Film: Herr der Ringe – Die Gefährten (2001)


Trailer © by Warner Home Video


Fakten
Jahr: 2001
Genre: Fantasy, Epos
Regie: Peter Jackson
Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson
Besetzung: Elijah Wood, Ian McKellen, Orlando Bloom, Hugo Weaving, Cate Blanchett, Christopher Lee, Ian Holm, Sean Bean, Viggo Mortensen, Sean Astin, Billy Boyd, Dominic Monaghan, John Rhys-Davies, Andy Serkis
Kamera: Andrew Lesnie
Musik: Howard Shore
Schnitt: John Gilbert


Review
Interessant, dass Peter Jackson zunächst im gleichen Universum Filme drehen musste, die unglaublich viel falsch machen, um mir bei der (dank Erwerb der großartigen 15-Disc Special Edition) jüngst erfolgten x-ten Wiederholungssichtung mit endgültiger Klarheit vor Augen zu führen, wie er damals zumindest zum Auftakt der originalen Mittelerde-Trilogie so gut wie alles richtig gemacht hat.

Normalerweise bin ich ja jemand, der dem Wort episch eine eher negative Konnotation zuweist. Ich erinnere mich an etliche Diskussionen, in denen ich Zähigkeit, Langeweile und sich ewig ziehende Stoffe kritisierte, woraufhin mein(e) Gegenüber mit dem Argument: “Wieso denn das? Das ist doch super-episch!“ konterte(n). Episch also? Scheinbar nichts für mich, denn wie gesagt, die meisten Filme, die dieses Prädikat verliehen bekommen, sind mir einfach viel zu lang und ich sehe die Gründe für die exorbitante Länge nicht. Aber dieser Vertreter hier ist anders. Er ist einer der wenigen Filme, welche mir mit absoluter Brillanz vor Augen führen, warum diese Eigenschaft weithin eine solch positive Bedeutung hat – und sie scheinbar auch für mich haben kann:

Wenn man sich nicht, wie so oft, bei 3 Stunden Laufzeit wünscht, dass es eigentlich besser nur 2 gewesen wären, sondern stattdessen bei 4 Stunden Laufzeit wünscht, das es doch ruhig auch 6 hätten sein dürfen, dabei wundervolle, riesengroße, fremde Welten erlebt, sich in beeindruckenden Bildern verliert, zahlreiche liebenswerte Figuren kennen lernt und summa summarum über so eine enorme Länge wie der des Extended Cuts von THE FELLOWSHIP OF THE RING durchweg und ohne Pause verzaubert, fasziniert und gefesselt bleibt, dann sind wohl tatsächlich sämtliche Kriterien erfüllt, die das Werk in den Rang eines Epos aufsteigen lassen. Es folgt, dass dies wahrscheinlich mein liebstes Epos ist!

Aber was ist denn am Auftakt der HERR DER RINGE-Trilogie so gut?
Simple Antwort: eigentlich alles!

Von Anfang an ist klar, dass Peter Jackson hier eine riesengroße, detailreiche Welt etablieren will und dabei jedem noch so kleinen, diese Welt definierenden, Kriterium die nötige Beachtung schenkt. Mittelerde soll wirken und um dies zu erreichen nimmt Jackson sich für die Erzählung unglaublich viel Zeit – Zeit, die sinnvoll investiert wurde, da sie hilft die Figuren kennen zu lernen, der Welt in allen ihren Formen und Farben ein abwechslungsreiches Gesicht zu geben und schleichend in die anfangs so lockere, befreite Atmosphäre, die dunklen Schatten des drohenden Unheils einzuspinnen. Notwendige Zeit, die es braucht, weil HERR DER RINGE mehr möchte, als an der Oberfläche seiner Romanvorlage zu kratzen.

Immerhin ist Tolkiens Vision von einer Reise durch Mittelerde in drei dicke Bücher niedergeschrieben, deren gesamter Inhalt nicht einmal in die (aufsummiert mehr als 12 Stunden) Laufzeit der Filmtrilogie hinein passte. Überall wurde gekürzt, ein wenig umgeschrieben und vor allem (oft außer acht gelassen) der Stoff sinnvoll vom Medium Buch in das Medium Film adaptiert – eins zu eins geht nämlich nicht, dass haben uns etliche Stephen King Verfilmungen schmerzlich vor Augen geführt – so dass ich Frodo’s Reise auch wie eben ein solcher anfühlt.

