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Film: Titanium – Strafplanet XT-59 – Vychislitel (2014)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Ascot Elite Home Entertainment


Fakten
Jahr: 2014
Genre: Dystopie, Space, Science-Fiction, Survival
Regie: Dmitriy Grachev
Drehbuch: Dmitriy Grachev, Aleksandr Gromov
Besetzung: Evgeniy Mironov, Irene Muskara, Vinnie Jones, Aleksey Kolubkov, Kirill Kozakov, Vladas Bagdonas, Sergey Chikhachyov, Anna Chipovskaya, Linda Nigmatullina, Nikita Panfilov
Kamera: Ivan Gudkov
Musik: Aleksey Aygi
Schnitt: ?


Review
Fallen die zwei Begriffe Russland und Kino in einem Satz, womöglich noch mit fragendem Unterton, resultiert daraus bei den meisten Menschen nur betretenes Schweigen. Zwar springt Hardcore-Cineasten sofort der Name Andrei Tarkovski in den Sinn, Freunden von mit Hollywood anbiederndem Effekt-Kino dürfte eventuell auch noch der vor etwa einer Dekade erschienene, groß beworbene (und dann sogar ganz gut funktionierende) WÄCHTER DR NACHT ein Begriff sein, doch ansonsten herrscht Ebbe. Es schwappt einfach, selbst in die höchst Film-interessierte Wahrnehmung, abseits von Festival-Beiträgen so gut wie gar nichts zu uns hinüber. Kinostarts lassen sich jedes Jahr wieder an einer (halben) Hand abzählen und die spannende Frage “wie funktioniert eigentlich der russische Film?” bleibt unbeantwortet im Raum stehen. Was bewegt russische Filmemacher? Was wollen sie erzählen (und vor allem kritisieren)? Mit welchen Restriktionen haben sie zu kämpfen? In einem derart diversen, einen halben Kontinent umspannenden Land, wartet sicher einiges auf Entdeckung. Spannend gestaltet es sich also, mal einen Blick zu riskieren, wenn (vereinzelt) sogar straightes Genre-Kino den Sprung in unsere Lande schafft, denn dessen Umsetzung benötigt unter Umständen weit umfassendere Mittel (bzw. etablierte Produktions-Routinen) als erzählerisches Autorenkino – letzteres lässt sich (von politischen Problemen mal Abgesehen) weltweit mit einer Kamera und erzählerischem Drang erschaffen, aber Genrefilme, speziell Space-Science-Fiction, brauchen Kulissen, Effekte, etc.

Ganz offensichtlich standen TITANIUM, der von Russia Television (also wahrscheinlich nur für die TV Auswertung) produziert wurde, gemessen an internationalen Standards nicht exorbitant viele dieser Mittel zur Verfügung, denn im Resultat liegt ein sehr minimalistischer, über weite Teile von der Wirkung seiner (gelungenen) Kulissen getriebener Film vor, der zwar die eine oder andere reine CGI-Sequenz am Start hat, seine Möglichkeiten aber mit Bedacht einsetzt. Sagt er denn (vermeintlich) etwas über das russische Kino? Nein. Ohne diese Beobachtung werten zu wollen, fällt doch auf, dass sich Regisseur Dmitriy Grachev stark an den etablierten Genre-Standards (und das meint leider in Bezug auf Space-Inszenierungen US-Standards) entlang hangelt, von Figuren-Tropes bis zur unnötigen Love-Story die meisten Stolpersteine mit nimmt und so einen Film liefert, der in so gut wie jedem Land der Welt gefilmt sein könnte – besonders die grobe Prämisse (eine Gruppe Leute wird von einem totalitären Regime zur Bestrafung in eine interstellare Wüste geschickt, muss ums Überleben kämpfen und sieht nach und nach die Möglichkeit, vielleicht gegen Ende sogar des gesamte System zu stürzen) dürfte durch einige Hollywood-Streifen der jüngeren Vergangenheit die Erkennungs-Glocken klingeln lassen.

Im Genre-Kino stellt das jedoch kein Problem dar, denn die wichtigere Frage ist: wie stilvoll setzt ein Filmemacher altbekanntes um und wie hoch ist die Masse an Stolpersteinen, die er auf dem Weg mitnimmt? Die Antwort liegt hier irgendwo zwischen den Stühlen: Von der Wirkung der kargen, unwirtlichen Steinwüste her, die der Trupp Verurteilter durchqueren muss, ist TITANIUM (partiell) großes Kino. Das Ganze sieht nach verfremdeten Original-Schauplätzen (mit deftigem Farbfilter) und digital ausgetauschten Himmeln aus und man wusste das Potential dieser (vorliegenden?) Landschaften anscheinend sehr genau zu nutzen. Ein gnadenloses Setting, welches eine enorme Trostlosigkeit vermittelt und wenig Zweifel lässt, dass der erzwungenen Trip dieser zum Sterben verdammten Menschen mit großer Wahrscheinlichkeit ins bittere Verderben führen wird.

