Trailer © by Filmgalerie 451
Fakten
Jahr: 2004
Genre: Satire, Medienkritik
Regie: Christoph Schlingensief
Konzept: Christoph Schlingensief
Personen: Werner Brecht, Susanne Bredehöft, Ilse Garzaner, Achim von Paczensky
Kamera: Meika Dresenkamp, Dirk Heuer
Musik: Uwe Schenk
Schnitt: Robert Kummer
Review
FREAKSTARS 3000 ist die gelungenste Mediensatire, die ich jemals sehen durfte. Nie wurde die Absurdität des TV-Alltags gelungener aufgezeigt, nie wurde der Zuschauer, seine Begrifflichkeit von normal, sein Durst nach Wahnsinn, sein unreflektiertes Schlucken von ewig wiedergekäutem, provokanter auf die Probe gestellt.
Normal.
Was bedeutet das?
Wer definiert das?
Und wann zum Teufel wurde beschlossen, dass “normal” das Ideal ist, dem wir alle hinterher laufen müssen?
Normal gibt es nicht.
Und das beweist Christoph Schlingensief mit seiner Casting-Show FREAKSTARS 3000 so gut wie kein anderer. Ehrlicher als alles was die privaten Verdummungsanstalten uns jemals vorgesetzt haben, menschlicher als es die Bohlens, Bauses, Heidis und sämtliche anderen Zugpferde der mittlerweile leider fest etablierten professionellen Diffamierungsindustrie auch nur träumen könnten (wenn sie es denn wollten) und um längen “normaler”, weil purer und echter, als der ganze glattgebügelte Zirkus, der täglich über unsere Mattscheiben flimmert.
DSDS, Supertalent, whatever…
Neue Staffel kommt, ein Raunen geht durchs Volk: “Ey die Castings die sind SOOO lustig!” Haha, was haben wir gelacht, endlich mal wieder Freaks auslachen, endlich wieder am Scheitern anderer ergötzen!
Doch wer ist der “Freak”?
Der der sein Ding macht, oder der der drüber lacht, weil es nicht der Norm entspricht? Sollte man mal in sich horchen und die gesellschaftlich akzeptierte Antwort, die bei vielen sicher als erstes zu hören ist, wissentlich ignorieren. Dann noch tiefer horchen und vielleicht zu folgender Frage kommen: Mit dem Herzen dabei sein, inbrünstig und leidenschaftlich, oder sich von gesellschaftlicher Norm, falschen Zielen, leeren Statussymbolen, verpuffendem Ruhm, hohlen Leitmotiven mitreißen lassen? Was zählt wirklich?
Also wer ist der “Freak”?
Der Frage muss man auf den Grund gehen, sie diskutieren. Aber Worte führen zu nichts, Taten sprechen einfach ein deutlichere Sprache: Man nehme eine Handvoll unbedarfter Menschen, werfe sie in eine für sie völlig neue Situation und lasse sie handeln wie sie möchten. Was kommt dabei raus?
Der von Schlingensief durch gezielte Überspitzung der gängigen Manipulations-Mechanismen sauber nach außen beförderte Kern einer grotesken medialen Landschaft. Das, was niemand mehr wahrnimmt, weil es zu “normal” ist um es zu hinterfragen: Im Presseclub schreien Egomanen durcheinander, in der Werbung wird uns der letzte Müll als Gold angepriesen, in Castings wird mit schablonenhafter Präzision auch die letzte Kante von Bewerber XY entfernt, damit die geleckte Hülle sich nahtlos in den normativen Kontext der Autotune/Photoshop-Welt einfügt.
Funktionieren statt kreieren.
Konsumieren statt reflektieren.
Vielleicht ist dieser Kern der “Freak”?
Vielleicht jeder, der sich diesem Kern widerstandslos hingibt?
Das muss jeder für sich herausfinden. Und wenn die Antwortfindung sich schwerer als erwartet gestaltet – was sie wird: Einfach mal FREAKSTARS 3000 ansehen. Könnte helfen.
Wertung
10 von 10 an die Oberfläche beförderten medialen Missständen
Veröffentlichung
FREAKSTARS 3000 ist bei Filmgalerie 451 als DVD erschienen.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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