Archiv der Kategorie: (Un)gesundes Mittelmaß

Filme, Serien und Dokus, die ich mit 4-6 Punkten bewerte.

#52FilmsByWomen 2020 #31 – New York City Girl (SMITHEREENS)

Titelbild © by Criterion Collection

Moin, zusammen! Ich hoffe Ihr seid gut in 2021 gekommen und wir alle bekommen ein weit weniger Virus-lastiges, dafür aber Kultur-reicheres neues Jahr.

Los geht es hier direkt mit einem Sequence-Breaker. Ja, richtig, alles gut, ihr könnt noch zählen, auch 2 Tage nach Silvester folgt auf die #6 nicht die #31. Aber da ich Review 1-30 bereits im Laufe des Jahres geschrieben und auf Letterboxd veröffentlicht hatte, gehe ich hier jetzt in einen freien Mix-Mode über und veröffentliche alles einfach wild durcheinander. Wahrscheinlich bin ich sowieso der Einzige, dem es auffällt (kleinen Chronologie-Spleen habe ich halt). Um den Überblick zu behalten, habe ich jetzt trotzdem eine Übersichtsseite erstellt. Have Fun!

#31: Smithereens Susan Seidelman

Wren, die Protagonisten in Susan Seidelmanns 1982er Underground-Film SMITHEREENS, wird gleich zu Beginn auf effektive Art charakterisiert. Wir sehen, wie sie flink über die Absperrungen der New Yorker U-Bahn klettert, sich betont cool gibt und ein wenig herum prollt, arrogant und genervt auf ihr Umfeld reagiert und alsbald beginnt die Wagons mit Promo-Postern zu zu kleistern. Auf diesen Postern abgebildet: sie selbst. Ein Foto, ein Name, ein Datum – keine weitergehende Informationen. 

Alles was wir über Wren wissen müssen, ist damit gesagt: Sie ist tough, von sich überzeugt und lässt sich nicht sagen, sie hat Wirkung und nutzt diese für ein betont lautes, sich in den Vordergrund drängendes Auftreten. Ungeklärt bleibt jedoch (noch) die Frage, was genau sie zu über dieses Auftreten hinaus zu bieten hat. Warum es sich lohnen sollte, ohne Vorstellung davon worum es geht, auf ein Event zu gehen, auf dem sie etwas tut?

Diese anfängliche Neugier auf den Menschen hinter der coolen New Yorker Hipster-Punk-Fassade, die Fragen dazu, wer sie wohl ist und was sie wohl im Kern ausmacht, werden bald von einer starken Ernüchterung abgelöst: Wren kann nämlich, abseits fragwürdiger Qualitäten wie “sich auf Drinks einladen lassen” oder “sich in fremden Wohnungen breit machen” absolut nichts. Und doch (was den Film, welcher Anfang der 80er entstanden ist, gerade in den heutigen Zeiten relevanter denn je macht) ist sie der Meinung, dass ihr bereits aufgrund ihres Seins, ein Stück vom großen Fame-Kuchen zustehen würde.

“Kommt, um mich zu sehen” – Wren möchte den Prototypen des IT-Girls darstellen. Ihr ausgeprägter Narzissmus lässt sie glauben, dass Leute dies wirklich tun würden, eine ebenso ausgeprägte “Fuck Everything”-Punk-Attitude hilft dabei die Gründe für ihr baldiges Scheitern bei den Spießern und Idioten um sie rum zu suchen.

Auf ihrer weiteren Reise durch das (hochgradig faszinierende), einem Drecksloch gleichende New York der frühen 80er, benimmt sich Wren, wie ein ekelhaftes Arschloch. Um mit der Brechstange berühmt zu werden, nutzt sie jede Person in ihrem Umfeld, die ihr auch nur noch ein Fünkchen wohl gesonnen war, bis ins Letzte aus, verwechselt asoziale Kantigkeit mit Coolness (oder vielleicht einer verzerrten Idee von unnahbarem Stardom), doch weiß leider im Kern nicht, wozu das alles gut ist. Ihre Tough-Chick-Fassade beginnt zu bröckeln und legt einen Blick auf eine unsichere und orientierungslose junge Frau frei, die absolut keinen Plan hat, wo es im Leben hin gehen könnte.

