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Film: Clown (2014)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Tiberius Film


Fakten
Jahr: 2014
Genre: Horror
Regie: Jon Watts
Drehbuch: Jon WattsChristopher Ford
Besetzung: Andy Powers, Laura Allen, Peter StormareChristian DistefanoChuck ShamataElizabeth WhitmereEli Roth
Kamera: Matthew Santo
Musik: Matt Veligdan
Schnitt: Robert Ryang


Review
Kostüme. Sie ermöglichen uns kurzzeitig in eine Rolle zu schlüpfen, einen anderen Menschen, ein Wesen, oder eine Figur darzustellen, doch sind bei Bedarf schnell wieder abzulegen, als sei nichts gewesen, um direkt wieder ganz die/der Alte zu werden. Gerade uns Filmfans sollte klar sein: Als Platzhalter unterschiedlichster Identitäten erlauben sie eine temporäre, spannende Transformation – ein Mal zu sein wer man will, wo man will und wann man will. Doch was, wenn die Rolle beginnt uns zu vereinnahmen? Das eigentliche Ich zu überschreiben und die fremden, nicht unbedingt positiven Eigenschaften der temporären Identität in unser Hirn zu Pflanzen? Und unser Handeln zu bestimmen, weil sie Eigenschaften in unser Handeln tragen, die besser unbekannt hätten bleiben sollen?

Auch wenn CLOWN diesen Wandel, zumindest auf der offensichtlichen Ebene, nicht als tiefenpsychologische Allegorie, sondern nur als simple, aber effektvolle Idee einleitet – Kent, ein liebender Familienvater und bald auch der titelgebende Clown, hat keineswegs Jahre oder Jahrzehnte lang eine Rolle gespielt und wurde schleichend von dieser aufgefressen, sondern ist eben nur einmal zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen (und zog dort das falsche Kostüm an) – so funktioniert Jon Watts’ Schocker doch aus verschiedensten Blickwinkeln beachtlich gut. Unter dem Deckmantel eines überwiegend soliden Horror-Films schlummern verschiedenste interessante Lesarten, mal offensichtlich, mal in Andeutungen, die teilweise vielleicht noch nicht einmal intendiert gewesen sind, sich aber aufgrund der starken Symbolhaftigkeit des gesamten Themas nicht wegreden lassen. 

Die grauenvolle Transformation in ein bizarres, entstelltes Fabelwesen, welche der verwirrte Kent durchleben muss, entwickelt sich schnell zu einer Gefahr für sich selbst und seine Mitmenschen – Kinder im Speziellen. Krallen wachsen, die Zähne werden spitz und ein unbändiger Durst nach jungem, lebendigem Fleisch, welchem er unbedingt nachkommen muss, kommt in ihm auf – es geht nicht anders, so sehr er sich auch widersetzt, es zieht ihn förmlich in Richtung der Opfer und blutige Gräueltaten sind das Resultat. Die Verwandlung in die pervertierte Höllen-Version einer locker-lustigen Figur, welche sonst hauptberuflich Kindern das Leben versüßt, also als Symbol für das genaue Gegenteil: den Missbrauch dieser Kinder? Übertragend zu verstehen als Pädophilie und die Unfähigkeit mit dem schrecklichen, zwanghaften Treiben aufzuhören? Denkbar, denn auch die weiteren kleinen Informations- und Hintergrund-Schnipsel die Watts uns vor die Füße wirft, um sie zu einem größeren Puzzle zusammenzufügen, gliedern sich in eine derartige Symbolik ein. Gefangenschaft oder Tod als letzter und einziger Ausweg, sobald eine gewisse irreversible Grenze des Grauens überschritten ist – das passt schon irgendwie. Doch bei diesen unangenehmen Parallelen zu Triebtätern bleibt es nicht, in CLOWN sind Fragmente der verschiedensten Themenkomplexe verbaut. Auch Gedanken zu Entfremdung von Familie und dem immergleich-öden eigenen Leben, oder Allegorien auf schmerzhafte Trennungen sind kaum zu übersehen und erscheinen somit plausibel. Klingt vollgestopft, aber all diese thematischen Fetzen beißen sich keineswegs mit den Vorherigen, sondern harmonieren in Form eines stimmigen Sammelsuriums, formen mit etlichen weiteren kleinen Denkansätzen ein großes Ganzes und geben dem morbide-blutigen Genre-Flick ein stabiles Fundament.

Glücklicherweise funktioniert dieses, übrigens von Eli Roth produziert und in den USA bereits 2014 veröffentlicht,  auch über die gelungenen Subtexte hinaus: bereits expositorisch macht CLOWN keine Gefangenen und kommt fix, in Minuten, zur Sache – der gebuchte Clown für den Kindergeburtstag sagt ab, Papa schlüpft ins Kostüm, bekommt es nicht mehr vom Leib und das Grauen nimmt seinen Lauf. Was folgt, lässt Body-Horror-Herzen vielleicht nicht gänzlich höher schlagen, bringt sie durch die obskuren Veränderungen in Antlitz und Wesen unseres Protagonisten aber mindestens in Wallung und spart weder an unangenehm blutigen Bildern, noch an pochenden Klangkulissen. Watts begreift die Form von CLOWN als Teil der Erzählung und vermittelt über sie einen maßgeblichen Teil der Stimmung, die uns klar machen wird, dass Kent’s verzweifelte Flucht vor sich selbst und den eigenen Taten sich und andere ins Verderben stürzen wird – eine ungeahnt tragische Ebene. Wäre der Film nicht zeitweise recht konventionell in Aufbau und besonders den actionreicheren Szenen, wäre ein verdammt guter Genre-Beitrag entstanden. Im Gegensatz zur erfrischenden Prämisse fühlt CLOWN sich jedoch in seinen schwächeren Momenten nur wie bessere Stangenware an – leichte Abstriche dafür, doch der versteckte Gehalt, in Harmonie mit dem guten Handwerk und der über weite Strecken packenden Atmosphäre, formen nichtsdestotrotz ein ziemlich rundes Ding. Fast so rund wie ein Clowns-Nase – probiert doch mal ob sie euch passt.


Wertung
6-7 von 10 verwachsenen Kugelnasen


Veröffentlichung
CLOWN ist bei Tiberius Film am 01. März 2016 als Special Steelbook, 3D-BluRay, BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Trailer. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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5 Gedanken zu „Film: Clown (2014)“

  1. Ja, ganz deiner Meinung (auch die Bewertung ist etwa dieselbe). Finde es eher schade, dass der Film so abrupt loslegt, sich kaum um seine Charaktere schert. Denn für die nimmt er sich später schon gewaltig viel Laufzeit (ohne echten Erkenntnisgewinn) und vernachlässigt den (Body-)Horror ziemlich. Das ist schade, auch wenn ich pointiert-wenigen Splatter sonst sehr gerne habe, denn die Effekte sind extrem toll, überhaupt das Clown-Monster. Und auch die Hintergrundgeschichte hat was wunderbar altbacken-schauerliches. Alles nur leicht thematisiert und vor allem in der zweiten Hälfte sehr lahmer Action geopfert. Wirkt ein bisschen wie eine Mischung aus Cronenberg-Kunsthorror und RTL-Freitagabendthriller.

    1. Mir hat die zweite Hälfte auch weniger gut gefallen. Der abrupte Einstieg und die stetige Entwicklung am Anfang hingegen schon – in den Handlungen und dem Umgang mit der Situation steckt ja schon ein wenig Info über die Figuren, was als passive Charakterisierung zumindest hinreicht. Etwas psychologischer hätte es aber ruhig sein dürfen.

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