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Film: To The Wonder (2012)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by STUDIOCANAL


Fakten
Jahr: 2012
Genre: Drama, Kunstfilm, Stream-Of-Consciousness
Regie: Terrence Malick
Drehbuch: Terrence Malick
Besetzung: Ben Affleck, Olga Kurylenko, Javier Bardem, Rachel McAdams, Romina Mondello, Tatiana Chiline, Charles Baker, Marshall Bell
Kamera: Emmanuel Lubezki
Musik: Hanan Townshend
Schnitt: A.J. EdwardsKeith Fraase, Shane Hazen, Christopher RoldanMark Yoshikawa


Review
Mich beschleicht das Gefühl, dass Terrence Malick nun endgültig am Zenit seines (mit DER SCHMALE GRAT eingeleiteten) jüngeren  stilistischen Weges angekommen ist. An einem Punkt, wo das Gezeigte, also der Inhalt seiner Filme nur noch auf einen kontinuierlich fließenden Strom der Impressionen verdichtet ist. TO THE WONDER löst sich abseits der rein visuellen Ästhetik des Bildes von allem, was gemeinhin mit Film, Erzählungen, oder Begrifflichkeiten wie “Handlung” in Verbindung gesetzt wird und ist nur noch Form. Reinste Form. Völlig im Gegensatz zu dieser Beobachtung steht die unschöne Vermutung, dass der alternde Philosoph sich trotz dieses Ansatzes – eines Ansatzes, der sich zumeist völlig spontan und spielerisch anfühlt – bei der Umsetzung dieses Films nicht wirklich ausgelebt hat. Ob er es nicht konnte, nicht durfte, nicht wollte, weiß niemand – wenn es eine Person gibt, die schwer zu durchdringen ist, dann Malick.

Seinen hoch-emotionalen Farb- und Klangrausch, in dem es irgendwie auch um Menschen und die verschiedenförmigen emotionalen Irrwege in ihrem Inneren geht, dominiert ein Gefühl der Ambivalenz: Federleicht tanzen Damen durch eine Welt, die wie die unsere durch Sicht einer verträumten Brille anmutet, doch gleichzeitig weicht nie die hunderte Tonnen schwere Last gescheiterter Beziehungen und Lebenswege von ihren (und somit auch unseren) Schultern. Die Bilder sind wunderschön, doch sind sie nie gänzlich einer ehlichen, tiefen Traurigkeit bereinigt. Und so kann TO THE WONDER wie ein einziger Rausch, der mitschleift und erhebt funktionieren, aber fühlt sich unterm Strich doch wie eine höchst sperrige Angelegenheit an.

Dabei ist Malick’s Art des Filmemachens mittlerweile wirklich völlig eigen und einzigartig, sein Film daher eine Flut aus Bildern, jedes davon, und das hängt elementar vom Blickwinkel ab, wahlweise leer, oder ein gehaltvolles Symbol, welches zur Ergründung seiner Bedeutung einlädt. Und jede Sequenz nicht als das was sie oberflächlich zeigt, sondern als das was sie aussagen soll zu verstehen – nur was das ist, wird nie klar zu definieren sein. TO THE WONDER ist Natur, pures Gefühl, Kitsch, echte Schönheit, Wut, Trauer, tiefe Hoffnungslosigkeit, oder das Aufflammen neuen Willens. Die Palette ist endlos, weil Malick eine besondere Auffassung der Welt zu haben scheint und diese in ein formell makelloses filmisches Gesamtpaket überführt. Schier übermenschlich von Emmanuel Lubezki fotografiert, hundertprozentig mit dem Herzen und dem Bauch zu erleben. Tief in dieser assoziativ zu verstehenden Machart, schlummert wohl auch ein solides Drama versteckt, und Malick gelingt es tatsächlich zwischen Sonnenuntergängen und verlassenen Strandschlössern eine (bzw. mehrere) Geschichte(n) von Trennung (und Sinnsuche) zu erzählen. Wobei “erzählen” es nicht trifft – es gelingt ihm, uns diese Geschichten mitfühlen zu lassen. So hören wir z.B. die Worte nicht, die sich das Paar im Streit entgegen schmettert, denn sie gehen unter in der fantastischen Musik von Komponisten Hanan Townshend. Auch wohnen wir keinen Schlüsselmomenten im Bruch dieser menschlichen Bindung bei. Viel mehr erschaffen Malick und Lubezki immer wieder Aufnahmen, die das tiefste Innere dieser zwei Menschen erlebbar machen. Wahrlich einzigartig.

Doch als das relativ kurze Werk langsam zu Ende geht, schleicht sich immer mehr die Ernüchterung ein. Es hätte doch noch so viel mehr erzählen können: Javier Bardem als Pfarrer der den Glauben verlor, Rachel McAdams als trauernde und neu liebende Frau, der Weg vom gemeinsamen Scheitern zu neuem Glück (und zum erneuten Scheitern) des Paares aus Affleck und Kureylenko – das alles kratzt TO THE WONDER in seinen mickrigen 110 Minuten Laufzeit sowohl quantitativ, wie emotional nur an der Oberfläche der endlosen Möglichkeiten des gewählten Ansatzes an. Es hätte, bedingt durch Malick’s eigensinnige Art zu erzählen und zeigen, so viel weiter zum Kern dieser Figuren und ihrer Lebens-Episoden vordringen können. Oft fehlt am Schneidetisch die letzte Konsequenz zur notwendigen Straffung, TO THE WONDER jedoch hätte fünf statt zwei Stunden laufen können (und müssen), denn gerade als sich eine seltene Form des transzendenten Rausches einzustellen beginnt, weil der Geist sich erfolgreich von jeglicher Erwartung von etwas “normalem” gelöst hat – was die Wirkung der Szenen potenziert und diese zu etwas tief berührendem erhebt – ist TO THE WONDER vorbei. Vieles hängt noch vage in der Schwebe, wurde nicht zu Ende gebracht, vielleicht sogar überhaupt erst angefangen und lässt Lücken, die man gern gefüllt erlebt hätte.

Vielleicht kommt das (gegen Ende wirklich enorm) intensive Gefühl im zweiten Durchgang schneller auf, vielleicht zaubert Malick, der ja für vollkommen exorbitante Rohschnitte bekannt ist, irgendwann ja auch noch eine weitaus längere Version dieses Films aus dem Ärmel? In der wir noch zig Geschichten und Gesichter mehr erleben dürfen? Selten wurde ein “Director’s Cut” mehr gebraucht. Villeicht ist dies aber auch alles nur leeres Gewäsch, was die Vermutung überspielen soll, dass Malick sich hier, im Vergleich zu seinen anderen Werken, einfach nicht genug Zeit genommen hat – kann es sein, dass er einfach Jahre der Vorbereitung braucht, um wirkliche Meisterwerke zu drehen? Die Zeit wird es zeigen und TO THE WONDER ist trotzdem ein toller Film – wunderschön, schlimm, kitschig, spirituell, roh, romantisch, herzzerreißend, bewegend, nachdenklich und noch viel mehr. Aber von all dem eben ein Bisschen zu wenig, weil ich die Vermutung nicht los werde, dass noch mehr drin gelegen hätte.


Wertung
7 von 10 weiten, goldgelben Prärie-Wiesen


Veröffentlichung
TO THE WONDER ist bei STUDIOCANAL als BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Interviews mit Olga Kurylenko und Rachel McAdams; Making of; Promo-Featurette; Trailer. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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