Aufgrund dieses Aspektes wirkt SMITHEREENS als Kind der New Yorker No-Wave Bewegung regelrecht prophetisch. No future – erstmalig haben sich (einst unumstößliche ) Zwänge bzgl. des gesellschaftlichen Funktionierens, des alternativlosen mit-dem-Strom-Schwimmens, für eine gesamte Generation völlig aufgelöst, und der zuvor seit Jahrhunderten bestehende Druck zu funktionieren, ist einer lähmenden Freiheit gewichen. Lähmend, denn alles tun zu können birgt zwar unendliche Möglichkeiten, aber bietet eben auch das Modell sein Leben lang gar nichts zu tun, was retrospektiv sicher dazu beitrug die Slacker-Kultur zu formen.

Verlorenheit in ziellosem Drift, doch, weil eine*r aus einer Million es geschafft hat, trotzdem getragen von der Hoffnung, auch ohne jegliches eigenes Zutun zu Geld und Ruhm zu gelangen. Ganz konträr zum noch wenige Jahre zuvor uneingeschränkt gültigen, wenn auch seit jeher verzerrten und verlogenen Modell des American Dreams.

Und ohne zu viel des Films, welcher in seiner Erzählung ebenfalls stark vor sich hin wabert und driftet, vorwegzunehmen, kann gesagt werden, dass sich die Klimax ihres Werdegangs genauso stark den klassischen Hollywood-Märchen verweigert, wie das Lebensmodell ihrer Figur dem angesprochenen American Dream. SMITHEREENS möchte nicht die Underdog-Gewinnerstory erzählen, sondern funktioniert eher als Slice-of-Life-Stück über das in der Realität hundertausendfach so ablaufende Scheitern in der Gewöhnlichkeit.

Schmutz und Ausweglosigkeit, verletzte Gefühle, insgesamt also keine heile Welt, weder in Wrens Leben, noch in den Bildern, die Seidelman uns in SMITHEREENS vorsetzt. So dreckig, an manchen Ecken regelrecht einem Kriegsschauplatz gleichend, wie sich die Kulisse des New Yorks in den späten 70ern, vielleicht frühen 80ern darstellt – der Film ist eine fantastische Zeitkapsel, voller Bilder und Momente, an denen man sich, gewöhnt an die hohlen Hochglanzbilder in der Popkultur, gar nicht sattsehen kann – gestaltet sich auch seine Pointe.

Aufgrund der zerfaserten Erzählung hat mich der Film unterm Strich zwar gar nicht durchweg abgeholt, jedoch lohnt es sich allemal, diesen ungeschönten Blick in eben die New Yorker Ecken zu werfen, welche der Lauf der Zeit gern in Vergessenheit geraten lassen würde.

#52FilmsByWomen 2020 #6 – iHuman

Titelbild © by UpNorth Film

#6: iHuman von  Tonje Hessen Schei

iHuman ist eine einseitige Doku über den aktuellen Status der künstlichen Intelligenz, die den Zuschauer*innen konstant vermitteln will, dass K.I.-Forschung das Schlimmste ist, was der Menschheit passieren konnte. Um diesen Punkt zu machen, setzt sie uns Zitate und Interviews vor (gut), beschreibt wirtschaftliche und politische Zustände (auch gut), aber verplempert (mindestens) die Hälfte der Zeit mit sinnbefreiten, einzig zum Setzen einer apokalyptischen Stimmung dienenden, 3D-Visuals. 

Nicht gut. 

Das Gezeigte skizziert stark die Nutzung von fortgeschrittener Technologie durch Regierungen zur Überwachung, sowie unser aller freiwillige Transformation zum gläsernen Bürger, was insgesamt vor allem dem Zweck dient, dass Companys ihre Werbeeinnahmen maximieren. Krasse Zustände und natürlich wahr, plus sehr bedenklich – all dies sind Tendenzen die uns zeigen, dass wir bereits, ohne jegliche Gegenwehr, mit einem Fuß in einer Dystopie stehen, wie sie sich Orwell nicht hätte ausmalen können. 