Durchwachsen gestalten sich die visuellen Effekte. Unbelebte, starre Objekte sind auf einem Level animiert, das problemlos mit sämtlichen B- und sogar einigen minderwertigen A-Produktionen Schritt halten kann. Die sporadisch (und rein zu Optik-Zwecken) gezeigte Regierungs-Stadt des weit entfernten Planeten irgendwo im All, die Operationszentrale der knallharten Militärs, etc. wissen visuell zu überzeugen, auch wenn sie zweifellos als Werk des Computers zu entlarven sind. Für einen so kleinen Film exzellent. Problematischer hingegen gestalten sich lebendige, bewegte Objekte. Glücklicherweise nicht allzu oft treffen die Wanderer im Grau der moorigen Endlosigkeit auf bizarre Lebewesen, die ihre Tentakel aus dem Boden strecken, um sich ein wenig leckeres Menschenfleisch einzuverleiben. Bleiben diese nur angedeutet, bleibt auch die Wirkung aufrecht, fangen sie jedoch an sich zu bewegen, anzugreifen, zu kämpfen, lässt im kleinen Maßstab leider SHARKNADO grüßen.

Endgültig holprig gestaltet sich das (nicht gerade unwichtige) Segment von Figuren und Storytelling. Im Set-Up und World-Building verlässt man sich leider auf die ausgelutschteste aller Expositionen: Der erklärende Off-Kommentar. Worum geht es, was passiert, wie fühlt sich die weibliche Hauptfigur Mariya? All dies wird uns anfangs (und immer wieder im weiteren Verlauf) lediglich erzählt. Nachdem sie und der Mathematiker Ervin sich schnell vom Rest der Gruppe (die von einem diabolischen, russisch synchronisierten Vinnie Jones malträtiert wird) separiert haben, gelingt immerhin eine passive (meint: ohne Off funktionierende) Charakterisierung Ervins – der Mann wird bis ins Letzte als Logiker, Rationalist und Vorausdenker etabliert, seine Beweggründe (Kritik und Wut auf das System) erscheinen recht klar und so wirkt seine Figur stringent. Mariya bleibt jedoch völlig vage – schwierig, soll sich doch als zweites Standbein der Geschichte vor allem auf persönlicher Ebene zwischen den zweien etwas abspielen. Da man nicht so recht weiß, mit wem man es an ihrer Stelle zu tun hat wirken einige Aussagen der Figur (beziehungsweise eine gesamte Richtung die der Film einschlägt) leicht befremdlich. Klar, hier wird sich an etablierter „Starker Mann schleift schwache Frau durch das Abenteuer“-Mechanik orientiert, doch Aussagen wie „wir Frauen sind komisch, eben noch hielt ich unseren Weg für eine Reise in den Tod, doch dann kommt ein starker Mann und plötzlich glaube ich daran“ wirken in 2015 eben doch recht deplatziert. Die schwächelnde Frau, der rettende Held und zu guter Letzt auch noch eine absurd deplatzierte Liebesgeschichte – danke Hollywood, dass du diese Klischees weltweit als Pflicht etabliert hast.

Ob man das dem Film zum Vorwurf macht, dass er als waschechte Dystopie angelegt, in der Ausführung aber eher am Survival-Aspekt interessiert ist, bleibt Geschmackssache – einige recht holprige Seitenhiebe auf den Staatsapparat verteilt Grachev schon, zwischendurch zieht das Tempo heftig an, echte Spannung kommt auf und so liegt im Ergebnis ein durchwachsener Weltraum-Dystopie-Survival-Thriller vor. Schlägt sich in Anbetracht der Größe dieser produktion passabel, ist weit entfernt von perfekt, mit 80 Minuten aber kurz genug, um ihn als Blick über den Film-Nationen-Tellerrand mal mit zu nehmen. Kann man machen, muss man nicht.


Wertung
5 von 10 steinigen Tentakel-Monstern


Veröffentlichung
TITANIUM ist bei Ascot Elite Home Entertainment als BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Trailer. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

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