Trailer © by Paramount Home Entertainment
Fakten
Jahr: 2014
Genre: Drama, Thriller
Regie: Rupert Wyatt
Drehbuch: William Monahan, James Toback
Besetzung: Mark Wahlberg, Jessica Lange, John Goodman, Brie Larson, Michael Kenneth Williams, Alvin Ing, Anthony Kelley
Kamera: Greig Fraser
Musik: Jon Brion, Theo Green
Schnitt: Pete Beaudreau
Review
“Where the fear has gone, there will be nothing.” aus Frank Herbert – DUNE.
Ein Mann am Blackjack-Tisch. Zehntausend Dollar Einsatz. Gewinn. Verdoppelt. Zwanzigtausend Dollar Einsatz. Wieder sind ihm die Karten gnädig. Er hat einen Lauf, gewinnt, verdoppelt, gewinnt wieder. Keine Miene verzieht er bei diesem absurden Theater, weißt lediglich den Dealer an, schnell die nächsten Karten zu geben. Die Stakes steigen, Geldsummen die über den Verlauf von Existenzen entscheiden könnten, zieren als kleine Plastik-Chips getarnt den Spieltisch. Sein Blick vollkommen regungslos, die nächste Karte wird aufgedeckt: Summe 23, zu hoch, die Bank gewinnt. Alles weg – 160.000 Dollar. Doch nach wie vor verzieht besagter Spieler keine Miene. Er dreht sich um und verlässt emotionslos den Saal.
Rupert Wyatt’s Neuinterpretation des 1974er Streifens SPIELER OHNE SKRUPEL ist eines dieser Werke, dessen Titel und Beschreibung sicher schnell einen irreführenden Eindruck vermitteln. Glücksspiel, Kredit-Gangster und ein Mark Wahlberg in der Hauptrolle, der sich in letzter Zeit durch PAIN & GAIN, TRANSFORMERS, etc. überwiegend in Actionstreifen tummelte, mögen schnell den Eindruck erwecken ein fluffiges Filmchen in dem es auch mal knallt erwarten zu dürfen. Falsch. THE GAMBLER ist ein waschechtes Drama, voll weit reichender psychologischer Ansätze, das nicht an emotionaler Härte spart und daher ziemlich unter die Haut geht.
Ein Mann verspielt alles und versucht irgendwie die entstandenen Schulden zu begleichen, meist über absurde Deals, die an anderer Ecke noch größere Probleme herauf beschwören – natürlich ist die Spielsucht dabei ein deftiger Aufhänger, doch taugt dieser vor allem, um den Einstieg in die facettenreiche Erforschung einer Psyche zu ermöglichen. Die Verluste, die Schulden, die etwaigen Folgen – all dies ist Synonym für die Abgestumpftheit, vielleicht gar den Nihilismus einer Person, die mit dem Teufel tanzt und jegliche Sorge verloren hat, dabei in die Hölle herab gerissen zu werden. Wenn man genau zuhört, was Wahlberg’s sonst so kalt wirkende Figur Jim Bennett inbrünstig in den Literatur-Vorlesungen, die er als Universitäts-Professor abhält, über den Menschen, das Leben und besonders die Erwartungen des Ersteren an Letzteres vorträgt, formt sich schleichend sein beklemmendes Weltbild aus gescheiterten Träumen und eigens gefördertem Selbsthass, der aus utopischen Ansprüchen an die eigene Bedeutsamkeit entsprungen ist. Dieser Mann wollte alles vom Leben, doch empfand das was er bekam als nichtig – nun ist er auf der Suche nach dem einen, großen, bedeutenden Schlag. Zwischentöne gibt es in nicht, ebenso keine Grenzen mehr, vollkommen gleichgültig hat er sich in eine Lage manövriert, die nur in Extremen enden kann. All dies ist nur ein Spiel für ihn und das Leben als Einsatz genauso viel oder wenig wert, wie die nächsten 10.000 Dollar des koreanischen Kredithais.
Inwieweit das Spielen an Casino-Tischen als befreiender Ausbruch aus innerer Leere und vernichtender Bedeutungslosigkeit funktionieren kann, wertet THE GAMBLER lange Zeit gar nicht und vertraut auf den gesunden Verstand der Zuschauer: “Alles oder nichts” als einzige Option – die Absurdität dieser vermeintlichen Hoffnung ist von Vornherein klar, denn auch “alles” wird bei Bennett’s Verhalten zwangsweise schnell zu “nichts” führen, so lange er nicht aufhört – alles auf Schwarz funktioniert schließlich nur so lange, bis das erste mal Rot kommt. Und das wird es. Das weiß man. Auch er weiß es, genauso wie jeder User weiß, dass der nächste Schuss Heroin irgendwann tödlich enden kann, er ihn sich aber trotzdem in die Vene jagt. Nachvollziehbarkeit existiert in Bezug auf eine Spieler-Psyche nicht, die das Spiel als rettendes Sprungbrett sieht, ohne zu begreifen, dass die Chancen in der Luft zu bleiben gering und der unter sich liegende Abgrund zu tief ist. Kann dieser Weg nur ins Verderben führen?
Sein Schicksal scheint gesetzt zu sein, doch THE GAMBLER zeichnet ambivalent genug, von Grautönen durchzogen, um ein restliches Fünkchen Hoffnung am Glimmen zu halten. Kontraste regieren: Bennett wirkt zwar wie ein soziopathischer Steinklotz, doch selten scheint der Mensch durch, der er sein wollte und hätte werden können. Und dieser Mensch ist plötzlich wahrhaft sympathisch, hat Humor und könnte ein Freund sein – sein Schicksal in dieser bewusst grauen Inszenierung wirkt dadurch noch tragischer. Zum Glück webt Wyatt sporadisch Lichtblicke ein, die seine Welt der Hoffnungslosigkeit noch genügend lebenswert erscheinen lassen – selbst klanglich wechseln sich markerschütterndes Ambient-Dröhnen mit (einer perfekten Songauswahl von) fröhlichem Funk- und Reggea-Sound ab. All dies bricht subtil mit der stetigen Abwärtsspirale auf der er sich befindet, was eine seltene Form der psychologischen Spannung erzeugt: es bleibt ein Rest-Glauben an eine mögliche Genesung von Bennett’s gezeigtem Ist-Zustand, jedoch lässt seine Lage starke Zweifel aufkommen, ob ein Wachrütteln ihn überhaupt noch retten kann.
Es sei nur so viel gesagt. Er tut es. Und selten hat eine derartige Katharsis einen befreienderen Beigeschmack in sich getragen. Der Spieler raste mit verbundenen Augen auf eine Mauer zu, ohne die Hände am Lenkrad zu haben, doch mehr mit Glück als Verstand zieht er im letzten Moment die Notbremse und entscheidet sich in einer der vielleicht schönsten, märchenhaftesten Filmsequenzen der letzten Jahre FÜR das Leben. Für die Mittelmäßigkeit, für die Normalität, aber eben für ein Aufwachen aus der Lethargie. Wundervoll, bewegend, geradezu märchenhaft – und so ist THE GAMBLER völlig unerwartet ein richtig guter Film!
Wertung
8 von 10 gespielten Karten
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
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Ein Gedanke zu „Film: The Gambler (2014)“