Lektionen in Zeitverschwendung #7: Die Fantastische Welt von Oz (2013)


Trailer © by Walt Disney Studios


Jeder sieht schlechte Filme, das liegt in der Natur der Sache. Der natürliche Auswahlprozess hilft jedoch in der Regel dabei, sie so gut wie möglich zu umschiffen. Doch wie ist es mit Werken, die mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit in die Kategorie „Schund“ fallen? Manchmal siegt die Neugier – nach dem Sichten bleibt dann meist die ernüchternde Erkenntnis, dass es besser gewesen wäre auf die innere Stimme zu hören. Lektionen, die man lernen muss. Es besser zu wissen, aber trotzdem zu tun – das ist Zeitverschwendung. In dieser Rubrik berichte ich von meinen traurigen Versuchen ein Terrain zu beackern, das sich eigentlich schon beim ersten Blick als unfruchtbar heraus stellte – von meinen „Lektionen in Zeitverschwendung“. Eine Auflistung aller gelernten Lektionen findet ihr in der Kategorie des Blogs und kompakter auf dieser Übersichtsseite.


Fakten
Jahr: 2013
Genre: Fantasy, Märchen, Kinderfilm
Regie: Sam Raimi
Drehbuch: Mitchell Kapner, David Lindsay-Abaire
Besetzung: James Franco, Michelle Williams, Rachel Weisz, Zach Braff, Mila Kunis, Tony Cox, Bruce Campbell, Abigail Spencer
Kamera: Peter Deming
Musik: Danny Elfman
Schnitt: Bob Murawski


Review
Da war die Neugier wohl mal wieder exponentiell größer als die Vernunft. Was hab ich nicht alles gedacht: “Hmm, interessiert mich eigentlich nicht”. “Hmm, sieht nach einer viel zu bunten, viel zu leeren CGI-Eskapade aus”. “Hmm, scheint sich ziemlich auf Schauwerte (die mir gar nicht gefallen) zu verlassen”. Und zuletzt: “Hmm, aber ist von Sam Raimi und mit James Franco. Und aus Raimis Feder, da kann das Resultat doch nicht SO schlecht werden…”.

Nun weiß ich: es konnte!

Und bei genauerem Nachdenken macht diese Erkenntnis, vor allem durch einen direkten Vergleich mit einigen Vertretern des modernen Blockbuster-Kinos, welche sowohl vom Background der Macher her, als auch von den Krankheiten an denen sie leiden, in exakt die gleiche Kerbe wie OZ THE GREAT AND POWERFUL schlagen, gar nicht so wenig Sinn. Es konnte auch bei Tim Burton haarsträubend enden. Und es konnte auch bei Peter Jackson. Scheinbar darf man Regisseuren, die sich durch Paarung von Humor und Horror-Elementen einen Namen gemacht haben, seit 2010 einfach keine 200 Millionen Dollar mehr in die Hand geben. Scheint zu unausweichlichem CGI-Gigantismus der unheilbaren Sorte zu führen?

Raimi’s 2013er Kinderfilm OZ THE GREAT & POWERFUL ist auf jeden Fall genau das, was ich befürchtet hatte (und deshalb hat er mich mal wieder eine Lektion im verabscheuten Fach “Zeitverschwendung” gelehrt): bunt! Nicht mit Worten zu beschreiben bunt. So übertrieben bunt, dass ich – kein Scherz – die Farbsättigung meines TVs um fast 30% reduziert habe (von 52/100 auf 36/100), bis ich irgendwann nicht mehr geblendet war. Doch so aggressiv bunt, wie der sich in die gepeinigte Netzhaut brennt, so wenig gehaltvoll gestaltet er sich leider auch. Keine Magie, keine Charaktere, keine tieferen Aussagen die man mitnehmen könnte, stattdessen alles nur heiße Luft, frontal-3D und effekthascherisches Spektakel in einer bizarr falschen Videospiel-Welt. Und wirklich: NIE sah die Videospiel-Welt schlimmer aus. Nicht Burton’s ALICE IM WUNDERLAND und alle drei HOBBIT-Teile zusammen addiert sehen so schlimm, so Plastik, so abstoßend künstlich aus. Es gibt (ausser der unheimlich toll gelungenen kleinen Porzellan-Frau) nichts, weder Kulissen, noch Objekte, noch animierte Figuren, was irgendwie auch nur im Ansatz “echt aussieht”, oder sich anfühlt. Das kann man als ein polarisierendes, aber zu akzeptierendes Stilmittel durchgehen lassen, doch es drängt sich nachdrücklich die Frage auf: Wieso noch echte Schauspieler? Wenn eh nur noch Green-Screen zum Einsatz kommt und ein teil der Hauptfiguren bereits aus dem Computer kommt, wieso dann nicht einfach alle? Die menschlichen Akteure wirken real, inmitten dieses künstlichen Farben-Rausches aus Bits & Bytes – und somit völlig aus dem Bild, dem Ton, der Wirkung gefallen. Die Kulissen ein bewegter Desktop-Hintergrund, die Protagonisten schlecht hinein ge-photoshopt.

