Film: Transcendence (2014)


Trailer © by Universal Pictures Germany GmbH


Fakten
Jahr: 2014
Genre: Science-Fiction
Regie: Wally Pfister
Drehbuch: Jack Paglen
Besetzung: Johnny Depp, Rebecca Hall, Morgan Freeman, Paul Bettany, Cillian Murphy, Kate Mara, Cole Hauser, Clifton Collins Jr.
Kamera: Jess Hall
Musik: Mychael Danna
Schnitt: David Rosenbloom


Review
Ein Kameramann versucht seinen ersten Film zu inszenieren, kann sich aber nicht recht von der Bildsprache seines vorherigen Stamm-Arbeitsgebers lösen, fantastische Ideen werden durch ein katastrophales Drehbuch aus der Bahn geschubst und ein ehemals großartiger Schauspieler verwechselt die Darstellung eines digitalen Ichs mit dem unmotiviertesten Autopiloten seit langem: TRANSCENDENCE.

Die Menschheit ist der Erschaffung einer künstlichen Intelligenz schon ein gutes Stück näher gekommen, weltweit entwickeln rivalisierende Forscher-Teams Technologie, die in besagte Richtung deutet und im Umfeld des renommierten Dr. Will Caster scheint ein Durchbruch anzustehen. Leider gibt es eine breite Front an reaktionären Öko-Terroristen, die die Digitalisierung der Gesellschaft (und mittelfristig eben des Individuums) mit Waffengewalt bekämpfen und vor Anschlägen nicht zurück schrecken. Caster wird Opfer eines Gift-Attentats, hat nur noch wenige Tage zu leben, doch schafft es über den Prototypen einer Apparatur sein Bewusstsein in einen Rechner einzuspeisen. Die Dinge nehmen ihren Lauf.

Die Prämisse ist abgedrehte Science-Fiction in vollkommener Reinform und hatte daher direkt mein maximales Interesse. Und trotz allem, ich mag diesen Film irgendwie. Keine Ahnung wieso, denn es läuft in der Umsetzung so enorm viel verkehrt, dass ich mich in diesem Fall (wie so oft) selbst nicht verstehe. In Summe sagen mir wahrscheinlich die Thematisierung der höchst menschlichen, tief sitzenden Fortschrittsängste und das Gedankenexperiment in Richtung post-Humanismus so sehr zu, dass ein unmotivierter Hauptdarsteller, haarsträubende Dialoge und wenig nachvollziehbare Charakter-Arcs das Schiff trotzdem nicht zum Kentern bringen.

Aber Verzeihen muss man eine Menge. Autor Jack Paglen serviert ein Skript, welches TRANSCENDENCE an den Tiefpunkten wie ausgewürfelt erscheinen lässt. Figuren tauchen auf, erscheinen wichtig, haben im weiteren Verlauf jedoch keinerlei Funktion, in Sekunden kippt die (ein Leben lang aufgebaute) Überzeugung eines Wissenschaftlers in das Gegenteil und er schließt sich der Gegenideologie an und auch sonst wirkt so manche Drehbuchentscheidung zutiefst unausgegoren. Auch hat man immer wieder das Gefühl, die Macher dieses Filmes über die nächste Stufe der digitalen Evolution, haben das abgebildete Sujet nicht wirklich durchdrungen. Da faselt ein Colonel beiläufig von der “Abschaltung des Internets”, Caster vernetzt sich mit seinen digitalisierten Schergen zu einer höheren Wi-Fi-Lebensform, die jedoch AUF PAPIER mitschreibt, wie viele Personen sie gerade an Zulauf bekommen und häufig werden eher allgemeingültige Phrasen gedroschen, als präzises Sci-Fi-Worldbuilding zu betreiben. Von Johnny Depp’s unterirdischer Anti-Leistung gar nicht zu reden. Oder der schlechten, viel zu matschigen Ausleuchtung des Films (was wirklich nicht für den arroganten Herrn Pfister spricht).

Und dennoch deutet der Film einige höchst wahre und menschliche Dilemmata an. Zwischen den Zeilen steht viel über die Ambivalenz zwischen Möglichkeiten und Gefahren, die so vielen Facetten des technischen Fortschritts innewohnt. Alles kann zur Verbesserung genutzt werden (Caster’s Hauptmotiv), oder ins Gegenteil gekehrt. Wie also umgehen damit? Und auch hier trifft TRANSCENDENCE, wenn auch brachial plakativ, ins Schwarze: Was nicht verstanden wird und vor allem was droht den Menschen als Spezies zu transzendieren, muss militärisch in Schach gehalten werden, am besten direkt zerstört. Neu und unbekannt ist immer mit Gefahr gleichzusetzen.

