Trailer © by good!movies
Fakten
Jahr: 2004
Genre: Mystery, Horror, Psychothriller
Regie: Jessica Hausner
Drehbuch: Jessica Hausner
Besetzung: Franziska Weisz, Birgit Minichmayr, Marlene Streeruwitz, Rosa Waissnix, Christopher Schärf
Kamera: Martin Gschlacht
Musik: –
Schnitt: Karina Ressler
Review
Tief im Wald verborgen, steht ein einsames Hotel – allein im Nirgendwo, kilometerweit umringt von dichten Bäumen, gefangen in öder Monotonie, an einem Ort wo die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Die Flure lang und dunkel, die Bewohner verschlossen, die Stimmung trist. Unangenehm ist es dort. Irgendetwas stimmt nicht.
Doch das merkt Franziska Weisz in ihrer Rolle als Irene erst lange, nachdem sie ihren neuen Job als Rezeptionistin angetreten hat. Da das Hotel fernab jeglichen erreichbaren Ortes liegt, ging mit dem Job der Einzug in den Angestellten-Trakt des Hauses einher – ein Tapetenwechsel der Chancen mit sich bringt, doch ihr neuer Chef, die Kollegen und der komische Hausmeister wirken undurchsichtig und verschlossen. Nach einigen unangenehmen Ereignissen kippt die Undurchsichtigkeit zu bösartiger Abweisung, die gefährlich nah an der Feindseligkeit kratzt. Ungewiss erscheint es Irene, ob das Verhältnis zu den Mitbewohnern der neuen Behausung Zukunft hat – aber auch die Vergangenheit des Ortes wirft stille Fragen auf: Wer war ihre Vorgängerin, über die niemand spricht und die auf mysteriöse Weise wie vom Erdboden verschluckt scheint? Eine Brille und ein Foto sind von ihr geblieben – mehr nicht. Im Laufe der einsamen Nachtschichten beginnt der Ort auf Irene eine hypnotische Wirkung zu entfalten.
Regisseurin Jessica Hausner versteht es, aus sehr wenigen Elementen, sehr viel Wirkung heraus zu kitzeln – es wird kaum gesprochen, die Requisite ist minimalistisch, das titelgebende HOTEL extrem spartanisch eingerichtet und durch karg-beige Wände definiert. Das Gegenteil von Effekthascherei – nichts lenkt ab vom Inneren der Figur und dem seltsamen Verhalten um sie herum, unötigen Ballast hat der Film nicht nötig, er würde nur die Wirkung schmälern, die in vorliegender Form umso dichter ist. Dank präziser Kameraführung, gruselig reduzierter Ausleuchtung und dem dezent-düsteren Scoring, was eher durch Soundscapes als durch Filmmusik definiert ist, wird das verlassen wirkende Gebäude schnell zum beklemmenden Käfig und übt einen gefährlichen Bann aus. Apathisch schleicht Irene durch die dunklen Schatten, erwacht plötzlich an anderen Orten und beginnt zunehmend ihre Wahrnehmung anzuzweifeln. Brillant daran ist, dass es (im Gegensatz zu populären Hotel-Wahnsinns-Vertretern wie Kubrick’s SHINING) keine offensichtlichen Hinweise auf eine “richtige” Deutung der Geschehnisse gibt. Ist es nur in ihrem Kopf? Ist es etwas übernatürliches? Ist da ÜBERHAUPT irgendetwas nicht richtig? Ungewissheit schafft Unsicherheit, Unsicherheit schafft psychologischen Druck, letzterer schafft im Optimalfall Horror. Ganz so weit treibt HOTEL das perfide Spiel jedoch nicht – kein blanker Horror, keine abgekauten Fingernägel, viel mehr werden die simpelsten aller Karten gegen die Zuschauer ausgespielt: Dunkelheit, Einsamkeit, Verlorenheit. Irene’s zunehmende Verwirrung erzeugt keine wirklich schlimme Stimmung, wirft aber unangenehme Fragen über Realität und die Flucht aus dieser auf. Wird sie so seltsam behandelt, weil sie den verstand verliert?
Stilistisch lässt Hausner wenig Zweifel an ihren Vorbildern aufkommen und spart nicht an direkten Zitaten besagter Werke. Ein wenig ZU direkt. Gebäude, die von außen mit Weitwinkeln in leicht verschobener Perspektive gefilmt werden, eine Frau die (mehrfach) langsam auf einem spärlich beleuchteten Flur vom Schatten verschluckt wird, eine nächtliche Autofahrt bei der auf ganz spezielle Art die Fahrbahnmarkierung eingefangen wird – ohne es zu wollen schleichen sich schnell die ersten lynchigen Soundscapes in die Erinnerung, vermischen sich mit Bowie’s I’M DERANGED und HOTEL schreit ein wenig zu laut LOST HIGHWAY, um als gänzlich eigenständiges Werk zu funktionieren. Zufall? Denkbar. Vielleicht auch eine etwas strenge Auslegung der höchst subjektiven Grenze zwischen Hommage und Kopie, doch wenn sich mehrfach im selben Werk die Erinnerung meldet und immer auf die gleiche Quelle verweist, kommt logischerweise Skepsis auf.
Trotzdem ist HOTEL ein solider psycho-Horror, der durch die extreme Reduziertheit in seiner Wirkung wahrscheinlich polarisiert – des einen Suspense ist des anderen Langeweile.
Wertung
6 von 10 düsteren Hotelfluren
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
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