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Fakten
Jahr: 2014
Genre: Rachethriller, Drama
Regie: Jeremy Saulnier
Drehbuch: Jeremy Saulnier
Besetzung: Macon Blair, Devin Ratray, Amy Hargreaves, Kevin Kolack, Eve Plumb
Kamera: Jeremy Saulnier
Musik: Brooke Blair, Will Blair
Schnitt: Julia Bloch
Review
Ben: “Don’t think that only because I’m helping you I think it’s good what you’re doing. It’s ugly man!”
BLUE RUIN ist ein Exemplar einer seltenen Gattung – einer der wenigen Filme, die von der ersten bis zur letzten Sekunde eine unangenehm-heftige, den festen Würgegriff nicht einen Moment lockernde Beklemmung in mir verursachten. Nicht ganz so unangenehm zu schauen, wie beispielsweise IRRÉVERSIBLE, aber dennoch die selbe Liga: Werke, die die widerliche Sinnlosigkeit von Gewalt nicht nur zeigen, sondern körperlich erlebbar machen – Nebenwirkungen wie Übel- und Bitterkeit bleiben nicht aus.
Die formelle Brillanz, mit der Jeremy Saulnier einen Blick in eine Welt, in der es sich für NICHTS mehr zu leben lohnt gewährt, lässt keine Zweifel an seiner Erfahrung (und Qualifikation) als Kameramann aufkommen. Kühl, fast schon dokumentarisch-steril porträtiert er einige Tage eines Daseins, dessen Antriebsflamme schon vor Jahren erloschen ist. Falsch: AUSGELÖSCHT wurde. Durch Gewalt. Dwight’s Familie ist Opfer dieser Gewalt geworden und auch wenn es nicht sein Leben gewesen ist, welches körperlich beendet wurde, so hat der Tod dennoch in vergleichbarem Maße seinen Lebenswillen getroffen. Nichts mehr da, nur noch eine emotionale Talfahrt ohne Notbremse und erkennbaren Boden.
Das einzige was Dwight in seinem abgewrackten Zustand noch am Leben zu halten scheint, ist ein Parasit in seinem Hinterkopf (oder wie er selbst vielleicht sogar denkt: in seinem Herzen): Rache. Rache an dem Mann, der ihm und seiner Schwester grausames angetan hat. Als er die Nachricht erhält, dass dieser Mann nun seine Haftstrafe verbüßt hat, erwacht er plötzlich aus seiner Zombie-artigen Lethargie und beginnt sein Werk. Die letzte Tat geplant und ausgeführt. Doch was danach kommt, scheint so wenig wichtig wie der Dämmerzustand davor zu sein. Hat Dwight die Illusion von Erlösung vor Augen gehabt? Schwer zu sagen, doch viel wichtiger ist, was BLUE RUIN uns unterm Strich über die Rache erzählt: Es gibt die Erlösung nicht. Keine Genugtuung, kein Glücksgefühl, kein FRIEDEN. Nein, sie führt einzig auf eine Abwärtsspirale ins Nirgendwo. Gewalt schafft mehr Gewalt und am Ende profitiert niemand davon.
Dwight: “It’s strange isn’t it? My father loved your mother and the only thing it brought us, is that we are all going to be dead now.”
Ein Gefühl für die transportierten Inhalte erzeugt Saulnier in BLUE RUIN durch eine Mischung aus offenkundiger Handlung – brutal-intensive Momente schaffen spielend einen nicht selbstverständlichen Spagat: Da von Anfang an klar ist, wie falsch und schockierend die gezeigte Gewalt ist, generiert der Film ohne sie unterhaltend auszuschlachten eine beißende, fiebrige Spannung – wie auch auf passivem, inszenatorischen Wege. Die weiten, kargen Landschaften des amerikanischen mittleren Westens spiegeln gekonnt den seelischen Zustand des Protagonisten, dieser vermittelt seine nihilistische Apathie schauspielerisch auf den Punkt und die klinische Atmosphäre schafft genügend Distanz um zu erkennen, wie die Folgen der Gewalt einen Menschen gänzlich ausgebrannt haben.
Trostlos und alles andere als lebenswert ist diese Welt, in der es egal ist, ob etwas Sand in die Zahnräder des Lebens gerät. Oder einer der Zähne abbricht. Und vor Allem: ob eine Ölung das ganze noch retten kann. Es zählt nicht, ob die Maschine mit einem lauten Knall gen Himmel, oder eher gen Hölle fährt, denn zu viel ist bereits passiert, als dass Dwight noch daran glauben würde, seine eigenen Zahnräder wieder flüssig zum Laufen zu bringen. Dieser Zug ist bereits vor Jahren abgefahren, als Rache seine Eltern tötete. Und so kommt es mit ehrlicher Konsequenz, wie es kommen muss: Noch mehr Rache schafft noch mehr Leid. Die Gewalt hatte bereits mehrere Leben zerstört, noch mehr Gewalt wird noch mehr Leben zerstören – ein bestialischer Kreislauf der Sinnlosigkeit, der sich in seinen Folgen niemals ändern wird.
Ein höchst beklemmender Film, der gekonnt frei legt, dass nach Abzug des Hollywood-Faktors von realer Gewalt nur noch ein zutiefst abstoßender Kern übrig bleibt.
Wertung
8 von 10 sinnlosen Racheakten
Veröffentlichung
BLUE RUIN ist bei Ascot Elite Home Entertainment als BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich Trailer. Die Discs kommen im Wendecover.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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Ein Gedanke zu „Film: Blue Ruin (2014)“