Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Tiberius Film
Fakten
Jahr: 2015
Genre: Horror, Haunted-House
Regie: Ted Geoghegan
Drehbuch: Ted Geoghegan
Besetzung: Barbara Crampton, Andrew Sensenig, Lisa Marie, Larry Fessenden, Monte Markham, Susan Gibney
Kamera: Karim Hussain
Musik: Wojciech Golczewski
Schnitt: Aaron Crozier, Josh Ethier
Review
Selbst ohne sich durchweg mit der Fülle an neuen Veröffentlichungen im Horrorgenre auseinanderzusetzen, fällt unübersehbar ins Auge, dass das klassische Sujet des Spukhaus-Films eines der am breitesten ausgetretenen Stilrichtungen der dunkleren Sorte ist. Da inhaltlich sowieso immer das gleiche passiert, aber besonders, weil die Rückkehr zur altbekannten Langsamkeit und Stilistik vergangener Tage, welche in den letzten Jahren zum Beispiel durch frische Vertreter wie THE HOUSE OF THE DEVIL oder INSIDIOUS erfolgte, von vielen Genre-Freunden als die längst überflüssige Rettung (von anderen hingegen als endgültiger Untergang) der verwunschenen vier Wände abgefeiert wurde, ist es mittlerweile inmitten der Flut an Vertretern kaum bis gar nicht mehr möglich sich ohne besondere Originalität oder eine markante eigene Handschrift in relevanten Qualitätsregionen oberhalb des Durchschnitts zu tummeln. Das Langfilm-Debüt des US-amerikanischen Autorenfilmers Ted Geoghegan trägt eine solche Handschrift in sich.
Zwar funktioniert sein Werk inhaltlich klar nach typischem Schema (Familie zieht in ein Haus, seltsame Dinge geschehen, schreckliche Geschehnisse der Vergangenheit werden enthüllt) und bedient ebenfalls aufgeblühte Retro-Machanismen, doch entzieht er sich subtil einigen bis ins letzte durchexerzierten Standard-Tropes der Konkurrenz und wählt kleine, aber entscheidende Änderungen für die Grundvoraussetzungen, den Verlauf und die formellen Aspekte seiner Geschichte: Anstatt Atmosphäre nur plump (wie so oft) über Dunkelheit erzeugen zu wollen, begreift der Regisseur seine Filmwelt als Ganzes – entsättigte Farben, eine verschneite, kalt anmutende Landschaft, ein isoliertes Haus auf weiter Flur, Sinnbild für die emotionale Abschottung der Protagonisten. Diese, ein Ehepaar in den goldenen Jahren, haben sich aus der belebten Welt ausgeklinkt und wollen zu sich und darüber ins Leben zurück finden – keine dümmlichen Teenager, die auf einem Ausflug in den Wald zum Feiern (oder dem erforschen paranormaler Phänomene) reichlich zugekifft von einer bösen Macht überrannt werden, und neben ihrer völlig gehirnamputierten Handlungsweise eigentlich nicht viel mehr als ewiges, meist nerviges Gekreische zu bieten haben. Im Gegenteil, Georghegan setzt sich über den unsäglichen Trend (zu) junger Ensembles hinweg, denn die Hauptfiguren in WE ARE STILL HERE sind (glücklicherweise) erwachsene Menschen, die auf ein Leben zurückblicken, einen schweren Verlust erlitten haben und in Form eines Neuanfangs versuchen, ihr Leid hinter sich zu lassen. All dies ist natürlich auch nicht neu, jedoch die ehrlichere, potentiell gehaltvollere Variante des Altbekannten, so dass über erschreckende, eventuell blutige Oberflächenreize hinaus ein interessantes Fundament vorliegt, auf welches stabil aufgebaut wird.