So weit verstanden. Aber über diesen Punkt kommt iHuman nicht hinaus. Als Doku über K.I., darüber was sie uns als Menschheit bringen könnte, was sie uns hoffen und träumen lässt, warum man also überhaupt an ihr forscht, scheitert der Film völlig. Denn die Dokumentation zeichnet kein umfassendes Bild, sondern ist eindimensional auf die negativen Entwicklungen und Möglichkeiten fokussiert. So stark, dass sich ohne Vorkenntnis der Thematik schnell die Frage aufdrängt, warum es diesen Zweig der Wissenschaft und Technik überhaupt gibt… wenn das alles doch so ungemein schrecklich ist und uns zwingend ins verderben stürzt?

Ich habe mich damit bereits (oberflächlich) befasst, kenne die Pro-Argumente, halte diese für ebenfalls sehr stark und verstehe wieso es einen krassen Antrieb für die Forschung gibt. Träume eines medizinischen Utopias, sich selbst lösender mathematischer Probleme, der Lösung unserer globalen Energiekrise, und noch viel mehr stehen im Raum. Diese Sicht und Hoffnung vermisst man in iHuman vollständig – mal fällt eine Erwähnung im Nebensatz, ansonsten ist davon schlichtweg gar nicht die Rede. Der Film suggeriert: “wir forschen ausschließlich, weil die bösen Wissenschaftler zu neugierig sind, weil Systeme digitale Tools für ihren Totalitarismus brauchen und Google Geld den Hals nicht voll kriegt”

Und das ist a) falsch und reicht b) nicht. Nicht mal zum Thinkpiece, oder zur essayistischen Doku-Kampfschrift, denn gar nicht auf all die Hoffnungen, die man in K.I. steckt und die regelrecht utopischen Gedanken, die mit den pro-Argumenten in Richtung A.G.I. (oder sogar A.S.I.) einhergehen einzugehen, geht in etwa damit einher zu behaupten, Kernspaltung wurde ausschließlich erforscht und entwickelt, um die Atombombe zu bauen. 

Selbst wenn die Autorin sich mit dem Thema umfassend befasst hat und dabei zum guten alten fortschrittsfeindlichen Fazit “Science: Bad!” gekommen ist, hätte man diese Seite der Medaille sehr gut in den ca. 50% der Laufzeit, welche mit nerviger 3D Animation belegt sind, zeigen können. Interessant wäre gewesen, warum Frau Schei die Pro-Argumente für nicht haltbar einstuft, nicht sie einfach größtenteils zu verschweigen.

Insgesamt ist iHuman eine, unter dem Dystopie-Aspekt, einigermaßen gelungene Beschreibung real existierender düsterer Entwicklungen, welche erst durch moderne Technologie ermöglicht wurden. Die Aussagen dazu sind richtig, das Gezeigte kritisch zu reflektieren wichtig und gut, aber die Zielsetzung des Films scheint viel zu stark ge-spin-doctort, um mit aller Kraft die anscheinend enorm ablehnende Haltung der Filmemacherin zu untermauern.

Film geschaut: Assassin’s Creed (2016)


Assassin’s Creed (IMDb) – Videogame-Adaption/ActionUSA, 2016 – Regie: Justin Kurzel – Copyright (Titelbild, Bildausschnitte, Trailer): 20th Century Fox


Review
Es ist schon irgendwie bezeichnend, dass besonders auf den wenigen Blockbustern, deren Form von einem unübersehbaren eigenen Ansatz durchzogen ist (zuletzt vor allem BATMAN V SUPERMAN und eben dieses Exemplar hier), von der Allgemeinheit am meisten herum gehackt wird, wogegen gewöhnlich-gefälliger MARVEL-Grützen-Brei ein ums andere Mal wieder in den Himmel gelobt wird. Hauptsache Humor, alles andere ist egal, solange es bitte schön einheitlich und immer dasselbe ist, damit auch jeder damit klarkommt – wo soll das denn hinführen, wenn der 99. von 100 Filmen plötzlich anders aussieht und es auch noch wagt, keine knuffigen Gags zu bringen. Wem ist das zuzumuten? Abwechslung? Also jetzt wird es langsam zu bunt! Und wer hat Schuld? Diese schrecklichen Regisseure, die von morgens bis abends von ihrem Kunst-Gewäsch faseln und denken es sei gut, wenn nicht alles dasselbe ist. Wenn wir eins nicht brauchen, dann diese komische Kunst und diese noch komischere Abwechslung. Film geschaut: Assassin’s Creed (2016) weiterlesen

