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Horrorctober 2015, Film #9: The Nightmare (2015)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Polyband Medien GmbH


Fakten
Jahr: 2015
Themen: Schlaf-Lähmung, Halluzinationen, Night-Terror, Albträume
Regie: Rodney Ascher
Konzept: Rodney Ascher
Kamera: Bridger Nielson
Musik: Jonathan Snipes
Schnitt: Saul Herckis


Es ist war wieder so weit: der #horrorctober hat gerufen. Was das ist und was das soll erfahrt ihr auf dieser Info-Seite (die auch alle Links zu meinen Filmbesprechungen im Rahmen des „Events“ enthält). Wer alles mitmacht, kann man auf dieser Info-Seite der CineCouch nachlesen. Die 13 Filme habe ich nicht geschafft, dafür aber 12. Knapp. Das Schreiben wird noch etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen, ich hoffe aber in der ersten Novemberwoche alle Reviews raus zu hauen. War eine schöne Aktion!


Review
In den letzten Jahren keimt ein seltsam-diffuses neues Format auf: Filme, die formell den Anspruch haben, eine auf Fakten basierte Dokumentation zu sein, allerdings eine gefährliche Gratwanderung zwischen realem Stoff und stilisiertem (und insofern auch immer manipulativem) Spielfilm vollführen. Die dargestellten Fakten werden mit hochwertig nachgedrehten Einstellungen verbildlicht, die Intention mitzureißen, auch Spannung zu erzeugen, ist unverkennbar. Und so verschwimmen die klassischen Grenzen eines Formats, das ursprünglich mal an der gut aufbereiteten Darreichung von Fakten interessiert war, zunehmend – es entstehen Werke, die eher als Thriller zu begreifen sind (THE IMPOSTER), oder sich soweit von der ursprünglichen Intention des Dokumentarfilms lösen, dass sie wie der vorliegende THE NIGHTMARE fast ausschließlich als reiner Horror-Film funktionieren.

Rodney Ascher’s zweiter Film handelt von Schlaf-Lähmung (Sleep Paralysis), einem recht Unbekannten, aber dennoch nicht minder beklemmenden Phänomen. Die betroffenen Menschen erleben (laut der Darstellung dieses Films) in den wenigen Minuten bevor sie endgültig einschlafen, oder vollends aufgewacht sind, die reinste Hölle: unfähig ihren Körper zu bewegen, geistig allerdings voll da, werden sie von (weltweit angeblich ähnlich verlaufenden) düsteren Visionen heimgesucht, empfinden pure Angst und sind in diesem Zustand hilflos gefangen – kein Ausweg zu entkommen. Passiv dem Grauen ausgeliefert, was könnte eine schlimmere Folter sein? Den Zuschauer diese Qualen miterleben zu lassen, macht THE NIGHTMARE sich zur Aufgabe.

Legt man an die recht simple Funktionsweise von Eschers Werk die Messlatte einer tatsächlichen Dokumentation an, führt dies zu einem vollkommen haarsträubenden Ergebnis: Was sind die Ursachen, dieser medizinischen Störung? Wie verändert sich die Psyche durch regelmäßige, derart traumatisierende Episoden? Gibt es ernstzunehmende Ansätze, die eine Heilung versprechen? Die sind nur drei von unzähligen Fragen, die sich bei tieferer Beschäftigung mit derart exotischen psychologischen Phänomenen sofort ergeben WÜRDEN. THE NIGHTMARE jedoch, ist einzig und allein an der möglichst wirkungsvollen Ausschlachtung des nicht zu leugnenden Horror-Aspektes interessiert. In aufwändig nachgestellten Szenen, extra angefertigten Kulissen und von düsterem, intensivem Scoring getragen, wählt Ascher die Mittel eines typischen Spukhaus-Suspense-Schockers. Acht Betroffene sitzen in abgedunkelten, möglichst diffus beleuchteten Räumen vor der Kamera und berichten von ihrem Leid: wann hat es angefangen, welche Auswüchse nimmt es an, wie sehr schränkt es das eigene Leben und die eigene Psyche ein?

Ohne auch nur einen von ihnen auch nur eine Minute des erlebten Leids absprechen zu wollen, ist es doch beachtlich, wie unreflektiert das erzählte zum Zwecke der Wirkung einfach hingenommen wird. Kritische Hinterfragung, Reflektionen, etc. findet nicht statt – im Gegenteil, Ascher der auch die Interviews mit den Betroffenen führte, scheint geradezu dazu anzustacheln noch dicker und noch dicker aufzutragen. Da wird Schlaf-Paralyse plötzlich ansteckend, oder als Tor zu alternativ-Dimensionen verkauft, auf das die entstehenden Gruselgeschichten alles und jeden bis ins Mark verängstigten. Dieser Film soll wirken, wirken und nichts als wirken. Riskiert man einen vergleichenden Blick auf Ascher’s vorheriges Werk (ROOM 237), so verwundert dies nicht: Auch damals schon, suhlte sich der Filmemacher bis zum erbrechen in unterhaltsam vorgetragenen Verschwörungstheorien zu Stanley Kubrick’s Film SHINING. Die Suche nach Wahrheitsgehalt, sinnvollen Erklärung des erzählten, oder gar der Versuch der Demontage? Fehlanzeige, auch damals war dies alles schon vollkommen dem Unterhaltungswert untergeordnet.

Nun zum guten: der Film ist schlicht und ergreifend verdammt creepy! Unter der Grundvoraussetzung man lasse sich auf das Gezeigte ein, hat Ascher den Zuschauer recht schnell an einem Punkt hat, wo er zu nicht existenten Göttern betet, niemals im Leben auch nur eine einzige Minute derartigen Psychoterrors durchmachen zu müssen. Ebenso fix läuft auch der Denkapparat auf Hochtouren: das eigene Bett ist ein warmer, gemütlicher, nach harten Tagen den letzten Halt bietender Rückzugsort – zumindest für die meisten Menschen. Was hat es für einen Effekt, wenn dieser Ort plötzlich das pure Grauen symbolisiert? Wenn der Zwang des Unausweichlichen – schlafen zu müssen – die helle Panik hervorruft, man sich selbst dazu zwingt so lange wach zu bleiben wie es nur geht, um der stetigen Gefahr zermürbender Visionen und Albträume zu entgehen? Kein schöner Gedanke.

Und so erfüllt THE NIGHTMARE seine Funktion als 90 minütiger Schocker relativ eindrucksvoll. Zwar baut Ascher nicht sonderlich viel Variationen in die Inszenierung ein – ein Betroffener erzählt, die Erzählung wird visualisiert, der nächste Betroffene erzählt, die nächsten Eindrücke werden visualisiert, etc. – doch gerade als das Ganze droht ins Monotone Ermüdende zu kippen, trägt er sowohl Intensität, wie auch Absurdität noch mal zwei Schippen mehr auf, um den Film solide ins Ziel zu retten. Und wenn man dann Abends nach der Sichtung im Bett liegt, beginnen die Gedanken plötzlich zu kreisen: “Was wäre wenn?” Und vor allem: “Was wäre, wenn heute Nacht plötzlich…”

Wenn ein Horrorfilm dies bewirkt, wurde die gesetzte Mission erreicht.


Wertung
6 von 10 dunklen Schattenmännern


Veröffentlichung
THE NIGHTMARE ist am 30. Oktober 2015 bei Polyband Medien GmbH als BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Trailer.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

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