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Film: James Bond 007 – Spectre (2015)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Sony Pictures


Fakten
Jahr: 2015
Genre: Thriller
Regie: Sam Mendes
Drehbuch: John Logan, Neal Purvis, Robert Wade, Jez Butterworth
Besetzung: Daniel Craig, Christoph Waltz, Léa Seydoux, Ralph Fiennes, Monica Bellucci, Ben Whishaw, Naomie Harris, Dave Bautista, Andrew Scott, Rory Kinnear, Jesper Christensen
Kamera: Hoyte Van Hoytema
Musik: Thomas Newman
Schnitt: Lee Smith


Review
Ein Film, der meine generelle Skepsis gegenüber Trailern auf die Probe stellt: Hätte ich auf das Gefühl nach dem (unfreiwillig im Kino gesehenen) SPECTRE-Trailer gehört – das Interesse wollte einfach nicht recht geweckt werden – wäre es sinnfrei gewesen, das Kinoticket zu lösen. Nun habe ich, Mainstream-Mitläufer der ich (manchmal) bin, es doch getan – man will ja mitreden – und saß zweieinhalb Stunden ebenso unbeteiligt vor der Leinwand, wie zuvor vor besagtem dreiminütigen Anfüttern. So falsch kann das Gefühl, welches im Vorfeld für den Film vermittelt wurde, also doch nicht sein.

So viel zu allgemeiner Trailer-Philosophie, nun zum Thema: Irgendwie geht es um Überwachung, irgendwie um einen Geheimbund, den man schon kennt (bzw. kennen sollte) und irgendwie auch, vielleicht sogar vor allem, um einen diabolischen Superschurken – den Drahtzieher aller Drahtzieher, den Kingpin der weltweiten Verbrecher-Union. Klingt nach reichlich inhaltlichem Futter, doch SPECTRE bleibt in allen Belangen leer. Daniel Craig als Bond wirkt durchweg unmotiviert und schiebt sich, vorbei an unzähligen, teils direkten Referenzen auf frühere Vertreter der Reihe, in nostalgischer Manier lustlos von einem regionalen Setpiece zum nächsten. Der Fortlauf der Handlung wird zwar visuell kommuniziert (alles daran erinnert an die klassischen, globalen BOND-Schnitzeljagden), nur ist diese weder so charmant-verschwurbelt wie die früheren Vertreter, noch anderweitig komplex. Und packend schon gar nicht, denn nie lüftet sich wirklich, das „warum“ all dieses Action-schwangeren Kontinent-Hoppings. Was ist die Motivation? Sie bleibt im Dunkeln. Wir wissen: Jemand wird bald viele Daten abgreifen. Okay, klingt zeitgemäß. Und die Weltverschwörung diniert in Rom im Zwielicht, also wird sicher bald etwas sehr fieses passieren. Aha. Und Bond hat von M einen dubiosen Auftrag aus der Vergangenheit bekommen. So, so. All diese Verstrickungen, die Wichtigkeit von Figuren und die Existenz einer alles überspannenden Gefahr werden stetig behauptet, sind aber nie aus sich selbst heraus etabliert und demnach nicht fühlbar. Bedrohung muss empfunden werden, doch SPECTRE liefert Bilder, aber keine Emotion in einer oberflächlichen Geschichte, die keiner tieferen Prüfung standhält. Vielleicht ist das Problem, dass Mendes‘ Autoren zu viel auf einmal liefern wollten – ein verbindendes Puzzle-Teil sämtlicher Craig-BONDs, ein Referenz-Chaos auf weit mehr als nur die direkten drei Vorgänger und vor allem, auf Biegen und Brechen, maximalen Fan-Service. Es bleibt kein Raum für eigenes übrig, alles ist Zitat. Dass die Geschichte immer wieder künstlich in kränkelnde Richtungen gedrückt wird, weil sie um diese Zitate, also gesetzte Eckpunkte herum, nicht im natürlichen Fluss geschrieben wurde, macht sich bemerkbar – die BOND-Merkmale wollen erfüllt werden, für sich steht in SPECTRE leider nichts.