Das schneidet elementare Fragen diverser Themenkomplexe (inklusive der spekulativen Antworten) an, mit denen sich auseinander zu setzen höchst spannend ist, weil es nur ein Mindestmaß an Vertrauen in Technologie bedarf, um sich vorzustellen, dass diese Probleme irgendwann keine Science-FICTION mehr sein werden. Was wird evolutionär die nächste Stufe nach der Menschheit sein? Wird diese Lebensform sich schlagartig oder schleichend entwickeln? Wird sie gar künstlich durch uns erschaffen werden (und wie werden wir dann REAL damit umgehen)? Aus letzterer Frage heraus entspringen weitere Fragen, die vielleicht eher ins Philosophische abdriften: Ist unter Evolution nur all das zu verstehen, was auf natürlichem Wege in der Geschichte des Universums passiert ist? Oder ist, da die Evolution UNS zu einem Punkt geführt hat, an dem unsere Intelligenz mittel- bis langfristig der Grundstein für neue Formen des Lebens sein wird, unser potentieller Eingriff in die Entwicklung des Lebens genauso natürliche Evolution. Ist vielleicht natürliche Evolution an ihre Grenze gekommen und muss nun künstlich fortschreiten, womit dies ja doch wieder der natürliche, im Sinne von “von der Natur verursachte”, nächste Schritt wäre, weil die Natur uns an den Punkt geführt hat eingreifen zu können?

Wenn man Evolution per Definition als die Entwicklung einer Spezies aus einer anderen heraus betrachtet, könnten diese Gedanken durchaus hinkommen – nur dass eben nicht Mutation, sondern Kreation dahinter stecken wird. Und überhaupt schwingen bei der Betrachtung einer künstlichen Intelligenz (welcher Form auch immer) allerlei Eitelkeiten, Unsicherheiten und Empfindungen mit. Werden die Menschen bereit sein, eine intelligente, aber körperlose Lebensform zu akzeptieren? Vielleicht sogar als gleichwertig? Und wie militant werden gewisse Strömungen versuchen den Menschen an der Spitze der Pyramide zu bewahren – auch mit Waffengewalt.

Fragen über Fragen, die ich entweder in den Film projiziere, weil ich sie mir sowieso schon oft gestellt hatte, oder die TRANSCENDENCE tatsächlich irgendwie streift und somit trotz Makeln etwas zu bieten hat. Was davon zutrifft, kann ich nicht sagen und dass ein Film wie HER all dies 2014 quasi zeitgleich, aber tausendfach klüger und hunderttausendfach weitsichtiger behandelte, steht ausser Frage aber trotzdem mochte ich einiges an TRANSCENDENCE. Der Film hätte etwas großes werden können. Zwei bis drei Überarbeitungen des Drehbuchs, ein anderer Hauptdarsteller und etwas mehr eigene Vision in der Inszenierung und wir hätten einen richtig guten Film bekommen. Hätten. Reichlich verschenktes Potential. Das macht es irgendwie doch ein bißchen ärgerlich.


Wertung
5 von 10 neuronalen WiFi-Netzen


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
Kaufen (falls ihr das Amazon-Widget nicht seht, wird dies von eurem Ad-Blocker gekillt):

4 Gedanken zu „Film: Transcendence (2014)“

  1. “Unterirdische Anti-Leistung” – Das ist eine sehr schöne Zusammenfassung von Johnny Depps Schauspiel. Diese Formulierung werde ich mir beim nächsten James Franco-Film mal ausborgen. Gerade im direkten Vergleich mit z.B. EX MACHINA sieht man einfach, dass es nicht immer große bekannte Schauspieler braucht, sondern einfach nur ein gutes, schlaues Drehbuch. Ich finde es immer noch furchtbar, dass Depp 20 Millionen Dollar für dieses Machwerk bekam. Das entspricht 15% (!!!!) des Gesamtbudgets.

    Hier meine Review zu TRANSCENDANCE: https://filmkompass.wordpress.com/2014/04/27/transcendence-2014/
    P.S. Zu HER und EX MACHINA habe ich auch Kritiken geschrieben. Einfach mal durchklicken.

    1. Ja, so unmotiviert wie Depp hier, kam mir lang kein Darsteller vor – erst recht niemand, der dafür 20 Millionen Dollar bekommt. Wenn man vergleicht, dass für das Geld fast zwei Mal EX MACHINA gedreht werden könnte, ist das schon ein herber Kloß im Hals…

    1. Das ist sie. Aber der Film ist wirklich sehr unausgereift. Gute Ideen, gute Denkanstöße, katastrophale Dialoge und Figuren, kaum nachvollziehbare Handlungen. Effekte passen, Stimmung so weit auch. Schwerer Kandidat, ich weiß echt nicht, ob ich den trotzdem empfehlen, oder vehement abraten würde…

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