David Lynch #7: Dune (1984)


Trailer © by Schröder Media


Fakten
Jahr: 1984
Genre: Science-Fiction, Fantasy
Regie: David Lynch
Drehbuch: David Lynch, Frank Herbert (Vorlage)
Besetzung: Kyle MacLachlan, Virginia Madsen, Francesca Annis, Brad Dourif, José Ferrer, Jack Nance, Jürgen Prochnow, Patrick Stewart, Sting, Dean Stockwell, Max von Sydow, Sean Young
Kamera: Freddie Francis
Musik: Toto, Brian Eno
Schnitt: Antony Gibbs


Review
“Some thoughts, have a certain sound.”

Das ist es nun also, Lynch’s hässliches Entlein, welches immer wieder in Verbindung mit Labels wie “Trash” oder “Schrott” genannt, oft als “lächerlich” und “kaum ernst zu nehmen” denunziert, aber meiner Meinung nach völlig zu Unrecht belächelt wird. Gewagte These: Wenn DUNE Trash sein soll, dann ist es STAR WARS genauso. Denn Kulissen und Kostüme aus den späten 70ern bzw. frühen 80er Jahren in Verbindung mit der hier vorliegenden, eigenartigen Kombination aus antikem Adels-Gehabe und futuristischer Space-SciFi machen noch lange keinen Trash.

Da muss schon mehr her – vor allem mehr in die Hose gehen – und ein Film inhaltlich weitaus weniger liefern, um diesem Label gerecht zu werden. Und besonders letzteres trifft auf DUNE einfach nicht zu – der ambitionierte Film, wenn auch sicher nicht fehlerfrei, spielt trotz ähnlicher anmutender Ästhetik Welten über der Liga von gescheitertem B-Movie-Trash. Ich meine nämlich, abseits der mysteriös-wabernden, intensiven Atmosphäre, durchaus eine gewisse Tiefe und Vielschichtigkeit verorten zu können.

DUNE ist Lynch’s erste (halb-)Auftragsarbeit, für die er, ganz entgegen seiner sonstigen Autheur-Arbeitsweise, zumindest als Regisseur angeheuert wurde. Er adaptierte dann (soweit ich weiß) zumindest das Drehbuch selbst – die Geschichte wer zuvor bereits den Film DUNE machen wollte, ewig produzierte, in den Größenwahn abdriftete, scheiterte und das Projekt schlussendlich wieder abgab, steht auf einem anderen Blatt – und inszenierte den Film. Danach gab’s Beef mit den Produzenten, weswegen Lynch mit dem fertigen Film nicht zufrieden ist.

Diesen sah ich als Kind schon einmal, das ist lange her und in der verwaschenen Erinnerung existierten nur noch drei Dinge: Sand, Würmer und leuchtende Augen. Kurz gesagt, die offensichtlichsten Schauwerte. Die Neusichtung grobe 20 Jahre später bestätigt jedoch das Vorhandensein von mehr, als nur schönen Bildern eines riesigen Wüstenplaneten.

DUNE erzählt zwar eine simple Geschichte von sich bekriegenden Königshäusern und unterdrückten Ureinwohnern – ebenso simpel ist wohl auch der Transfer dieser Symbolik auf jene realen Zustände, welche diese Geschichte auch 1984 schon verbildlichen sollte – doch so einfach sie scheinen mag, so wahr ist sie leider auch. Und in DUNE geht es nicht bloß um einen stereotypen Weltraumkrieg, in dem die Bösen sich mal wieder schamlos Bereichern und die Helden mal wieder am Ende alles gerade biegen müssen.

Nein, vielmehr erforscht der Film auf einer fühlbaren Ebene militaristischen Imperialismus, gnadenlose Ausbeutung und noch viel tiefer im Kern die schier unbegrenzte, dem Menschen eigene Maßlosigkeit. Maßlose Gier nach Macht, maßlose Gier nach Erkenntnis, maßlose Gier nach dem Treibstoff des Lebens – hier Spice genannt. Spice ist alles, ohne Spice geht nichts mehr. Es ist das Erdöl dieses Science-Fiction-Universums.