Des Weiteren krankt der Film an vollkommener tonaler Inkonsistenz. Insgesamt dominiert die Inszenierung (abgesehen von der furiosen Eröffnung in Mexiko-City) eine distanzierte, ernsthafte Kälte, in stetigem Bruch soll diese jedoch durch deplatzierten Humor, meist aus Bond’s Munde, entkräftet werden. Das funktioniert nicht – gar nicht – weil sich ein todernster Grundton nicht mit Flammen-speienden Autos verträgt und Bond so kühl und schablonenhaft, wie vielleicht noch nie zuvor angelegt ist. Was SKYFALL erstmalig versuchte – ihn zum greifbaren Menschen zu machen – wird nicht nur komplett über Bord geworfen, sondern schier mit Füßen getreten: Als hätte man sich zum Primärziel gemacht, den draufgängerischen Agenten, den hier nichts, aber auch wirklich gar nichts aus der Fassung bringen kann, zum kompletten Gegenteil seiner vorherigen Craig-Interpretation zu reduzieren, wird sein Auftritt nun durch meist unlustige, oft gar plumpe Sprüche und einen (selbst im Vergleich zu Moore und Connery) schier unendlichen Sexappeal dominiert. Auch für letzteres gilt: er wird behauptet, nicht erfahrbar, die Momente der Verführung muten wahrhaft grotesk an. Als Bond im Verlauf von SPECTRE die dritte Frau erliegt und nach kurzem gemeinsamen Intermezzo gar die L-Bombe gedroppt wird, steht, wie auch sonst immer wieder im Verlauf der 150 Minuten, nur ein riesiges Fragezeichen vor Augen: Wo zur Hölle kommt DAS denn jetzt her? Bond’s Charme war immer überzeichnet, aber Craig fehlt hier sowohl die Testosteron-schwangere Coolness der Connery-, wie der sarkastische Witz der Moore-Ära – er bleibt ein einfaches Abspielmedium für Oneliner, die vielen müden Gags laufen ins Leere, keinerlei Bindung gelingt und emotionale Aspekte scheitern (auch weil sie sich stetig mit dem aufgesetzt sarkastischen Ton des Helden beißen).

Wahrhaft ärgerlich wird es an dem Punkt, wo unnötigerweise den drei vorherigen Craig-BONDs die Wichtigkeit, oder zumindest Eigenständigkeit genommen wird: Nichts was wir sahen, war wirklich so (Retconning solch (debilen) Ausmaßes, ließe selbst Comic-Autoren erblassen), denn eigentlich steckt(e schon immer) hinter allem ein getriebener Oberschurke. Einer, dessen Motivation als direkte Kopie von SKYFALL durch geht und schlichtweg erbärmlich (nämlich gar nicht) etabliert wird. Derart abstrus konstruierte Beweggründe lassen den Kiefer fassungslos herunter klappen – wieso muss Bond’s Familiengeschichte ein zweites Mal, quasi identisch, aufgegriffen werden, egal wie sinnlos der resultierende Plot endet? Gähn. Der, aus einem im Vorfeld künstlich aufgebauschten Mysterium heraus resultierende Fan-Service um Oberhauser’s Person, tut zudem schmerzlich weh. Und wieso verhält sich Mr. Badguy, dessen Ruf so einschüchternd ist, dass die Drahtzieher der korrupten Welt im Moment seines Erscheinens mit zugeschnürter Kehle verstummen, durch die Bank weg, wie ein unmündiger Vollidiot? Fragen, über Fragen, deren Antworten offensichtlich in den Tiefen des schlampigen Drehbuchs versunken sind. Als dann irgendwann nur noch alles laut explodiert und Bond endgültig vom Agenten zum Superhelden (der unter anderem HIRNBOHRUNGEN folgenlos weg steckt und 10+ Stockwerke in die Tiefe springt) mutiert ist, wirkt all dies nur noch wie ein lustloses Wetteifern um die maximale Effekthascherei – klar, das “spannende” Action-Finale muss auch noch rein. Häuser explodieren, Helikopter trudeln, der Superschurke erzählt diabolisch seinen Plan, dessen Impact trotzdem nicht klar wird – er hat ALLE Daten und Bond wird jetzt sterben, muahahahaha. Und dann? Dass globale Überwachung hier zum reinen Jungenstreich eines offensichtlich psychopathischen Villains verharmlost wird, lässt die angeschwollene Ader endgültig platzen. Waltz spielt das routiniert, demnach aber auch frei von Überraschungen, herunter – das ist wie immer ganz nett – doch die ganze Geschichte um seine Figur ist schmerzhaft plump und bröckelt schon bei marginaler Reflektion. Dass nie klar wird, was nun genau die Auswirkungen seines pseudo-diabolischen Handelns sein werden, ist der Spannung nicht gerade förderlich – solche entsteht aus Bedrohung, dass die einzige direkte Gefahr ein prügelnder Henchman ist, wirkt, in Anbetracht eines unbesiegbaren Craigs, nicht sonderlich mitreißend – auch der überdramatische Score kann daran nichts ändern.