Und das ist besonders: Zwar stellt der erste der drei Filme (die eigentlich ein langer sind) streng genommen nur den ersten Akt eben dieses einen Films dar, doch hat schafft dieser, einen grandiosen Spannungsbogen und eine für sich genommen perfekt funktionierende Dramaturgie aufzubauen. Nach kurzer Erklärung der düsteren Ereignisse in der Vergangenheit beginnt DER HERR DER RINGE äußerst gemütlich – wir lernen in überschaubarem Tempo Hobbits kennen, erleben sie beim ausgelassenen feiern, entspannen und genießen, schnell betritt auch der alte Gandalf die Bühne und alles scheint auf ein lockeres Abenteuer hinaus zu laufen. Doch nach und nach, wie Nebel, der unbemerkt durch die schmale Fuge eines Fensters quillt, hält Düsternis Einzug – sowohl auf der Landkarte von Mittelerde, als auch in den herzen der Figuren. Eine unheilvolle Macht geht vom geheimnisvollen Ring aus, angsteinflößende Gestalten kleben der kleinen “Reisegruppe” an den Fersen und der Einfluss des brennenden Auges Saurons wird immer stärker.

Nach und nach zieht Jackson auf der Reise dieser zunächst ein, dann zwei Handvoll Figuren die Spannungs-Schraube an. Durch gekonnten Kontrast zwischen den Geschehnissen auf Seite der Hobbits und der rapiden Entwicklung der Ork-Armeen seitens Mordor und Isengard schleicht sich, so intensiv wie nur selten, ein omnipräsentes Gefühl der Bedrohung ein. Anfangs trennen die Horden von Orks noch Welten vom Aufenthaltsort der Protagonisten – doch nie bleibt die Hoffnung, dass dies auch lange so bleiben könnte. Stattdessen bangt man um die schnell lieb gewonnen, ulkigen Halblinge und zwar nicht nur, weil auf der anderen Seite von Mittelerde schleimig-blutige, widerliche Monster in den Abschlacht-Modus versetzt werden, sondern vor allem, weil wir es hier mit vielfältigen Charakteren nicht bloß eindimensionalen Figuren zu tun haben. Die Hobbits, die Menschen, der Elb, sie alle haben eigene Motivationen, wollen das richtige tun, doch erliegen zunehmend dem Kampf mit ihren Schwächen (welche durch den hypnotischen Bann des Rings umso mehr zu Tage geführt werden). Filmfiguren also, die menschlich wirken – weil sie menschlich handeln und so reichlich Potenzial für Identifikation und Sym- bzw. Antipathie bieten. Und so wirkt die umfangreich angeschnittene Palette der Emotionen echt. Gefühle wie Hass, Liebe, Angst sind keine Fassade, sondern nachfühlbar, als Konsequenz involviert HERR DER RINGE das Herz des Zuschauers als zehnten Gefährten des Fellowships.

Ein weiterer, kaum genug zu lobender, Pluspunkt des Films ist die beeindruckende Audiovisualität!

In den (zwei von drei) HOBBIT-Filmen die ich gesehen habe, war einer meiner größten Kritikpunkte, dass Jackson aus Mittelerde ein kitschiges Videogame-Level gemacht hatte (wer das im Detail nachlesen will, kann das in den Reviews zu JOURNEY und SMAUG tun). Nichts war mehr echt (und wenn, dann mit ultra-Weichzeichner an die omnipräsente-Computerspieloptik angepasst), alles auf dem Computer und im Resultat nicht greifbar, nicht glaubwürdig. Hier ist das anders. Natürlich kam auch in HERR DER RINGE schon reichlich Rechenpower zum Einsatz, aber eben mit so viel mehr Bedacht und Achtung vor dem Echten, dass die filmische Illusion sich nur selten und bei genauem Hinsehen als solche enttarnt, weil es keinerlei Gründe gibt dem Film seine (auch 13 Jahre später noch überwiegend gelungenen) CGI-Bilder vorzuwerfen, zu perfekt fügen sie sich in das Gesamtbild ein.

