzen. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):
2 Gedanken zu „Film: Total Recall – Extended Director’s Cut (2012)“