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Film: Die Tribute von Panem – The Hunger Games (2012)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by STUDIOCANAL


Fakten
Jahr: 2012
Genre: Dystopie, Medienkritik, Jugendfilm
Regie: Gary Ross
Drehbuch: Gary Ross, Billy Ray, Suzanne Collins
Besetzung: Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Liam Hemsworth, Stanley Tucci, Willow Shields, Elizabeth Banks, Wes Bentley, Woody Harrelson, Lenny Kravitz, Donald Sutherland
Kamera: Tom Stern
Musik: James Newton Howard
Schnitt: Christopher S. Capp, Stephen Mirrione, Juliette Welfling


Review
Eine gesunde Prämisse, auf der nachvollziehbar aufgebaut wird, ist die halbe Miete eines Films. THE HUNGER GAMES hat eine solche Prämisse. Auf das Wesentliche verdichtet könnte man sagen: “Man kann 12-, 14-, 16 jährigen Kindern nicht einfach (gegen ihren Willen) Waffen in die Hand geben, sie in eine Arena stellen und davon ausgehen, dass sie mit Freude ein blutiges Schlachtfest veranstalten!” Oder noch kürzer: “12 jährige Kinder sind keine Killer (und werden auch nicht durch Zwang zu welchen)”.

In kurzer (aber ausreichender) Exposition bekommen wir zunächst einen Eindruck von der gezeigten Welt: Ein Land nach dem Krieg (USA oder fiktiv, das ist unwichtig) wurde in 12 Districts aufgeteilt. Nach einer großen Rebellion, die blutig niedergeschlagen wurde, findet alljährlich ein sadistisches Event statt – jeder District entsendet 2 Kinder, bzw. Jugendliche  – ein Junge und ein Mädchen, zumindest in den ärmeren Districts per Los bestimmt – in einen bestialischen Kampf auf Leben und Tod, in dem nur einer der 24 Teilnehmenden übrig bleibt. Offiziell soll dies dem “Erinnern”, dem “Gleichgewicht bewahren” dienen – dank medialer Ausschlachtung liegt jedoch ein allseits geliebtes Highlight der Volksbelustigung vor. Alle feiern mit, es wird gewettet, die Teilnehmer (im Film “Tribute” genannt) bekommen “Sponsoren” – überhaupt ist das alles ein riesen-Spektakel.

Nun stänkern die Skeptiker, das hätte es alles schon gegeben und noch dazu viel blutiger. Richtig, die mediale Ausschlachtung von Gewalt ins Extreme weiter denken – natürlich gab es genau dieses Thema schon und zwar bereits 1979 in Stephen King’s (bzw. seinem Pseudonym Richard Bachmann’s) Roman TODESMARSCH. Und in den thematisch sehr ähnlichen DAS MILLIONENSPIEL und RUNNING MAN. Und in BATTLE ROYALE. Und in THE TOURNAMENT. Und sicher noch in zig anderen Filmen. Das ändert aber GAR NICHTS daran, dass diese Idee, der Gedanke an “Freude durch öffentliche Morde” spätestens seit Niedergang des römischen Reiches Geschichte sein und jedem halbwegs besonnenen Menschen ein kaltes Schaudern über den Rücken laufen lassen sollte (egal wie viel Blut sichtlich vergossen wird), weil es für etwas steht, was wir hoffentlich nie in der Form erreichen werden: den totalen Verfall der Menschlichkeit in einem System, wo die Klassen sich so weit auseinander dividiert haben, dass die Mühlen der Gesellschaft diejenigen ganz unten brutal zermahlen, die herrschende Klasse jedoch nicht eingreift, sondern sich am Klang der splitternden Knochen berauscht.