Die Welt, in welcher sich die Gefährten hier bewegen ist beeindruckend in ihrer Größe, trotz der vielen verschiedenen Regionen vollkommen stimmig und in Summe einfach wunderschön! Echte Wälder (ohne dass per CGI noch zweihundert Meter mehr Baumhöhe oben drauf gerendert wurden), weite Ebenen (ohne dass bunt glitzernde CGI-Wasserfälle das Landschaftsbild dominieren) und wenn nötig etwas Nachbesserung per Computer, um Dinge zu zeigen, die ohne NICHT MÖGLICH wären. Das wirkt einfach rund. Trotz opulenter Behausung der (Wald-)elben, trotz riesiger Stein-Statuen an einem See, trotz animierter Minen vor Saroman’s dunklem Turm. Der Computer ist hier die Möglichkeit für die Umsetzung von Unmöglichem, nicht easy-Excuse, um keine Kulissen mehr bauen zu müssen, sondern unterbezahlte Animatoren den Hauptjob machen zu lassen, auch krasse Filter und Weichzeichner kommen als Stilmittel zum Einsatz, um beispielsweise den Elben und ihrer Welt einen artifiziellen Charakter zu geben. So wenig inflationär können dieses technischen Add-Ons wirken anstatt abzustumpfen.

Gleiches gilt für Kostüme, die Physik der Kämpfe, etc. etc. FELLOWSHIP OF THE RING fühlt sich einfach greifbar an. Es bewegt sich eine Gruppe echter Charaktere durch eine echte Welt und kämpft gegen echte Feinde – das Resultat sind echte Spannung und echtes Mitfiebern. Wenn z.B. die komplette Gruppe nur in totalem Teamwork und aufgrund von besonderen räumlichen Gegebenheiten des Kampfortes eine angreifende Übermacht an Orks besiegen kann, dann erzittert man als Zuschauer – weil dieser Kampf kaum zu gewinnen scheint, der Schwerkraft gehorcht und es FÜHLBAR ist, dass etwas auf dem Spiel steht (was sich im Ausgang auch bewahrheitet). Kein Computer-Legolas, der wie ein Flummi gänzlich Physik-frei über Fässer hüpft und im Alleingang mit seinem Bogen ARMEEN von Orks schlachtet.

Einige (auch ruhigere) Momente in FELLOWSHIP OF THE RING entfalten eine emotionale Wucht, wie sie selten erzeugt wird: die Verfolgung durch die Ringgeister verursacht das kalte Grauen, die Besuche bei den verschieden Elbenvölkern fühlen sich beinah transzendierend, wie ein schwebender Traum an, der Aufenthalt in den Minen von Moria ist vom ersten bis zum letzten Frame die pure Spannung. Die Beispiele sind vielzählig und weit mehr als diese drei genannten Szenen kommen der Perfektion nahe, weil Howard Shore’s ikonischer Score, die verspielte Montage (welche geschickt mit Chronologie und Aufbau der Szenen spielt) und die stimmige Ausstattung ineinander greifen und den Film von vorn bis hinten auf voller Linie funktionieren lassen – Lachen, Weinen, Mitfiebern, Fluchen, Staunen, alles ist möglich, immer wieder.

Ein absoluter Meilenstein des Blockbuster-Kinos!


Wertung
mindestens 9 von 10 abgehackten Urukay Köpfen


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es (Extended Version)
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

12 Gedanken zu „Film: Herr der Ringe – Die Gefährten (2001)“

  1. Wow, was für eine tolle, ausführliche Kritik! Ich habe sofort Lust, mir den Film wieder anzusehen. Hach! Und super Wortwahl, hier z. B.: “Doch nach und nach, wie Nebel, der unbemerkt durch die schmale Fuge eines Fensters quillt, hält Düsternis Einzug ” Großartig!

    Ich habe ja 2013 achtmal live zum Film den fantastischen Soundtrack Howard Shores gesungen, nur leider haben wir dabei nicht auf die Leinwand schauen können/dürfen. Es gibt unzählige Artikel zu den Proben und Konzerten auf meinem Blog, schau z. B. mal hier: http://singendelehrerin.wordpress.com/2013/04/02/herr-der-ringe-live-die-gefahrten-die-konzerte-4/ oder da: http://singendelehrerin.wordpress.com/2014/03/27/die-singende-lehrerin-in-aktion-herr-der-ringe-die-gefahrten-2013/

    1. Vielen, vielen Dank! Ich war erst skeptisch, dass der Text vielleicht ZU lang für ein Netz-Review ist, aber scheinbar passt das ja

      Seine zwei Links hab ich direkt geklickt und gelesen/geschaut/gehört.
      Gänsehaut! Ganz tolle Aktion, Hut ab!

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