Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by STUDIOCANAL
Fakten
Jahr: 2015
Genre: Kunstfilm
Regie: Terrence Malick
Drehbuch: Terrence Malick
Besetzung: Christian Bale, Cate Blanchett, Natalie Portman, Brian Dennehy, Antonio Banderas, Freida Pinto, Wes Bentley, Isabel Lucas, Teresa Palmer, Imogen Poots, Armin Müller-Stahl
Kamera: Emmanuel Lubezki
Musik: Hanan Townshend
Schnitt: A.J. Edwards, Keith Fraase, Geoffrey Richman, Mark Yoshikawa
Review
Terrence Malik hat sich über die Jahre immer weiter von dem entfernt, was gemeinhin von einem “normalen” Film erwartet, bzw. überhaupt noch als ein “richtiger” angesehen wird. Zwar zieht ein tief naturalistischer Ansatz sich bereits seit dem Regie-Debüt BADLANDS durch sein Werk – stimmungsvollen Bildern aus der Natur und dem Leben wurde bereits zu Anfang ein großer Platz eingeräumt – doch wichen Faktoren wie eine klassische Handlung und Narration mit der Zeit immer weiter aus seinen Filmen. In DER SCHMALE GRAT formulierten erstmalig multiple Figuren nachdenklich ihre verschiedenen Weltsichten aus dem Off, in TREE OF LIFE verpackte Malick eine Abhandlung über konträre Lebenswege – rational VS spirituell – bereits überwiegend in Form einer symbolischen Bilder- und Klangflut, hangelte sich aber partiell noch an einem tragischen Familiendrama entlang, nur um (nach dem zwischengeschalteten TO THE WONDER) in KNIGHT OF CUPS endgültig in einer extremen Verdichtung seines Stils anzukommen. Dieser Film hat nun gar nichts mehr von einer konventionellen Geschichte, sondern ist nur noch Stimmung, nur noch ein Treiben durch Momente, nur noch offen gehaltener Raum für Projektion – nach Sichtung eines Werks nicht sicher zu sein, ob der Hauptdarsteller on Screen auch nur einen einzigen wirklichen Satz gesagt hat, spricht Bände und deutet schwer auf eine gänzlich andere Art Film hin.
Dabei fehlt es glücklicherweise keinesfalls an Themen: KNIGHT OF CUPS handelt von Entfremdung, von einer tiefen Leere in sich und der Unfähigkeit sie mit Bedeutung zu Füllen, sowie vom harten Kampf mit der Heilung aus der Vergangenheit gebliebener seelischer Wunden. Christian Bale als schweigender Protagonist spürt diese Leere, hat sich und sein Wesen in einer Welt der Oberflächlichkeiten verloren, durch die er geisterhaft mäandert, ohne die Fähigkeit zu besitzen, an ihr teilzunehmen – auch weil er letzteres gar nicht will, es ihm nichts mehr geben kann. Seine Taktik der Flucht – in Sex, in Alkohol, in Luxus – geht nicht auf, er bleibt unbeteiligter Beobachter, entfremdet, scheinbar ausgeklinkt. Und tatsächlich wird dies uns über eine gänzlich andere Art des Erzählens nahe gebracht: Die Kamera schwebt durch die Welt und saugt ihre Wirkung auf, sucht den Spiegel für das Innerste einer Figur in kurzen Momenten und Fragmenten des Lebens. Hier und da schnappen wir Sprachfetzen auf, Malick paart sie mit den verschiedenen Off-Stimmen, schafft so eine kurze Einheit, nur um diese direkt wieder zu brechen – Bild und Ton schichtenund umtanzen sich, bis zum totalen verschwimmen der Realität. Wirkliche, ausformulierte Dialoge zwischen den Figuren im Bild gibt es hier tatsächlich gar nicht mehr, das Ganze wabert von Situation zu Situation, von Stimmung zu Stimmung, von Impression zu Impression – Lebenswege streifen sich, wir wohnen ihrer Zusammenkunft kurzzeitig bei, doch gehen bald wieder andere Wege- wohin uns all dies trägt müssen wir selbst entdecken.
Dabei formuliert KNIGHT OF CUPS gelungen die aktuellen Stimmungen seiner Figuren aus. Konfus irrt Bale durch eine Party der schönen und reichen, auf der Tonspur geht Klassik urplötzlich in den bizarren Breakcore-Remix eines Country-Songs über, Sekunden später setzt indische Folklore ein und eine derartige Fülle an Eindrücken reißt nie ab, während wir durch eine Menschen- und Sinn-entleerte Welt getrieben werden. Das beeindruckende an diesen Bildern: Abgesehen von den künstlich entleerten Orten, fängt Lubezki’s Kamera mal wieder “nichts weiter” als die Welt (wie sie ist) ein. Wer offenen Auges durch sie wandert, kann selbst erleben, was Malick hier auf Film bannte – die Natur, die Stahlkolosse der Metropolen, die kühlen Galerien, sie alle gibt es, das Licht ist echt, offensichtliche Verfälschung existiert nicht. KNIGHT OF CUPS zeigt also unsere Welt, sowohl ihre Schönheit, wie ihre isolierende Kälte und schafft dennoch durch Wahl der Motive (welche trotz stetiger Bewegung meist wie Gemälde erscheinen) zeitweise fast surreal anzumuten.