Perverse Spiele also, denen wir erst in der zweiten Filmhälfte beiwohnen, doch auch die Welt darum entpuppt als ausgewachsene Dystopie. Ganz klar und optisch ganz wundervoll überzeichnet, wird hier ein ausformuliertes Extrem der Arm/Reich-Schere gezeigt: Auf der einen Seite sieht man immer wieder in kurzen Shots die Bewohner der ärmeren Districts buchstäblich im Dreck verhungern. Aber was passiert im regierenden District 1? Wo die Reichen, die Ausrichter der Spiele, die potentiellen Ausbeuter leben? Die, die es sich leisten können ihre Tribute zu Kampfmaschinen auszubilden, um ihre Vorherrschaft Jahr um Jahr mit Nachdruck zu beweisen? In bunten Farben und schillerndem Glanz gehen die gelangweilten Eliten der herrschenden Klasse ihren Freuden nach – extremste Armut trifft auf hedonistische Völlerei. All diese Kritik an Systemen, an medialer Ausschlachtung von Schicksalen, an Unterdrückung der schwächeren und an perversem Konsum ist da und zwar nicht in plumpem Pathos auf dem Silbertablett verpackt, sondern mal subtil, mal beiläufig, mal nur zwischen den Zeilen ausgespielt. Durch die schillernde Inszenierung von Gary Ross ist es nicht nötig den Dampfhammer auszupacken – er zeigt uns einfach eine Welt, den Rest kann man sich selbst denken.

Und genauso wenig wie eine Frontal-Beschreibung des Missstände ist es nötig die wirklichen “Hunger Games” mit Unmengen an Blood & Gore zu versetzen. Das wird zwar gern auf das Rating und den Ansatz des Jugendfilms geschoben, doch sollte man mal zwei entscheidende Gedanken in Betracht ziehen: Zum einen korreliert das Maß an visualisierter Gewalt nur selten mit einer tatsächlichen Beschreibung des Terrors, zum anderen entspricht die Forderung nach abgehackten Körperteilen und zügelloser Gewalt exakt dem Prototypen, des im Film angeprangerten Publikums. Es zu zeigen demnach genau dem ebenfalls angeprangerten Exhibitionismus. Man bedenke (ich sage es immer wieder), dass in dieser Arena Kinder stehen. Kinder, die zu 90% nicht freiwillig dort sind. Die Angst um ihr Leben haben, für die Gewalt etwas schreckliches ist und die sich dennoch in einer Situation befinden in der sie gezwungen sind sie anzuwenden. Da die meisten das von Grund auf nicht können, ist der Ausgang von vornherein klar. Widerlich.

Genau diese seelische Misere trägt die überragende, grandiose, sensationelle Jennifer Lawrence voll nach außen. Mit minimalem Spiel transportiert sie ALLES, was es an notwendiger Emotion zu liefern gibt: die immer wieder aufkeimende zarte Hoffnung, die trostlose Verzweiflung und vor allem die pure, echte Angst um ihr Leben. Sie steht in einem unterirdischen Raum, die letzten 30 Sekunden vor Start der “Spiele” verstreichen, ein paar Worte werden gesprochen, aber vor allem zittert sie, ist angespannt, blickt angsterfüllt in die Augen ihres Gegenübers, atmet nur noch stoßweise… Unglaublich intensiv! Selten konnte man echte Angst so überzeugend auf der Leinwand erfahren und diese Momente halten an, alles an ihr wirkt echt und menschlich, weil sie ein Mädchen verkörpert, was zum Spielball eines perversen Systems geworden ist. Die Situation in der sie sich befindet, weicht nie aus dem Bewusstsein.

Das alles wird, obwohl emotionale Momente überraschend echt wirken, einzig davon aufgeweicht, dass die Inszenierung sich gelegentlich mit einem enorm hohen Pathos selbst im Wege steht. Bewegen tun all diese Dilemmata ja bereits aus der Natur der Sache heraus, demnach müssten in dramatischen, sowie traurigen Momenten weder ein pompöses Orchester, noch flutendes Licht nachhelfen. Auch die Love-Story trägt etwas dick auf – doch bei letzterer wird sich zeigen: ist sie echt, oder nur Fassade? Nur ein Teil der unmenschlichen Spiele? Die Fortsetzung darf kommen und wird es zeigen.


Wertung
7-8 von 10 überdrehten Neon-Hüten


Veröffentlichung
DIE TRIBUTE VON PANEM – THE HUNGER GAMES ist bei STUDIOCANAL als BluRay und DVD jeweils einzeln, oder in zahlreichen Boxen mit den diversen Sequels erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Die Stunts „Die Tribute von Panem“, Die Nahrung in Panem, Briefe aus dem Rosengarten, Propaganda-Film, Scrapbook, Biografien, Kino-Trailer, Wendecover. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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4 Gedanken zu „Film: Die Tribute von Panem – The Hunger Games (2012)“

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