Schauspielerisch werden nicht durchgehend Glanzleistungen aufgefahren und auch Lynch’s Inszenierung ist, das braucht man nicht schönreden, sicherlich nicht zeitlos. Vor allem die, wohl in der allerersten Welle der Visual-Effects-Schmieden entstandenen Computereffekte aus der damaligen Zeit, sowie die klar als solche erkennbaren Masken und Kulissen, schreien dem Zuschauer ihr knapp 30 jähriges Dasein in jeder Einstellung entgegen. Das kann den einen oder anderen Zuschauer sicher aus dem Film schmeißen, bei manch einem, speziell mit älteren Filmen aufgewachsenen, Zuchauer kann diese offensichtliche Patina, aber auch fix unter der Rubrik “nostalgischer Charme” oder simpler als “Zeitkolorit” verbucht werden.

Denn in diesem Film sollte man sich nicht auf überhohlte Effekte, sondern auf die wirklich wichtigen Aspekte des Films besinnen. In besagten knapp 30 Jahren ist leider auf unserem Planeten wieder so viel grausames, mit dem Stoff dieser Geschichte problemlos zur Deckung zu bringendes, passiert, dass die Geschichte nicht mal das kleinste Bisschen Relevanz eingebüßt hätte. All das Machtgehabe, die Kaltblütigkeit, das Kalkül der Strippenzieher auf Thronen (ober bei uns halt hinter Schreibtischen) weit entfernt vom Ort der Gewalt… das ist zu präsent, um es als Quatsch abzutun.

Bleibt die Frage, wie viel Lynch eigentlich in DUNE steckt. Wie viele Abgründe, wie viel Psychologie, wie viel Ausarbeitung spontaner Ideen? Ich würde sagen, dass man seine Handschrift hier wohl am Stärksten auf Seite der Audiovisualität und der daraus erwachsenden Atmosphäre fühlt: Meditative Voice-overs (die sicher nicht Jedermanns Sache sind) und ein schrittweises, immer tieferes Voranschreiten in die Psyche der Hauptfigur, die Kontrolle der Emotion, das Spiel mit Angst und dem Loslassen. Das alles ist Lynch und er schuf hier ein atmosphärisch unheimlich dichtes, immer wieder in mystische Traumartigkeit abdriftendes Werk.

Allerdings auch ein Werk, dem man dramaturgisch den ein oder anderen Purzelbaum verzeihen muss. Wie sollte es auch anders sein, nachdem die Produzenten – Papa und Tochter Di Laurentis – dem guten Lynch Kürzungen von über einem Drittel des Rohschnitts aufzwangen. Im Resultat wirkt DUNE zeitweise zerfasert und geflickt, ist weit davon entfernt ein perfekter Film zu sein – ich bezweifle sogar, dass er es mit Beibehaltung des ursprünglichen Cuts geworden wäre, denn man vermutet, dass Lynch epische Sci-Fi eher als einmaligen Ausflug gesehen hat. Es fehlt ein Fünkchen des Selbstverständnis seiner restlichen Werke.

Und trotzdem hat er hier etwas geschaffen, das durch die rauschartig-transzendente Stimmung sowohl auf atmosphärischer Seite mitreißend, sowie durch die unmenschlichen Themen inhaltlich nach wie vor relevant bleibt.

“I must not fear. Fear is the mind killer.”


Wertung
7 von 10 spicig berauschten Sandwürmern


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

7 Gedanken zu „David Lynch #7: Dune (1984)“

  1. Ich mag Sting in diesem Film.
    Der hätte nach den ersten beiden Police Alben Schauspieler werden sollen. Arnie-Style: wenig Worte, mehr glotzen und so.

    In QUADROPHONIA war er ähnlich wortkarg, aber stark in seiner Präsenz.

    Aus dem hätte ja was werden können, aber dann..An Englishman in New York und ähnliche Verbrechen an meinem Gehörgängen…

    1. Alle paar Jahre geht der mal. Ich kann ganz gut über die schwächen hinweg sehen Wüsste aber gerne wie Lynch’s pure Vision geworden wäre. Von der extended TV Version hat er sich ja distanziert..

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