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Serie: Jordskott – Season #1 (2015)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Polyband


Fakten
Jahr: 2015
Genre: Thriller, Drama, Noir, Mystery, Fantasy
Showrunner: Henrik Björn
Network: SVT
Crew (Writer, Director, Cinematographer, Editor): IMDb-Übersicht
Besetzung: Moa Gammel, Göran Ragnerstam, Richard Forsgren, Ville Virtanen, Lia Boysen, Peter Andersson, Stina Sundlöf, Vanja Blomkvist, Ann Petrén, Henrik Knutsson, Happy Jankell
Musik: Erik Lewander, Olle Ljungman, Iggy Strange-Dahl


Review
Dass der Norden, speziell Dänemark und Schweden in puncto Crime- und Thriller-Fernsehen überzeugen kann, ist kein Geheimnis. Im direkten Vergleich zu hiesigen “Krimis” legen die Produzenten (in Filmen und Serien) regelmäßig ein bis zwei Schippen an Intensität drauf und scheuen die drastischen Bilder nicht, welche zur Schonung des Treppenlift-Publikums hierzulande eher ausgespart werden – creepige Momente und packende Spannung sind der Dank. Wenn also eine schwedische, laut Taglines als “Mystery-Noir” beworbene Erfolgs-Serie herüberschwappt, deren Trailer vor allem beklemmende Bilder aus einem düsteren Wald beinhaltet, besteht klares Interesse daran, einen Blick zu riskieren.

Fazit vorweg: es hat sich gelohnt, diesen Blick zu wagen, lässt aber dennoch ein wenig enttäuscht zurück – JORDSKOTT ist gut, aber bei allem, was die Macher uns vor allem in der zweiten Hälfte der Staffel an exzellenten Momenten vorsetzen, hätte sie noch so viel besser gelingen können.

Atmosphärisch stimmt das Gesamtbild größtenteils – zumindest was die visuelle Komponente betrifft. Die Rückkehr der Protagonistin Eva in ihre Heimatstadt, ein verschlafenes Örtchen in dem vor Jahren ihre eigene Tochter von einem Moment auf den anderen spurlos verschwand, ist in klare, kühle Bilder eingefangen, der konsistente Look formt eine stimmige visuelle Sprache. Dass sie eigentlich aufgrund des vermeintlichen Selbstmords ihres Vaters zu Besuch ist, gerät schnell in den Hintergrund, als bekannt wird, dass seit kurzem ein anderes Kind vermisst wird – ebenfalls ganz plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Eva, ihres Zeichens Polizeibeamte, rauft sich mit dem mysteriösen Cop Wass zusammen und beginnt, getrieben vor allem von der Hoffnung auch ihre eigene Tochter wieder zu finden, auf eigene Faust den Dingen auf den Grund zu gehen.

Schnell wird dabei klar, dass an diesem Örtchen irgendetwas im Argen liegt. Als verrückte Spinner verschrieene Herren prophezeien Untergangs-Szenarien, mitten in der Tiefe des Waldes beobachtet Eva dubiose Figuren beim illegalen Sprengen ganzer Bereiche und ständig herrscht ein beklemmendes Gefühl des beobachtet werdens vor. Diese Mystery-Stimmung vertieft JORDSKOTT auf formalem Wege – typische Tropes wie Traum-Sequenzen, das Irren durch dunkle Keller (allerdings den wahrscheinlich creepigsten, der in Schweden auffindbar war) oder geheime Gangsysteme tief unter der Oberfläche, sowie ständiges Misstrauen gegenüber Figuren, die etwas zu verbergen scheinen, sorgen für gesundes Schaudern und kleinere Anflüge von Thrill.

Jedoch nur in Spitzen, denn wenn JORDSKOTT ein maßgebliches Problem hat, ist es eindeutig fehlendes Tempo in der Anfangsphase. Zwar liegt der Fokus noch stark auf Eva’s Innenleben – ihr Verlust, ihre (von außen betrachtet irrationalen) Hoffnungen, die für tot erklärte Tochter wieder zu finden, ihre Zerbrochenheit durch das Loch, welches der Verlust in Leben und Seele gerissen hat – doch tun sich die Macher durch die lang(sam)en, oft wortlosen Einstellungen nicht immer einen Gefallen. Besagte starke Ansätze werden fallen gelassen und verpuffen, anstatt ausgebaut zu werden und Hauptdarstellerin Moa Gammel ist nicht immer in der Lage ihr Innenleben auch emotional mitzureißend nach außen zu targen – vor allem Gegenpol Göran Ragnerstam als Kommissar Wass läuft ihr im direkten Vergleich mehrfach den Rang ab.

