Trailer © by 20th Century Fox
Fakten
Jahr: 2007
Genre: Science-Fiction, Horror
Regie: Danny Boyle
Drehbuch: Alex Garland
Besetzung: Cillian Murphy, Rose Byrne, Chris Evans, Michelle Yeoh, Troy Garity, Hiroyuki Sanada, Benedict Wong, Cliff Curtis, Mark Strong
Kamera: Alwin H. Küchler
Musik: John Murphy
Schnitt: Chris Gill
Review
Als ich SUNSHINE das erste Mal sah, empfand ich ein bekanntes Danny Boyle-Phänomen: der Film riss mich mit, konnte durch intensive Atmosphäre, sowie fantastische Audiovisualität überzeugen und lieferte für’s erste eine Blaupause für Spannung (in 127 HOURS gelang das sogar trotz bekanntem Ausgang). Trotzdem erschien mir SUNSHINE leicht durchsetzt von darstellerischen, inhaltlichen und dramaturgischen Klischees, weswegen ich etwas ratlos da saß – grübelnd ob ich den Film jetzt nur ganz nett, oder tatsächlich sehr gut fand. Durch recht hohe Affinität zu Weltraum-SciFi, die aus einer simplen Prämisse viel heraus holt, konnte der Film dann aber doch (mit kleineren Abstrichen) bedenkenlos das Prädikat “gelungen” bekommen: Ein starker Vertreter des “Lost in Space” Themas. (Fun Fact: Die Danny Boyle Ausnahme stellte übrigens SLUMDOG MILLIONAIRE da, den ich als modernes Märchen interpretiere und unter diesem Deckmantel auf Anhieb richtig stark fand, alle anderen seiner Werke endeten anfangs in zwiegespaltener Meinung.)
Im zweiten Durchlauf (gute zwei Jahre später) wusste ich noch relativ genau, was mich als Grundgerüst der Handlung erwarten würde – eine überraschende und positive Erkenntnis, die ich mit anerkennendem Nicken dem Film zuschreibe, denn im Dschungel der Belanglosigkeiten schafft dies heute gewiss nicht jeder. Konkret, war ich nun auf einen bestimmten Aspekt der mich beim ersten Mal relativ stark befremdete (Spoiler Alert: den harten Horror-Einschlag gegen Ende) gefasst und hatte außerdem wieder mehrere Vertreter der modernen outer-Space-Science-Fiction gesehen, die meinen filmischen Horizont in diesem Genre natürlich erweitert hatten. Ob es sich dieses Mal runder anfühlen würde? Verfrühtes Fazit: Sämtliche Rest-Zweifel sind beseitigt und SUNSHINE konnte noch ein gutes Stück weiter in meiner Gunst wachsen.
“Our sun is dying. Mankind faces Extinction.”
Ein wuchtiges Zitat, dessen Tragweite gruselige Gänsehaut verursacht, eröffnet dieses hyper-stilisierte, dichte Kammerspiel in Raumschiff-Atmosphäre. Wie stark SUNSHINE eigentlich ein straighter Genrefilm ist, macht die simple, aber dennoch kreative Prämisse deutlich: Eine Crew von Wissenschaftlern ist in einem Raumschiff zur sterbenden Sonne unterwegs, um eine Fusionsbombe in deren Inneres zu feuern, die die abebbenden Kernreaktion neu anstoßen soll. Es ist die zweite (und letzte) Mission dieser Art, denn ein erstes Raumschiff ist vor sieben Jahren verschollen und genügend Fusionsmaterial für einen dritten Versuch gibt es auf der Erde nicht. Die Lage ist ernst – Mankind faces extinction.
