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Film: Black Mass (2015)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Warner


Fakten
Jahr: 2015
Genre: Gangsterfilm, Biopic, Thriller
Regie: Scott Cooper
Drehbuch: Mark Mallouk, Jez Butterworth (Roman: Dick Lehr & Gerard O’Neill)
Besetzung: Johnny Depp, Benedict Cumberbatch, Dakota Johnson, Joel Edgerton , Kevin Bacon , Peter Sarsgaard, Jesse Plemons, Rory Cochrane, David Harbour, Adam Scott , Corey Stoll, Julianne Nicholson
Kamera: Masanobu Takayanagi
Musik: Junkie XL
Schnitt: David Rosenbloom


Review
Der Aufstieg und Fall eines gnadenlosen Gangsterbosses in einer durch und durch grauen, emotional versteinerten Welt. Boston als Mikrokosmos, in dem Mafia, Ermittler der Bundesbehörden und Politik untrennbar ineinander verzahnt sind. Ein stetiger Wandel durch die Epochen, der uns vor allem an einem bestimmten Vorgang im Protagonisten teilhaben lässt: dem Erlöschen des letzten Fünkchens Menschlichkeit. Das ist BLACK MASS. Oder präziser: dies sind Fragmente an denen wir in BLACK MASS in Form kurzer Stops einer linear verlaufenden Reise ohne Umwege vorbei treiben. Keine Überraschungen – inszenatorisch ist Scott Cooper’s dritter Film wohl so gewöhnlich wie nur vorstellbar geworden.

Wir begleiten Whitey Bulger, einen Menschen der real existiert und tatsächlich über Jahrzehnte maßgeblich die Strippen der irischen Mafia in Boston zog, in einigen Epochen seines Lebens, wohnen maßgeblichen, einschneidenden Ereignissen bei, finden uns nach Zeitsprüngen ein paar Jahre später wieder und sind Dank eines allwissenden Erzählers (den ehemalige Komplizen durch Erzählungen aus dem Off verkörpern) sowohl auf Seite der Kriminellen, als auch in den Büros des F.B.I. immer über alles informiert. Unter diesem Gesichtspunkt ist BLACK MASS sowohl gemütliches Crime-/Thriller-, wie auch aller-ödestes Biopic-Kino vom Reißbrett – erzählerische Innovation, scheint ganz sicher nicht Cooper’s Intention gewesen zu sein.

Bei der Stange hält die langsam voran schreitende Biografie des Gangsterbosses zwar die meiste Zeit, doch stellt sich zunehmend die Frage nach dem “warum”. Was sah Cooper in dieser Geschichte, dass ihn motivierte Bulger’s Story auf die Leinwand zu bringen? Und was will er uns über dessen beachtliche Kaltblütigkeit und die ungewöhnlich intensive (wenn auch in THE DEPARTED bereits hinreichend ausgelotete), inoffizielle Verzahnung von F.B.I. und Iren-Mafia hinaus erzählen? Was soll man, abseits der massiven Beklemmung aufgrund der heftigen, angemessen abstoßend inszenierten Gewaltspitzen aus dem Kino mitnehmen? Dass mit den richtigen Helfern im Rücken auch das F.B.I. jahrelang an der Nase herum geführt werden konnte? Dass ein Alcatraz-Aufenthalt irreparabel verrohen lies, statt zu resozialisieren? Schwer zu sagen, denn trotz der detailverliebten, authentisch anmutenden Welt des damaligen, schmierig-heruntergekommenen Bostons und den starken Darsteller-Leistungen bleibt der Film immer ein Stückchen zu ungreifbar, ein Quäntchen zu weit auf Distanz.

Außergewöhnlich ist: Johnny Depp darf trotz Kontaktlinsen und falscher Haut mal wieder mehr als einen kostümierten Freak verkörpern und schafft in überraschender Brillanz – man hat es fast schon vergessen, wie viele dieser Mann auf der Leinwand bewirken kann – schauspielerische Momente von höllischer Intensität, die nicht Kasperle-Theater, nicht Kostüm-Ball und auch nicht schrille Farce sind. Mit dem nötigen Feinschliff gelingt es ihm passagenweise, tiefe Einblicke in die eiskalte Seele eines zerbrochenen Mannes zu liefern, der lange Zeit im ungewöhnlichen Spannungsfeld zwischen liebendem Vater und skrupellosem Mörder gefangen war – verstehen tut man ihn dennoch nicht. Innerlich erst gänzlich verfallen, macht Bulger sich vor, es zähle nur Loyalität, “Blut sei dicker als Wasser“, doch zögert im entscheidenden Moment nicht einmal davor, den Liebsten seiner Kriminellen Mitstreiter das Leben zu nehmen. Die Menschen, denen ER loyal sein müsste leiden zu lassen.

Depp’s Spiel steht stellvertretend für eine Tendenz, die vielleicht den eigentlichen Kern von BLACK MASS bildet: Das eigentliche Drama spielt sich in den Gesichtern der Figuren ab. Vom Leben gezeichnete, heruntergekommene Männer beobachten Bulger mit schweren Blicken, in denen eine verschreckte Distanz mitschwingt, die nur vage erahnen lässt welch unangenehme Mischung aus Respekt und Angst in ihnen mitschwingt. Ein Freund war dieser Mann nie, immer nur ein Boss der gefährlichen Sorte. Es gibt Momente, in denen eine einzige Einstellung, ein einziger Gesichtsausdruck mehr sagt als ganze Szenen es könnten – selten findet Cooper die kraftvollen Bilder, aus denen großes Kino entwächst. Doch warum nur behält er den Fokus nicht? Warum lässt er uns nicht hinter diese Kulissen blicken – dahin wo spannenderes als eine gewöhnliche Gangster-Geschichte warten würde? Wo Zerrissenheit zwischen Loyalität und Hass gegenüber einem Boss, der Heilsbringer wie Teufel war, gewartet hätte. An diese Orte wagt sich Cooper nicht und das ist schade, denn so lässt BLACK MASS nie die nötige Bindung zu, um wirklich mitzufühlen und ist nicht mehr als außerordentlich schickes und doch irgendwie leeres Kino.


Wertung
5 von 10 versteinerten Stadtvierteln


Veröffentlichung
BLACK MASS ist am 15. Oktober im Verleih von Warner in den deutschen Kinos angelaufen und wird im Februar 2016 bei Warner Home Video als BluRay, VoD und DVD erscheinen.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

4 Gedanken zu „Film: Black Mass (2015)“

  1. “so lässt BLACK MASS nie die nötige Bindung zu, um wirklich mitzufühlen und ist nicht mehr als außerordentlich schickes und doch irgendwie leeres Kino.” – Exakt! Wir sind uns mal wieder einig. Mir fehlte auch irgendwie eine Identifikationsfigur – was für mich persönlich aber häufig ein Problem bei Mafia-Geschichten ist…

    1. …und das wirklich traurige: einige der Charakter-Momente hatten es in sich. Mehr davon und der Film hätte eine echte Intensität aufbauen können. Zwar wäre das stark in Genre-Richtung gedriftet, aber hätte wohl besser funktioniert.

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