Ich arbeite mich schon wieder sehr an der Optik ab, doch die wirklichen, über Geschmackssache hinausreichenden Schwächen liegen beim Inhalt. Mir ist durchaus klar, dass es sich um einen Kinderfilm handelt, aber Kinderfilme können, sofern sie klug und vielschichtig geschrieben sind, genauso gut für alle Generationen funktionieren (man schaue sich CORALINE oder die meisten PIXAR-Filme an), das kann also kein Kriterium sein, um fehlende Inhalte zu legitimieren. Ich gehe so weit zu sagen, dass diese Exemplare sogar die einzigen wirklich guten Kinderfilme sind – vielleicht gucke ich aber auch zu wenige, um das zu beurteilen – und somit ist Raimi’s OZ ein mieser Kinderfilm, könnte er doch nicht weiter von besagter Sparte entfernt liegen. Hier funktioniert inhaltlich so gut wie gar nichts, weil die Bilder vor sich hin plätschern, aber gar nicht genug Themenkomplexe anschneiden, die in irgend einer Weise funktionieren könnten. Als Leitmotiv zieht sich der Weg von Francos Figur, eines Gauners und Drückebergers, welcher selbtsüchtig handelt und keine Verantwortung übernehmen will, durch den Film, doch dies ist lediglich ab und an angedeutetes Beiwerk, um möglichst schnell von einer optisch-pompösen (Action-)Szene zur nächsten zu navigieren.

Warum ist er so wie er ist (geworden)? Was bewegt ihn, sich irgendwann (schlagartig) doch zum richtigen Handeln hin zu ändern? Warum sind die Hexen so wütend und skrupellos (soll man Kindern wirklich vermitteln, dass manche Frauen halt Hexen und somit böse um der Bosheit Willen sind)? Reicht ein Ereigniss, damit sich Figuren, die ein Leben lang in eine Richtung wanderten Kehrtwende machen und in die Gegenrichtung ziehen? Sich vom naiven Mädchen zur alles zerstörenden Hexe wandeln? Vom Lügner und Betrüger zum strahlenden Retter?

Nichts wird so etabliert, dass man es menschlich finden und nachvollziehen könnte, der Humor funktioniert nicht und jegliche emotionale Bindung an das Gesehen erstickt im Keim – somit erzählt Raimi in diesem Film unheimlich wenig, streckt es aber auf ausufernde zwei Stunden (ohne Abspann) Laufzeit, die sich unglaublich zäh anfühlen. Das reicht mir einfach nicht. Stünde zum Schluss nicht auf wehenden Fahnen die Aussage, dass ein gewaltfreies Leben der bessere, einzig richtige Weg ist, und wäre den Animatoren nicht diese unfassbar niedliche Porzellan-Frau gelungen (die einzige Figur, die überhaupt wie eine solche erschien und Emotion hervor rief) – ich wüsste wirklich nicht, warum ich überhaupt auch nur einen einzigen Punkt geben sollte?!

Wann ist Schluss mit diesem Green-Screen-Wahnsinn und wir können auch im Sci-Fi- und Fantasy-Sektor wieder FILME sehen? Desillusionierte Antwort: Wahrscheinlich nie mehr. Scheiß Hollywood!


Wertung

3 von 10 knallbunten Computerblumen


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

5 Gedanken zu „Lektionen in Zeitverschwendung #7: Die Fantastische Welt von Oz (2013)“

  1. Kennst du den Original OZ-Film? Damals war ja der Farbfilm der neue heiße Scheiß. Und das sieht man ihm an: Da sind die Farben auf 11 gedreht, was noch krasser durch die schwarz-weiße Rahmenhandlung wirkt. Und ich könnte mir Vorstellen, dass Raimi mit Farben und 3D genau das zitieren will … Nur mal so als Denkanregung, ohne dass ich dich schon wieder davon überzeugen will, dass ein schlechter Film gut ist.

    1. Kenne ihn nicht, wusste das aber (mal bei Nerdtalk gehört, als Lars das Original mit diesem verglichen hat. Er lag bei 10/10 für den alten und 3/10 für den neuen). Das Problem ist aber weniger die Farbe an sich – eher dass die Zuckerwelt hier alles dominiert und zwar zu ungunsten des Inhalts!

  2. Echt so schlimm? Puh. Ich liebe ja den Original-Oz und mag Raimi eigentlich auch. Die Blu-ray steht auch schon im Regal. Werde mich also irgendwann mal selbst davon überzeugen müssen…

    1. Ich nehme an, dass der Film mit Gefallen am Audiovisuellen mindestens solider Durchschnitt ist – kenne ich zumindest von mir so. Schöne Bilder geben einfach eine gewisse Befriedigung. Nur war das eben gar nicht mein Paar Schuhe. Und der Plot hakt die Gründe für wichtigen Wandel in der Figurenmotivation echt als kurze Randnotiz ab. In meinen Augen ist hier Null Raimi Charme drin (und ich mag sonst echt von EVIL DEAD über den durchgeknallten Western bis zur Spidey-Reihe alles von ihm).

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