Film geschaut: Morgan (2016)


Morgan (IMDb) – Science-Fiction/Thriller, USA, 2016 – Regie: Luke Scott, Skript: Seth W. Owen, Kamera: Mark Patten, Musik: Max Richter, Copyright (Titelbild, Bildausschnitte, Trailer): 20th Century Fox


Review
Ich habe, da kann ich nichts machen, immer einen kräftigen Grundstock an Sympathie für (an Hollywood gemessen) kleine Genre-Filmchen, die sich auf potentiell ertragreichen Gebieten der Sci-Fi austoben. Erst recht, wenn auch noch starke Darsteller mit einem gewissen Namen mitmachen und somit die oft hinkende Komponente der dürftigen Darstellungen in B- und kleinen Filmen als potentieller Störfaktor wegfällt.

So geschehen in MORGAN (oder wie man in Deutschland titelte: DAS MORGAN PROJEKT) – bis auf Kate Mara macht sich der Rest der bekannteren Gilde (meint: Paul Giamatti & Jennifer Jason Leigh) zwar eher in Nebenrollen rar, was man von ihnen zu sehen bekommt ist jedoch einsame Spitze. Während Leigh als verwirrtes Opfer der Eröffnungsszene das Bett hüten (und dabei kryptische Monologe halten) muss, rasiert besonders Giamatti in seiner Schlüsselszene – einem Interview mit der titelgebenden Morgan zur Einschätzung ihrer Zurechnungsfähigkeit – mit diabolischer Intensität. Was für ein Darsteller. Und auch sonst liefert die Besetzung ab – so sehr Kate Mara in ihrer kühlen Business Suit auch fehl am Platz wirkt, gleicht dies die fantastische Anya Taylor-Joy als besagter genetisch modifizierter Retorten-Mensch Morgan locker wieder aus. Eine starke Präsenz kracht auf die nächste, schauspielerisch läuft in MORGAN also alles gut.  Film geschaut: Morgan (2016) weiterlesen

Ein Paar Worte zu: Billy Lynn’s Long Halftime Walk (2016)


Billy Lynn’s Long Halftime Walk (IMDb) – Kriegsfilm/Drama, USA/China, 2016 – Regie: Ang Lee, Copyright (Titelbild, Bildausschnitte, Trailer): Sony Pictures Home Entertainment


Review
Ein Kriegsfilm, der sich komplett auf das Innerste (s)einer Figur(en) stürzt und im gleichen Zug noch absurde Propaganda-Mechanismen kriegsgeiler Nationen (hier USA) demontiert, müsste eigentlich genau mein Ding sein. Keine Gefahr der Verlockung von heroisierendem Schlachten-Bullshit auf den Leim zu gehen, Kritik an dem, was hart kritisiert werden muss und hinten raus die richtige Aussage – klingt gut.

So viel zur Theorie.

Denn auch wenn ich glaube, dass Ang Lee mit Billy Lynn’s über zwei Wochen ausgedehntem PR-Wirksamen Halbzeit-Spaziergang – was hier wohl nicht bloß die durch-inszenierte Halbzeit des Footballspiels, sondern seines persönlichen Erlebens des Krieges meint – zumindest zeitweise in besagte Richtung wollte, kommt emotional nicht wirklich viel bei mir an. Sein Trauma wird gestreift, die emotionale Zerstörtheit der verbliebenen Familie zuhause wird gestreift und auch die Zustände in einem Land, welches junge Männer nach wie vor über perfide Wege in den Krieg lotst, werden gestreift. Eine partielle Dekonstruktion des aufgebauschten Helden-Pathos gelingt dabei auch, BILLY LYNN schafft ein Gefühl dafür, wie verdreht und falsch es ist, dass ein Mensch für den “schlimmsten Tag seines Lebens“ auf Händen getragen und gefeiert wird, indem der Film immer wieder zwischen Absurdität und Beklemmung schwankende Szenen generiert, in denen sich Billy sichtlich unwohl fühlt. Ein Paar Worte zu: Billy Lynn’s Long Halftime Walk (2016) weiterlesen