Trailer © by STUDIOCANAL
Fakten
Jahr: 1995
Genre: Independent Film, Feelgood
Regie: Wayne Wang
Drehbuch: Paul Auster
Besetzung: Harvey Keitel, William Hurt, Forest Whitaker, Giancarlo Esposito, Harold Perrineau, Jared Harris, Stockard Channing
Kamera: Adam Holender
Musik: Rachel Portman
Schnitt: Maysie Hoy, Christopher Tellefsen
Review
Sind sie nicht schön, diese kleinen Indie-Filmchen, die ohne ein wirkliches Ziel, dafür aber immer charmant und stilvoll vor sich hin mäandern und am Ende eigentlich gar nicht mehr wollten, als einen kleinen Eindruck in das Leben gegeben zu haben? In Facetten eines Alltags, die das Destillat der Gedankenwelt eines beliebigen Individuums dieser Welt sein könnten und uns (selbstverständlich angenehm romantisiert) vor Augen führen, wie irgendjemand auf dieser Welt vielleicht tatsächlich lebt. Und tatsächlich alle, oder zumindest einige der Gedanken denkt, welche der Film uns (mit)erleben lässt.
Jim Jarmusch sagte mal: “Das Leben hat keinen Plot, also warum sollten Filme dann immer einen haben?“ und ich könnte dieser Aussage gar nicht mehr zustimmen. Wenn die Figuren das gewisse etwas in sich tragen, interessant sind, liebenswert, und die Stimmung des Streifens mich um den Finger zu wickeln vermag, muss es keine großen Dramen, keinen Aufstieg und Fall und keinen notwendigen Plot geben – wenn alles passt, so wie es in SMOKE der Fall ist, verbringe ich gerne einfach mal zwei Stunden mit sympathischen Figuren in ihrer eigenen Welt, beobachte, lausche und lasse mich mitschleifen.
In diesem Film besteht besagte Handvoll Figuren aus Harvey Keitel (dem Tabakverkäufer Augustus Wren) und William Hurt, als dessen Freund, dem gebildeten Schriftsteller Paul Benjamin. Als Benjamin durch Glück von einem orientierungslosen Jungen aus Harlem vor einem Verkehrsunfall bewahrt wird, lässt er diesen eine Weile bei sich in der Wohnung leben, ohne zu wissen dass er eigentlich auf der Suche nach dem lang abgetauchten Vater ist, der nur mit Mühe seine Werkstatt am laufen hält. Eine verflossene Lady aus Augustus’ Vergangenheit tritt auch noch auf den Schirm und die Menschen leben im gemütlichen Brooklyn der Neunziger vor sich hin. In fünf Kapiteln, die je eine der Personen (äußerst lose) in den Fokus rücken, kreuzen sich ihre Wege, separieren sich wieder, Anekdoten werden ausgetauscht und gemeinsam neue erlebt. Der Tabakladen ist dabei sowohl zentraler Anlaufpunkt, wie auch gewissermaßen Stil-gebend – SMOKE fühlt sich an, wie ein lockerer Plausch an dessen Tresen, vorgetragen mit der Gemütlichkeit, die ein passionierter Raucher beim Genuss einer Zigarre im Schaukelstuhl versprüht.
Dabei gilt es, all die Charakteristika eines Tresen-Gesprächs zu erleben: die Ausschmückung vergangener Erlebnisse mit besonderer verbaler Gewandtheit, um die Story ein kleines Bisschen interessanter zu machen, lässt sich wunderbar auf den Tonus des ganzen Films übertragen – in seinen schönsten Momenten versprüht SMOKE den typischen, unnachahmlich-magischen New York Vibe, zeigt dabei so wenig, so simples, aber ist doch geradezu poetisch, packt tief im Herzen (weil es Momente sind, die zur Identifizierung mit ihnen taugen) und formiert sich zu Feelgood-Kino im schönsten Sinne des Wortes. Humorvoll, charmant und klasse geschrieben. Doch ebenso wie die poetische Geschichte in illustrer Runde von ruppig-frechen Sprüche eines knorrigen alten Stinkstiefels unterbrochen werden kann, spart SMOKE nicht daran, auch die Tiefschläge des Lebens anzureißen – von familiären Problemen, über Verlust, bis zum tragischen Werdegang einer möglichen Tochter Wren’s streift Regisseur Wayne Wang verschiedenste Problemfelder – spannend daran ist jedoch nicht die (ausbleibende) brutale Ausformulierung tiefen Dramas, sondern eher, wie die Charaktere, allesamt einmalige Originale damit umgehen. Wie sie halt ihr Leben leben.
Auch wenn es etwas reduzierend klingt: SMOKE ist der perfekte Film für gemütliche Sonntage, weil er sich und dem Zuschauer Zeit lässt durchzuatmen und auf die kleinen Dinge im Leben zu besinnen. Tolle Bilder, Musik und Dialoge, knuffige Figuren und der wohl längste und langsamste Zoom der jüngeren Filmgeschichte – ein Film wie ein gemütlicher Schaukelstuhl: man zweifelt vielleicht ein wenig, wozu man sich eigentlich rein setzen soll, hat man jedoch erstmal Platz genommen, kommt die Entspannung schneller als man denkt.
Wertung
7-8 von 10 genüßlich gerauchten Zigarren
Veröffentlichung
SMOKE ist bei STUDIOCANAL auf BluRay in der Blu Cinemathek, im 2-Disc BluRay-Bundle (mit dem Film BLUE IN THE FACE) und als DVD & VoD in der Arthaus Collection erschienen. Im Bonusmaterial der Discs finden sich ein Audiokommentar von Drehbuchautor Paul Auster, den Produzenten P. Newman und G. Johnson sowie H. Keitel, Geschnittene Szenen, Featurette, Clip: Hinter den Kulissen und Trailer.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):
Ich LIEBE diesen Film. Einer meiner persönlichen Favoriten. Schon alleine bei der Endsequenz könnte ich einfach nur heulen. Oder schon als Keitel sie zuvor erzählt. So viele tolle Charaktere und Momente. Fantastisch. Folgt nun auch noch “Blue in the Face”? Nicht ganz so stark, aber dennoch schön weiter Zeit in dieser Welt zu verbringen.
Das kann ich sehr gut verstehen (und freue mich, dass der kleine Film scheinbar bekannt und beliebt ist). Die Szene wo Keitel die Geschichte erzählt, meinte ich mit dem “langsamsten Zoom der jüngeren Filmgeschichte“. Die ist SO toll – inhaltlich UND technisch. Glaube, dass ich den Film sicher noch oft sehen werde, und dass er Potential hat, enorm zu wachsen! Hab den vor zwei Wochen gestreamt und fast schon Bock ihn direkt noch mal zu gucken. Von BLUE IN THE FACE wusste ich bis ich vorhin die Links zur VÖ raus gesucht habe gar nichts, aber der ist nun in Interesse auch direkt auf Maximum gestiegen
*gleich mal vormerken geht* Liest sich locker flockig!
Und das ist er auch. Hat vor allem mehrere Szenen die sich total einbrennen. Empfehlung Deluxe – ich habe das Gefühl ich werde den noch oft sehen und er wird enorm wachsen