Formell geht das alles gerade noch als 250-Millionen-Dollar solide durch, orientiert sich aber in puncto Action leider am aktuellen Comic-Trend und trägt demnach immerfort zu dick auf – der Bombast des aktuellen Mainstream-Kinos will ja getoppt werden. Gelingt nicht – Sam Mendes war immer ein Regisseur, dem es durch innere Aufgewühltheit seiner Figuren zu Punkten gelang. Laute, weltzerstörerische Setpieces hat er offensichtlich nicht im Griff – all das große, hochpolierte Krachen in SPECTRE wirkt leer und von der Stange. Klar, die Alpen sehen schön aus und der mexikanische Tag der Toten (plus des zugehörigen Volksfestes) stellt die beeindruckende Kulisse der vielleicht einzigen, tatsächlich gelungenen Sequenz des Films – den ersten fünf Minuten – doch wirken diese Orte vor allem in den ruhigeren Momenten. Sobald es knallt demontiert sich SPECTRE selbst: Zwischen Überzeichnung und Absurdität verläuft ein schmaler Grat, der in Form von Computer-Sequenzen leider mehrfach überschritten wird. Animiertes Helikopter-Getrudel über der Stadt, ausgiebige Sportwagen-Rennen durch Rom’s enge Gassen (in denen Physik wohl gar keine Rolle mehr spielt), oder zu große, offensichtlich ins Bild-kopierte Explosionen versteckter Wüsten-Basen – hätte man AVENGERS sehen wollen, dann hätte man AVENGERS geschaut. Schlecht sieht SPECTRE zwar keinesfalls aus, dem (sonst so) großartigen Kameramann Hoyte van Hoytema gelingt es jedoch selten seine eindrucksvolle Kunst in SPECTRE zur vollen Entfaltung zu bringen.

Eine belanglose Nummernrevue ohne Motivation oder Ziel und daher ein ärgerlicher Film, der kaum glauben lässt dass Mendes (und die Autoren von SKYFALL) erneut am Werk war(en). Am Ende steht bleibt eine Frage: Was zum Teufel war hier los?


Wertung
3 von 10 in die falsche Richtung entwickelten Film-Reihen


Veröffentlichung
SPECTRE ist aktuell im Verleih von Sony Pictures mit FSK 12 Freigabe im Kino zu sehen und wird in wenigen Monaten als BluRay und DVD erscheinen.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

7 Gedanken zu „Film: James Bond 007 – Spectre (2015)“

  1. “wieso muss Bond’s Familiengeschichte ein zweites Mal, quasi identisch, aufgegriffen werden”

    Du meinst idiotisch…
    Nachvollziehbares Review, hoffentlich sieht es beim Vorgänger ähnlich aus.