Der Film ist trotz der Danny Boyle-typischen visuellen Verspieltheit, die manchem sicher schon zu viel erscheinen mag, zunächst relativ zurückhaltend und unaufgeregt inszeniert. Ein überschaubarer Cast, ein Minimum an Schauplätzen voll detailreich gestalteter Kulissen und glücklicherweise trotz gigantischer Verantwortung minimaler Pathos. Das schafft eine intensiv-atmosphärische Stimmung, die mit festem Griff den Ernst der Lage vermittelt. Auf Seiten des Drehbuchs gilt es genau hin zu sehen: Die Figuren ließen sich zwar leicht als rasterhafte Platzhalter nach altbekanntem Muster brandmarken, ich würde sie aber eher als zweckdienlich bezeichnen, da die Crew um Cillian Murphy, Rose Byrne und Chris Evans ihren Charakteren überzeugend Leben einhaucht und das Skript die Fühler zwar in Richtung gängiger Ensemble-Stereotypen ausstreckt, es allerdings bei groben Richtungen, statt der vollen Dröhnung belässt. Es steckt genug Mensch in ihnen, um sie als einen solchen wahrzunehmen.
Doyle’s Inszenierung und Alex Garland’s Skript greifen Hand in Hand, um die Bürde auf den Schultern der Wissenschaftler spürbar zu machen: Nicht gerade einfach, wenn eine falsche Entscheidung, oder ein unpräziser Handgriff über das Schicksal der Sonne und somit zwangsweise auch der Erde inklusive der auf ihr lebenden Menschheit entscheiden kann. Nach etwas grübeln stellt sich der daraus aufgespannte Fragenkomplex als Ansammlung höchst philosophischer Themen dar – SUNSHINE geht, wenn auch nur bedingt, an die Wurzel der klassischen Science-Fiction zurück und wirbelt ethisch-moralischen (Sternen)staub auf: Wenn der Mensch irgendwann (durch welche Technologie auch immer) tatsächlich so weit sein sollte, Sterne manipulieren zu können – Sonnen, die Zentren jeder Galaxie, also Lieferanten aller notwendigen Energie und somit Ursprung allen uns bekannten Lebens – wird dann der Punkt gekommen sein, an dem die Technisierung dem Menschen zum Sprung auf ein “göttliches” Niveau verholfen hat? Ist die “Schöpfung” dann hinfällig und selbst das größte, dem Menschen vollkommen übergeordnete System – das Universum, der bis dato unumstößliche Eckpfeiler der uns bekannten Existenz – nur noch Spielwiese? Im Zuge dieser, aus dem unbändigen Selbsterhaltungstrieb der Menschheit entstehenden Gedankenspiele, schwingen auch Betrachtungen zur Entbehrlichkeit des Individuums mit. Aufopferung für die große Sache, inklusive nicht vertretbarer Handlungen, oder Bewahrung der persönlichen Moral bis ins Allerletzte – koste es was es wolle? Fragen die nicht einfach zu beantworten sind, die die Gruppe unter unvorstellbare Belastung stellen und selbst die gefestigtste, von rational-wissenschaftlichem Denken getriebene Person ins Straucheln bringen können. Ein Effekt, den Garland und Boyle dankbar aufgreifen, in Handlung und Figurenpsychologie einflechten und aus der Reise ins Ungewisse, eine Reise in den blanken Horror erschaffen.
Dieser Horror ist es gewesen, der mich beim ersten Schauen von SUNSHINE wie aus dem Nichts überrannte und verwirrt zurück lies – nun jedoch wunderte ich mich eher, wie mir beim ersten Mal die bereits zu Beginn unübersehbar vorhandene Horror-Ästhetik entgehen konnte? Vielleicht die Erwartung einen “reinen” Science-Fiction Film zu sehen? Vielleicht fehlendes Gespür? Unmöglich zu sagen, doch wichtiger ist sowieso die resultierende Erkenntnis: Was einst wie ein Fremdkörper im letzten Drittel erschien, fügte sich nun so selbstverständlich mit dem Rest zusammen, dass SUNSHINE nun vollkommen wie aus einem Guss wirkt.
Audiovisuell überragend und zudem ein gelungen-intensiver Space-SciFi-Horror-Streifen, der ohne großes Tamtam Momente unbeschreiblicher Spannung erzeugt, die packend funktionieren, weil nie Zweifel aufkommen wie enorm viel auf dem Spiel steht – sowohl im Sinne des großen Ganzen, als auch auf kleinerer Skala für die jeweils betroffene Person. So geht Weltrettung: Beeindruckende Bilder, ganz ohne explodierende Metropolen. Erfrischend.
