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Fakten
Jahr: 2009
Genre: Kunstfilm, Experimentalfilm
Regie: Guy Maddin
Drehbuch: Guy Maddin
Besetzung: Nihad Ademi, Mike Bell, Timna Ben Ari, Darcy Fehrm, Audrey Neale, Brent Neale, Shalini Sharma
Kamera: Guy Maddin
Musik: Jason Staczek
Schnitt: John Gurdebeke
Review
Wenn es reicht, aus dem Werk eines Filmemachers lediglich 14 Minuten zu sehen, um daraufhin sofort den Wunsch zu verspüren viel, möglichst alles von dem was dieser Mensch sonst noch auf Leinwände gebannt hat genießen zu wollen, kann man diesem kurzen Eindruck wohl problemlos eine immense Wirkungskraft bescheinigen. Zum 70. Geburtstag des National Film Board Of Canada wühlte sich Guy Maddin durch dessen Archive, wählte beeindruckende Aufnahmen daraus aus und verpflanzte sie, vermischt mit neu gedrehtem Material, in eben diese 14 Minuten – einen experimentellen, rauschhaften Kurzfilm namens NIGHT MAYOR.
Ein fiktiver Erfinder erzählt von einer bahnbrechenden technischen Neuerung – sein Gerät, das Telemelodium, wandelt Bilder in Klänge, schickt sie durch den Äther über Kanada und erschafft aus empfangenen Klängen wieder neue, unerwartete Bilder. Bild, Ton und die Magie die ihr Zusammenspiel erzeugt, darum geht es – in körnigem, sehr klassisch anmutendem Schwarz/Weiß prasselt eine hypnotische Flut an Eindrücken auf den Zuschauer ein und nimmt schnell gefangen. Beschwörerisch berichtet besagter Wissenschaftler, mal aus dem Off, mal im Bild, von seinen visionären Plänen und der Familie die ihm beim Umsetzen dieser zur Hand ging – in zwei, drei, bis zu vier Layern schichtet, blendet und schneidet Maddin die entsprechenden Gesichter, mischt mit leuchtenden Lichtern – “Aurora”, immer wieder werden die mystischen Nordlichter erwähnt – und kontrastiert sie mit den verschiedensten Bild-Fragmenten. Als das Gerät zunehmend ein Eigenleben entwickelt, werden die Bilder immer freizügiger und hypnotischer.
Stilistisch irgendwo zwischen klassischer Stummfilm-Ästhetik und psychoaktivem Kunstfilm mäandernd, greift die “Geschichte” vom NIGHT MAYOR subtil kleinste Fetzen Weltgeschichte und -politik auf, behandelt im Subtext Flucht, Misstrauen und totalitäre Ausgrenzung, aber beeindruckt hauptsächlich durch die vollkommen eigene, trotz fordernder Inszenierung organisch fließende Bild- und Tonsprache. Ein Kunstwerk, bei dem Wirkung vor Interpretation steht – nur Genießen ist ebenso möglich, wie eine weitreichende Sinnsuche. Eine Ode an die Ursprünge des Films (Assoziationen vom Wunderrad kommen auf), sowie Kraft und Lebendigkeit der bewegten Bilder – ich will mehr von Guy Maddin.
Wertung
8 von 10 übereinander geschichteten Bild-Layern
Weblinks
NATIONAL FILM BOARD OF CANADA
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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