Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by STUDIOCANAL
Fakten
Jahr: 1968
Genre: Mystery, Psychologischer Horror, Drama
Regie: Ingmar Bergman
Drehbuch: Ingmar Bergman
Besetzung: Max von Sydow, Liv Ullmann, Gertrud Fridh, Ingrid Thulin, Erland Josephson, Georg Rydeberg
Kamera: Sven Nykvist
Musik: Lars Johan Werle
Schnitt: Ulla Ryghe
Review
In Bezug auf Ingmar Bergman konnte ich an mir selbst ein interessantes psychologisches Phänomen beobachten: Ich kannte bis jetzt noch gar nichts von ihm, allerdings habe ich (in Filmforen, Kritiken, Netzwerken und aus dem Munde Filmkundiger Bekannter) viel, sehr viel, eigentlich nur gutes über seine Filme gehört. So viel Gutes, und vor Allem meist aus Filmkundigen Quellen, deren Geschmack ich als wesentlich “anspruchsvoller” als meinen eigenen ansehen würde, dass diese vielen Lobeshymnen mit der Zeit den exakt gegenteiligen Effekt auf mich hatten: Ich hatte zunehmend Respekt, eine wachsende Distanz, beinahe Angst davor mich endlich mal an sein Werk heranzuwagen. Eine gen unendlich strebende Erwartungshaltung, obwohl man überhaupt keine Ahnung hat was es genau ist, das einen erwartet, kann etwas lähmend wirken.
Was, wenn mir nicht gefällt was ich da sehe?
Was, wenn das überhaupt nicht mein Ding ist?
Was, wenn ich ignoranter Knecht die große Kunst verkenne?
Generell ist das natürlich überhaupt kein Problem (wenn einem hochgejubelte Filme nicht gefallen, dann tun sie das halt nicht und das stört nicht weiter – ging ja jedem schon so), doch hier ist schleichend das Gefühl entstanden ich werde mich auf ein Terrain wagen, dass einfach nicht mein eigenes ist. Lange Rede, kurzer Sinn – es bedurfte erst eines Moviepilot-Buddies, der in seinem Geschmack von Unterhaltungskino bis Genre-Irrsinn enorm breit aufgestellt und somit dem “weniger gehaltvollen Film” weit mehr zugeneigt ist, als viele der Stimmen die ich zuvor zu Bergmann’s Werk gehört habe. Seine Kritik hat mich endgültig wieder auf den Boden zurückgeholt – jacker, es ist nur ein verdammter Film – und mich glauben lassen: Das könnte nicht nur gut, sondern auch gut für mich sein.
Und wie hätte es als Fan surrealer Stoffe, Mystery-Thriller und dunklen Dramen auch anders sein können: DIE STUNDE DES WOLFS war genau mein Ding. Ingmar Bergman inszeniert eine wundervolle Verschmelzung von Realität, Traum und Wahn(sinn), liefert surreales Kino bis zum Anschlag, dessen Spiel mit der Wahrnehmung und dem Geiste der Protagonisten rational nicht greif- und erfassbar ist und somit ein gefundenes Fressen für den Interpretations-freudigen Filmrezipienten darstellt. Inszenatorisch und atmosphärisch unheimlich dicht und fesselnd, was vor allem aufgrund der damaligen technischen Möglichkeiten beeindruckt – wie schon Orson Welles einige Jahre vorher in seiner 1962er-Adaption von Kafka’s PROZESS, lässt Bergman das “Normale” in einem gänzlich anderen Licht erscheinen. Diese Welt wirkt entrückt, das offensichtliche mag täuschen, alles ist zu hinterfragen. Nach erst einem Seh-Durchgang vermag ich überhaupt nicht festzulegen, was wann wie in dieser Geschichte tatsächlich passierte, pure Imagination, oder irgendetwas dazwischen ist. Ob man dies überhaupt klar definieren soll, ist eine ganz andere Frage: Ob die seltsamen Adligen in ihrer Behausung überhaupt existieren, oder dies alles nur Kopfkino eines schlaflosen Menschen ist, muss vielleicht jeder selbst für sich herausfinden – gerade dieses vage Auftreten macht den Film besonders, da er so als freie Abhandlung über Einsamkeit trotz des langen Zusammenlebens, Selbstzweifel, etc. wahrgenommen werden kann.
Wie ähnlich wird man sich mit der Zeit? So ähnlich, dass man zwar das gleiche fühlt, sieht und denkt, sich selbst dabei aber verloren hat? Zwei von vielen Fragen in einem Werk, mit dem Bergman nicht mal zufrieden gewesen sein soll. Das lässt mich wieder grübeln: Ist VARGTIMMEN die starke, andersartig-verstörende Ausnahme in seiner Filmografie, die genau meinen filmischen Nerv getroffen hat, oder tatsächlich “schwach” und somit jeder weitere Film von ihm ein absolutes Meisterwerk? Ich werde es herausfinden…
Wertung
9 von 10 beklemmenden Ausflügen zum Adel
Veröffentlichung
DIE STUNDE DES WOLFS ist bei STUDIOCANAL im Rahmen der Arthaus-Collection als DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Produktionsnotizen; Biografie Ingmar Berman; Trailer. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
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