Wertung
8 von 10 aufkeimenden Kulten um den Sonnengott
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):
Kann ich wirklich 1:1 so unterschreiben. Beim ersten Mal hat mich das Horror-Finale auch noch aus der Bahn geworfen, doch beim zweiten Mal konnte ich es richtig gut einordnen und fand den Film entsprechend gelungener (auch 8 Punkte). Mit “Slumdog Millionaire” ging es mir übrigens auch so, der hat sofort gezündet!
Und wir zwei sind nicht die einzigen. Schön dass es noch Filme gibt die zum Wachsen gemacht sind.
Passt so gar nicht rein, aber:
Ich muss mich leider in der Wahl PLATTE DES JAHRES korrigieren:
D’ANGELO ist OK,
aber der wahre Anwärter ist:
SUFJAN STEVENS – CARRIE & LOWELL
zumindest für Leute wie mich die ELLIOTT SMITH so schmerzlich vermissen, und Gänsehaut am ganzen Körper als Qualitätsmerkmal anerkennen wollen
Elliott Smith hab ich auch mal ‘ne Weile gehört, hab aber nicht mehr viel davon im Ohr. Die D’Angelo LP kann tatsächlich was, aber meine Nummer 1 dieses Jahr ist die BJÖRK LP. Die vom Thron zu schubsen wird schwer.
Ach, da isser ja, der Kommi. Vielleicht sollten wir mal eine Aktion starten: 1 Film – 2 Meinungen. *lach*
Hoffentlich ergeht es mir in zwei(?) Jahren genauso wie dir, denn momentan hänge ich gefühlsmäßig noch bei den ersten beiden Absätzen fest. Bin aber guter Dinge, dass er dann auch so richtig durchstarten kann. Hat ja im Prinzip alles nötige an Bord. Und je länger man über ihn nachdenkt, desto stimmiger wirkt er. Hat definitiv Nachhall.
Gerne Schlopsi, was steht bei dir demnächst auf der Watchlist?!
Es ist wirklich beachtlich, wie rund der Film mir jetzt vorkam. Der Genremix ist die komplette Laufzeit perfekt. Beim ersten mal empfand ich es alles bis sie an die IKARUS I andocken als reine SciFi. Seltsam, dass der Film das auch vorher schon gar nicht ist. Wenn man weiß was kommt, sieht man die Zeichen wohl früher…
Upps, da habe ich wohl was losgetreten. Wollte demnächst mal wieder in der Asiaecke schauen. Habe da an To’s “Breaking News” gedacht oder etwas komplett durchgeknalltes wie “Hentai Kamen: Forbidden Super Hero”. Ansonsten ist meine Watchlist ohnehin viel zu lang, die Auswahl ist riesig. Hätte auch bspw. gegen “Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben” nichts einzuwenden, auf den hätte ich sogar mal wieder richtig Bock. Deiner Punktzahl nach zu urteilen wären die Meinungen allerdings ziemlich deckungsgleich.
Was schwebt dir denn vor? Bin recht flexibel was das angeht.
Ich kann dir schon gar nichts mehr zu SUNSHINE entgegnen, denn du nimmst mir die Worte aus dem Mund. Geht mir exakt so wie du es schilderst. Schätze auch das Vorwissen wird einiges bei der Zweitsichtung runder erscheinen lassen.
Will dich zu nix nötigen
Bei To wird es sicher auch eher 2 Leute, 1 Meinung (bis jetzt empfand ich nur das RUNNING OUT OF TIME Sequel als schwach). Aber BREAKING NEWS wollte ich tatsächlich bei der nächsten Bestellung mitnehmen, hehe. Wir werden sehen….
Kannst dich ja nochmal melden.
BREAKING NEWS kenne ich zwar schon, aber auf deine Meinung dazu wäre ich absolut gespannt, da ich das nicht einschätzen kann. Alternativ könnte man sich auch TRIANGLE annehmen: Das wäre dann 1 Film – 2 Meinungen – 3 Regisseure. (Den kenne ich noch dazu überhaupt nicht.) Sag’ einfach an wenn du Lust hast.