    1. Den Vorgänger fand ich inhaltlich auch eher verschwurbelt (Verwandschaft, etc.), aber (im starken Gegensatz zu SPECTRE) atmosphärisch und audiovisuell absolut brillant. Da mir letzteres viel wichtiger als irgendwelche “Storys” ist, blieb der Film in guter Erinnerung. Ob sich diese bei einem Rewatch dann in Luft auflöst? Wird sich zeigen

  2. Ich fand den auch echt mies dabei war ich nach Skyfall sehr optimistisch! Ich sehe, ich bin nicht der einzige, der den Craig wahnsinnig unmotiviert in diesem Film gesehen hat

    Manchmal hatte ich ja das Gefühl, dass dieser James Bond einfach eine überlange Sherlock-Folge ist

    1. Ich hab noch nie SHERLOCK gesehen, daher kann ich deinen Vergleich nicht einschätzen. Meine Freundin meinte aber nach dem Kinobesuch: “Dieser JAMES BOND war doch irgendwie nur ein TATORT mit mehr Budget”

  3. Puh, ich fand ihn zwar auch recht mau, auf 3 Punkte würde ich allerdings wohl nicht ganz runtergehen. Wobei ich deine Kritikpunkte größtenteils nachvollziehen kann. Mir gefiel allerdings irgendwie, dass Bond auch mal wieder ein paar witzigere Lines hatte. Aber du magst recht haben, dass das manchmal eher deplatziert war… Was bei mir spätestens nur noch Kopfschütteln ausgelöst hat, war die “Rettung-Verfolgungsjagd” in den Alpen. Ähm, der hätte LOCKER auch die Frau, die er retten wollte, mit seinen halsbrecherischen Aktionen töten können!

    Hm, wenn ich genauer nachdenke, hat mir eigentlich auch fast nur die Anfangssequenz (die allerdings ist ein Must-see!), die Szene zwischen Craig und Monica Belucci (auch wenn die tolle Frau danach leider KEINE Rolle mehr spielte – was sollte das dann?) und Q gefallen. OK, mehr als 5 Punkte kommen da bei mir dann auch kaum raus.

    1. Für mich hat der Humor einfach nicht gegriffen, weil er sich so stark mit der kühlen Atmosphäre beißt.

      Zur Action: Die Sequenz und ein großteil des Rests ist ein klarer Fall von “zu viel gewollt”. Für mich war das durchweg nur leere, langweilige Computer-Action, die keinen Wert hat, weil sie sich nicht echt anfühlt. Auch der Helikopter-Kampf am Anfang und das Autorennen in Rom konnten mir nichts geben, weil es so over-the-top ist, dass ich schnell aussteige. Ich will und brauche diese überzogene Skala nicht, erst recht, wenn der Film mir nicht vermittelt worum es geht, bzw. was auf dem Spiel steht..

      Die Szene zwischen Craig und Belucci empfand ich übrigens als die mieseste im ganzen Film Ein einziges WTF! “Du hast meinen Mann getötet und mich in eine Lage gebracht, in der ich bald getötet werde – let’s FUCK!“. Was zur Hölle?

      1. Ja, OK, von der Logik her war die Szene Schwachsinn, da gebe ich dir recht. Aber ich fand sie halt irgendwie heiß – und toll, weil halt die Belucci mal kein 20 Jahre jüngeres Bond-Girl (sie ist ja sogar etwas älter als Craig) ist (und dabei aber immer noch SEHR attraktiv!). Aber gut, das kann natürlich daran liegen, dass ich halt auch keine 20 – und auch keine 30 – mehr bin und deswegen auf Szenen stehe, wo der Held mal kein Love Interest hat, das auch seine Tochter sein könnte…

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