Trailer © by STUDIOCANAL
Fakten
Jahr: 2013
Genre: Drama, Episodenfilm
Regie: Derek Cianfrance
Drehbuch: Derek Cianfrance, Ben Coccio, Darius Marder
Besetzung: Ryan Gosling, Bradley Cooper, Eva Mendes, Mahershala Ali, Ben Mendelsohn, Rose Byrne, Ray Liotta, Dane DeHaan, Emory Cohen
Kamera: Sean Bobbitt
Musik: Mike Patton
Schnitt: Jim Helton, Ron Patane
Review
Manchmal hilft es, Film als eine Art theoretischen Modellversuch zu sehen – die Drehbuchschreiber / der Regisseur definieren die Rahmenbedingungen: Konstanten die lediglich als Ausgangspunkt für alles weitere dienen (und wenn nötig eine leichte Verschiebung in die gewünschte Richtung erfahren). Diese Bedingungen können so nah wie möglich an der existenten Realität angelehnt sein, können eine freiere Auslegung dieser darstellen, oder im Extremfall vollkommen davon abweichen. Letzteres ist der Zustand den viele Stimmen gerne als “unrealistisch”, “konstruiert”, oder “unlogisch” betiteln. Was diese Stimmen unter Umständen nicht erkennen (wollen): Das wichtige an diesem Experiment sind nicht die Konstanten, sondern die Variablen – um genau zu sein nur eine Einzige: Der Faktor Mensch!
Und wenn dieser Faktor sich echt anfühlt, sich mit all seiner Unberechenbarkeit und emotionalen Diversität entfaltet, nur dann wird aus dem Experiment etwas reales! Es erwacht zum Leben, entwickelt Eigendynamik und kann es vollbringen, pure Emotion zu vermitteln. Wenn Film ein Blickfenster in das Leben seiner Figuren wird und uns ehrlich, ungeschönt, feinfühlig die Wirrungen des Lebens zeigt, uns teilhaben lässt an den Problemen, den Entscheidungen, den Konsequenzen des menschlichen Handelns, DANN ist Fiktion zu mehr geworden.
THE PLACE BEYOND THE PINES vollbringt, was nicht viele schaffen: genau diese Hürde hinter sich zu lassen. Der Film zeigt 142 Minuten Leben. Nicht filmisches Leben, das zum zwecke einer “Handlung” arrangiert wird und Menschen so handeln lässt, dass ein “plot” voran schreitet, sondern Leben in der reinen Bedeutung des Wortes.
Menschen treffen täglich aufeinander – Wege kreuzen sich in den unterschiedlichsten Situationen – und diese Begegnungen haben Folgen, mal mehr mal weniger. Manchmal bemerken wir diese Folgen nicht (im Film: Luke trifft Romina das erste Mal), dann holen uns diese Folgen schlagartig ein (Luke trifft Romina das zweite Mal), mal bringen sie Schönes, wie Liebe, Freundschaft oder Gemeinschaft hervor (Luke trifft Robin), mal Tragisches, mal Unvorstellbares (Avery trifft Luke, Jason trifft Avery). So ist das Leben – alles kann passieren, alles hat einen Einfluss, alles zieht Kreise die größer sind als es auf Anhieb scheint – der Mensch (wir alle) muss sich immer für etwas entscheiden und die Konsequenzen seines Handelns tragen.
Darum geht es in Cianfrance’s Werk. Nur darum.
Meisterhaft, unaufgeregt und mutig setzt er die Schicksale einer ganzen Gruppe Menschen Generationen übergreifend in Relation, verknüpft sie direkt, lässt sie Abstand gewinnen und führt sie in einer finalen Erlösung wieder zusammen. Menschen die durch beeindruckend authentisches Spiel aller Beteiligten von der Schablone zum Charakter werden, uns mitfühlen lassen und echte Anteilnahme bewirken. Die so sehr mitreißen, dass der Kloß im Hals zum dauerhaften Begleiter wird – verfahrene Situationen, kein schmerzfreier Ausweg scheint mehr möglich.
Doch warum eigentlich dieses Gedanken zu Modellen, Experimenten, Konstanten und Variablen? Weil THE PLACE BEYOND THE PINES im großen Stil Angriffsfläche für den so beliebten Vorwurf der Konstruiertheit bietet. Für Plot-Fetischisten mag das zutreffen, doch wenn bewusst wird, was dieser Film eigentlich erreichen möchte, wird im selben Zug klar, dass es in diesem Fall schlichtweg egal ist! Es zählt nicht, ob irgendeine Zusammenkunft in diesem Film (speziell im “dritten Akt”) im Sinne der Plausibilität eines tatsächlichen Stattfindens wahrscheinlich ist – es zählt, wie die Menschen mit dieser Zusammenkunft umgehen. Nur das.
Ein fantastischer Film – echt, audiovisuell beeindruckend-kunstvoll und aufgrund des perfekten Soundtracks, der großartigen Kulissenwahl und der wundervollen Fotografie nahezu berauschend. Wer Empathie- und Immersionsfähig ist, kann durch das Schicksal dieser Menschen eigentlich nur unglaublich bewegt sein. Wenn dann die letzte Einstellung an uns vorbei gezogen ist, bleibt nach all der Tragik etwas Wichtiges im Herzen haften: Ein kleiner Schimmer Hoffnung – klein aber von enormer Wichtigkeit!
Wertung
9 von 10 wahnwitzigen Motorrad-Ritten durch den Wald
Weblinks
IMDB
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2 Gedanken zu „Film: The Place Beyond The Pines (2013)“