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(Neuer) deutsch(sprachig)er Genrefilm #7: Blutgletscher (2013)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Koch Media GmbH


Fakten
Jahr: 2013
Genre: Horror
Regie: Marvin Kren
Drehbuch: Marvin KrenBenjamin Hessler
Besetzung: Gerhard Liebmann, Edita Malovcic, SantosHille BeselerPeter KnaackFelix RömerBrigitte KrenMurathan MusluMichael FuithAdina Vetter
Kamera: Moritz Schultheiß
Musik: Marco DreckkötterStefan Will
Schnitt: Daniel Prochaska


Review
Hat der Mensch es nun endgültig so weit getrieben, dass der Natur nur noch zwei Möglichkeiten bleiben: Unter der Last der skrupellosen menschlichen Zerstörung untergehen, oder mit drastischen Mitteln zurückschlagen?

BLUTGLETSCHER von Marvin Kren malt schwarz: eine triefend-schaurige Öko-Horror-Antwort auf diese Frage wird unausweichlich und gnadenlos über die Welt hereinbrechen – das war’s Leute, Evolution war gestern, groteske Mutationen aus der Tierwelt werden einen verheerenden Befreiungsschlag gegen euch und eure Ausbeutung landen. In knapp über 90 Minuten steht diese Horror-These im Raum und es ist beachtlich, wie gut der allegorische Weg zu dieser Erkenntnis funktioniert – schließlich bewegen wir uns mit Horror in einem Genre, wo doch sonst allzu oft mit naiver Selbstverständlichkeit laut und tosend gegen die Wand gefahren wird.

Obwohl man der simplen Geschichte um ein Forscherteam in den Alpen, ihren erschreckenden Fund und dessen drastische Folgen in jedem Moment die zahlreichen direkten Vorbilder anmerkt (ein Phänomen, was auch in Kren’s TATORT-Debut KALTSTART zu beobachten ist), entstehen nie Zweifel am Bestehen einer eigenen filmischen Vision. Hier wird keineswegs nur stumpf kopiert – dieser recht junge Filmemacher scheint Funktionsweise und Mechanismen der Genres, die er durch seine ersten Langfilme bedient, verstanden zu haben, umwandert Stolpersteine und punktet durch einige clevere, ungewöhnliche Details – BLUTGLETSCHER ist im Resultat ein liebevoll umgesetztes Herzensprojekt und ganz sicher keine Direct-to-DVD Standard-Grütze.

Was ist im Horror-Genre von besonderer Wichtigkeit? Die Antwort ist sicher mächtig subjektiv, allerdings wird wohl niemand widersprechen, wenn in diesem Zusammenhang Begriffe wie Atmosphäre, Tempo und Pacing fallen – gesellt sich dazu noch eine nagende Ungewissheit, die Bedrohung und Grusel im Halbdunkeln lässt, stehen die Chancen gut. All diese Punkte bedient Kren stilsicher: Von Anfang an weiß die Kamera das atmosphärische Potential karger Berggipfel voll tief hängender Wolken einzufangen und ein graues Bild der tristen Einsamkeit daraus zu schustern. Beklemmend, wie die wenig harmonierenden Wissenschaftler bei der Untersuchung technischer Fehler einer ihrer Wetterstationen auf einen blutroten Gletscher treffen, in dessen Höhlen obskure Kadaver vor sich hin verwesen. Beklemmend, weil es Kren gelingt ein Gefühl für Größe zu schaffen, zu vermitteln, dass der einzelne Mensch im Kontrast zu Bergen, Gletschern und der Natur als Ganzen nicht viel mehr als eine Fliege auf der Weide ist.

Neben dem Fortschreiten des Plots findet BLUTGLETSCHER auch für die Enthüllung seines Mysteriums die richtige Geschwindigkeit – kurze, schnelle Schnittfolgen abstoßender Wesen werfen dem Zuschauer regelmäßig kleine Häppchen vor die Füße, das erzeugt gesunde Spannung, weil Kren auf audiovisuelle Verknappung setzt, anstatt die (größtenteils anscheinend handgebastelte) Heerschar an Kreaturen voll zu exponieren. Gut, denn so nimmt die Ausformulierung der ungewissen Bedrohung angenehm schleppend ihren Lauf, es bleibt lange Zeit ein Großteil des Grauens im Dunkeln verborgen und gegenüber den Film-Figuren besteht kein wesentlicher Wissensvorsprung. Auch wenn die Vermutung naheliegt, dass die (sehr) kurzen Tierhorror-Einstellungen primär der Vertuschung eines geringen Budgets dienten, ist dies in Zeiten endloser CGI-Monster Brüll-Orgien eine angenehme Rückbesinnung auf die klassischen Genre-Vertreter – hätte man den Hai in JAWS eine halbe Stunde im Close-Up sehen wollen?

Als weiteres Plus stellt sich der Umgang mit den Figuren heraus. Zwar wird, wie meist im großen Genre-Lotto, alles an etablierten Figuren-Funktionen auf die Anwesenden verteilt, wer jedoch zuletzt hysterisch kreischt und wer sich als toughe(r) Ärschetreter(in) heraus stellt, überrascht und sorgt für Stimmung. Derartiges sollte eigentlich in 2015 keine Besonderheit mehr sein – ist es aber. Ob etwaige Symbolik gewollt war, sei dahingestellt – Brigitte Kren (Marvin’s Mutti?) spielt Ministerin Bodicek, eine Dame aus der Politik, die als Analogon zu einer gewissen anderen “Mutti” gelesen werden kann, ihr Verhalten hingegen entspricht alles anderem, als der aussitzenden Passivität “unserer Mutti” – da BLUTGLETSCHER im ganzen, aber von vorn bis hinten als Allegorie gedacht ist, würde auch dies Sinn machen.

Unterm Strich ein kleiner, sehr gelungener Film, der kaum Beanstandung notwendig macht – höchst kompetentes Genrekino unserer alpinen Nachbarn!


Wertung
7 von 10 grotesk mutierten Tier-Hybriden


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
Kaufen (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt): 

5 Gedanken zu „(Neuer) deutsch(sprachig)er Genrefilm #7: Blutgletscher (2013)“

  1. Klingt gut! Der Film steht ohnehin schon länger auf meinem Radar, da ich gerne mehr deutschsprachige Genrefilme sehen würde. Deine Besprechung macht Mut den Film beizeiten einmal nachzuholen…

    1. Kann ich wärmstens empfehlen – sofern man auf Horror im Allgemeinen steht, ist dieser wirklich gelungen. Ich freue mich auch immer sehr, dass aus dem inner-europäischen Raum solche Perlen kommen!

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