Inszenatorisch weiß Georghegan, der abseits des Regiestuhls schon etwa ein Jahrzehnt Erfahrungen im Filmgeschäft sammeln konnte, schnell zu packen: WE ARE STILL HERE ist langsam, baut durch exzellente Bilder und einen vereinnahmenden Score auf den audiovisuellen Gesamteindruck und entfaltet von der ersten Minute eine nagende Wirkung, irgendwo zwischen Entrücktheit und Beklemmung. Wenig Zeit verstreicht, bis die ersten unerklärlichen Geschehnisse auf weit schlimmeres als nur zerbrochene Bilderrahmen hindeuten, in Folge stellt sich durch die Erzählung eines dubiosen Nachbarn heraus, dass besagtes Ehepaar, die Sachettis, sich mit ihrem neuen Domizil nicht nur ein feines Haus, sondern auch die sprichwörtlichen “Leichen im Keller” eingekauft hat und die enorme Ablehnung, welche die anderen Bewohner des abgeschiedenen amerikanischen Örtchens ihnen entgegen bringen, lässt die Integrität dieser undurchsichtigen Gemeinde in Zweifeln ersaufen. Hier stimmt etwas nicht. Die Ansiedlung der Handlung in einer nicht weiter konkretisierten Vergangenheit, späte Siebziger, vielleicht frühe Achtziger, entfaltet eine angenehm reduktive Wirkung – unnötiger Ballast, vor allem technologischer Form, wird ganz automatisch aus der Gleichung entfernt, somit auch die Gefahr der Überladung – und gibt dem Background der Villa etwas vages, unbestimmtes. Was hier passiert ist, erfährt man über Hörensagen oder gar nicht, jegliche Information ist nur so zuverlässig wie ihr Überbringer und als die Sachettis sich langsam zusammengereimt haben, dass das was eigentlich nicht sein darf, dennoch gerade unter ihren Füßen (und vor ihren Augen) passiert, ist es eigentlich schon zu spät.
Und ohne zu viel zu verraten: Selten hat sich über eine Filmhälfte lang aufgebaute, leise Suspense in derart wuchtigem, aber vor allem überraschenden Irrsinn entladen dürfen. Warum zurückhalten, wenn man auch frei drehen kann? Was Geoghegan uns in durchweg praktischen Effekten im Weiteren vorsetzt hat sich gewaschen, geizt an Wahnsinn nicht und animiert zu gut gelauntem Beifall. Fein. Der Computer durfte hier lediglich das Creature-Design final abrunden, was sich nahtlos in den ohnehin schon brillanten Look des Filmes eingliedert, der Rest ist Maske, Makeup und Kunstblut – erneut zeigt sich, dass eine wahrlich “greifbare” Bedrohung zumeist wirkungsvoller im Rezipienten-Hirn einschlägt, als schwammige Bits und Bytes, deren Qualität in derart günstigen Produktionen selten erwähnenswert ist. Schön zu sehen, wenn auch eigentlich indiskutabel, wie gutes Handwerk sich auszahlt und dass das intelligente Drehen einiger kleiner Schräubchen das Endergebnis bereits maßgeblich solider macht. So gut kann eine Variation des immergleichen funktionieren, wenn die Vorbilder weiter zurück liegen und der Macher mehr als Standard will. Was WE ARE STILL HERE uns lehrt: darstellerische Erfahrung zahlt sich aus, Schauspieler dürfen also gern wieder über 20 Jahre alt sein, Kreaturen gern öfter zum Anfassen und Figuren sich auch im großen Finale noch sinnvoll verhalten. Alles richtig gemacht, bitte mehr davon.
Wertung
7-8 von 10 verbrannten Körperteilen
Veröffentlichung
WE ARE STILL HERE ist am 07. Januar 2016 bei Tiberius Film als 3D BluRay, BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Trailer, Behind-the-scenes. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):
Feiner Film, gute Kritik. Ein Wermutstropfen: Die angebotene 3D-Version ist (wie so oft bei TIBERIUS) nur Fake: Die 2D-Version etwas nach hinten versetzt.
Eindeutig eine “verkaufsfördernde” Maßnahme des Verleihs, die der Qualität des Films aber keinen Abbruch tut.
Danke dir! Ist mir bei Tiberius schon mehrfach aufgefallen, dass 3D Versionen von Filmen rausgekloppt werden, die im Kino gar nicht als 3D liefen (Only God Forgives, Lost River, etc.). Aber ansonsten machen die viel richtig, von daher sei es verziehen
Hab da inzwischen auch einiges positives gehört, freue mich langsam echt auf den.