Zudem scheint Creator Henrik Björn nicht immer volles Vertrauen in seine Bilder zu haben – ein SEHR aufdringlicher, lenkender Score trägt immer wieder dort zu dick auf, wo weit weniger auch gereicht hätte, versucht geradezu Gefühle zu erzwingen, wo sie wahrscheinlich auch aus sich heraus entstanden wären. Schade, denn die Mystery Aspekte setzen genügend spannende Fragezeichen, aber die Inszenierung kann auf dem Weg zu ihrer Beantwortung nicht vollständig mithalten.

Das klingt nun sehr negativ, spätestens jedoch ab Episode #4 ziehen Tempo und Dramaturgie schleichend an – Verschwörungen schleichen sich ein, es gibt mehr Mystery, mehr Creepiness und sich auflösende Leichen, die die ersten Andeutungen in übernatürliche Gefilde setzen. Je weiter wir uns in die Tiefe dieses lebendigen Waldes bewegen, umso mehr kristallisiert sich JORDSKOTT als absoluter Slow-Burner heraus – die Atmosphäre wird beklemmender, dichter, intensiver, eine fiebrige Unruhe schleicht sich ein. Selbst die Tonspur greift mit zehrenden, quietschig-atonalen, an der Psyche nagenden Klängen direkt die immer häufiger aufkommenden Stress- und Extremsituationen auf – leider immer noch umgeben von rühreseligem Piano-Score und kitschigen Popstep-Tunes.

Dabei findet die Serie eine gute Balance zwischen neuen Fragezeichen und Enthüllungen der vorherigen. Einige Momente, die die geahnten Tendenzen bekräftigen, welche im Vorfeld mehrfach die Präsenz von etwas nicht-menschlichem, übernatürlichen andeuteten. drehen völlig frei – und plötzlich ist das Tempo da, was zu Anfang so stark gefehlt hat. Damit einher geht ein schleichender Stilbruch, bzw. präziser Genre-Wechsel. Was als kühles, tragisches Verlust-Drama mit Crime und Thriller-Ansätzen begann, schlägt eine übernatürliche Route ein, dreht die Regler Weirdness um einige Stufen hoch, nur um gegen Ende völlig im Fantasy-Fach und zeitweise geradezu verstörenden Horror-Sequenzen zu landen. Selten hat eine Staffel so lange gebraucht, um ihre Fühler auszustrecken, aber als sie dann packt, tut sie es richtig.

Und so steht am Ende eine mit Abstrichen gelungene Serie, die nachts geschaut werden will und sowohl mit dezenter Öko-Message aufwartet, wie auch mal mehr, mal weniger bewegend um Themen wie Verlust und Verzweiflung kreist. Plotwise werden viele Seitenstränge und Quervernetzungen aufgemacht, greifen aber sinnvoll ineinader, so dass das große Ganze durchweg Sinn macht. Über kleinere, dem Tempo geschuldete Ungereimtheiten abseits der beschriebenen Probleme muss man dennoch hinweg sehen – z.B. Cops, die ständig auf Feststellungen wie: “Wie müssen ihn jetzt SCHNELL verfolgen” oder “das muss jetzt SCHNELL ins Labor” folgend, nichtstuend stehen bleiben, anstatt Gas zu geben – aber die stark konstruierte Storyline, einige morbide Bilder und viele glaubhaft-sympathische Figuren (die von angenehm “normalen” Darstellern, statt einer Fülle Hollywood-Schönlingen verlörpert werden) halten bei der Stange. Bonus: Wenn sich besagter Kommissar, weil er nun mal so heißt, am Telefon jedes Mal mit einem energischen “Was?” meldet, kann man sich das Grinsen kaum verkneifen.


Wertung
6 von 10 parasitären Bio-Invasionen


Veröffentlichung
JORDSKOTT – Season #1 ist bei Polyband als BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Behind the scenes, Interviews. Die Discs kommen in Softbox in O-Card.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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