Spannend an diesem Ausdruck durch Form – die vielfältigen Aufnahmen zwischen Zeitraffer, Unterwasser, Tag, Nacht und Dämmerung, Ego-Perspektiven, Totalen, warmen Bildern und wackeliger GoPro-Optik decken wirklich die gesamte denkbare Breite ab – ist vor allem, dass KNIGHT OF CUPS am besten, oder noch präziser, überhaupt NUR funktioniert, so lange er dem extremen Stream-of-Consciousness-Fluss folgt. Wenn Bale sich irgendwo zwischen Erinnerungen, Wünschen und Realität von Szene zu Szene schiebt, könnte dies schlichtweg ewig so weiter gehen, nachdem jedoch Cate Blanchett, Antonio Banderas und etliche weitere namenlose Damen (und Herren) ihre kurzen Segmente füllen durften und Malick in Form einer Liebschaft zwischen Natalie Portman und Bale tatsächlich (und gänzlich unpassend) kurzzeitig beginnt, so etwas wie eine ansatzweise Geschichte zu erzählen, bröckelt das Werk direkt und heftig. Derart konkrete Aspekte brauchte es nicht, genauso die wenig dezenten Andeutungen in Richtung “die Leere ist nur mit Glaube zu füllen, der Schmerz nur durch Erleuchtung zu ertragen” gegen Ende.
Dennoch: KNIGHT OF CUPS ist Malick und Malick denkt Film gänzlich anders, gänzlich eigen. Mag man diese Art von Funktionsweise, eine Frage, die spätestens durch TREE OF LIFE beantwortet wurde (denn der gab vor, wie sich die Filme des alten Glaubens-Philosophen nun wohl bis ans Ende seiner Tage anfühlen werden), dann kann KNIGHT OF CUPS aufgrund seiner (fast) vollkommenen Reduktion auf assoziative Wirkung sicher stark punkten, mag man sie nicht, wird all dieses entfesselte Geschwurbel (mindestens) für entrüstetes Kopfschütteln sorgen. Ich mag es. Sehr. Eine Frage bleibt dennoch offen: Warum Frauen bei Malick nie geradeaus gehen, sondern immer kreiselnd tanzen, ist wohl ein weiteres von vielen Mysterien seiner Kunst.
Wertung
7 von 10 entfremdeten Hollywood-Schauspielern
Veröffentlichung
KNIGHT OF CUPS erscheint am 14. Januar 2016 bei STUDIOCANAL als BluRay und DVD. Im Bonusmaterial befinden sich: Aufnahmen von der Premiere, Berlinale-Pressekonferenz, Featurette. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
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Leihen: LOVEFILM
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Kreiselnd tanzen? Ist mir noch nie aufgefallen bei Mr. Malick. Muss ich mal beobachten. Ich gehe mal davon aus, das kreiselnd tanzen bei Natalie Portman unglaublich elegant aussieht. Wie alles bei ihr.
Besonders stark ist das in TO THE WONDER bei Olga Kurylenko und hier Wenn die Paare spazieren gehen (was ja dann in der Regel gen Sonnenuntergang ist) laufen die Ladys immer vor, hüpfen, drehen und kreiseln sich und bekommen dadurch irgendwie das spielerisch-verträumte auftreten von kleinen Prinzessinnen, für die die Welt ein Abenteuer ist
Sehr spannend, den hab ich leider im Kino verpasst. Aber ich muss den unbedingt sehen, denn schon “Tree Of Life” fand ich grossartig und extrem mitreissend.
Der hier macht sich NOCH mehr als TOL von klassischen Narrativen frei. Man treibt tatsächlich kanpp zwei Stunden durch Eindrücke und dennoch ist das alles andere als belanglos.
klingt ziemlich interessant – man wird aber wohl in der richtigen Stimmung dafür sein müssen
kurzes Off-Topic:
werstreamt.es ist ja ziemlich cool hab nach so einer Website schon gesucht, aber nunr eher bizarre ähnliche Seiten gefunden
und wurdest du von Amazon zu diesem Partner-Ding eingeladen? Oder kann man da einfach so mitmachen? (Dürfte ja eigentlich auch in derem Interesse sein^^)
So eine Art von Film kann man auf keinen Fall in jeder Lebenslage sehen. Ich würde mich ganz klar als Freund von Malick’s Kino sehen und schaue dennoch nur alle paar Monate mal eins seiner Werke. Die sind schon, auf eine angenehme Weise, sperrig und außergewöhnlich!
Werstreamt.es nutze ich mittlerweile ziemlich regelmäßig, wenn ich Filme sehen will, die ich nicht besitze – sehr praktischer Dienst! Und für das AMazon Partner/Affiliate Programm kannst du dich einfach registrieren.
alles klar, danke
joa, ich hab Netflix und Amazon und da dann schauen was wo anschaubar ist, dann noch einen Blick auf die regionalen Bestimmungen werfen, ist manchmal scho ein wenig nervig #1worldproblems