Trailer © by Rapid Eye Movies
Fakten
Jahr: 2010
Genre: Thriller, Drama
Regie: Tetsuya Nakashima
Drehbuch: Tetsuya Nakashima
Besetzung: Takako Matsu, Yoshino Kimura, Masaki Okada, Yukito Nishii, Kaoru Fujiwara, Ai Hashimoto, Hirofumi Arai, Makiya Yamaguchi, Ikuyo Kuroda
Kamera: Masakazu Ato, Atsushi Ozawa
Musik: Toyohiko Kanahashi
Schnitt: Yoshiyuki Koike
Review
Das asiatische, speziell japanische Kino mutet dem Hollywood-sozialisierten Europäer sicher oft ein wenig seltsam an. Es ist “anders” inszeniert, die Figuren benehmen sich, gemessen an den uns vertrauten zwischenmenschlichen Interaktionen unverständlich, ihre Beweggründe verbleiben, aus der Perspektive unseres kulturellen Sozialisationshorizontes heraus gesehen, in einem Bereich der geringen Nachvollziehbarkeit. Ist diese kulturelle Barriere aber einmal überwunden, so wartet als Belohnung die Entdeckung einer bzw. mehrerer großartigen Filmnationen auf den geneigten Zuschauer.
Das schöne bei der Erschließung von Neuland ist zudem, dass sobald sich langsam ein wenig (und bei mir liegt die Betonung auf wenig) Routine eingeschlichen hat, ein Gefühl der Vertrautheit entsteht, welches jedoch in regelmäßigen Intervallen wieder eingerissen wird. Man meint, langsam ein Gespür für eine Materie zu entwickeln und hat doch nicht mehr, als die blanke Oberfläche gesehen – die nächste Überraschung ist nicht fern. In meinem Fall hieß sie nun KOKUHAKO. Ein grandioses Werk, welches die Dinge, zumindest aus meiner begrenzten Sicht, nochmals anders angeht. Nicht auf die Art anders, wie sie “die Japaner” – eine Filmnation deren Vertreter man selbstverständlich nicht plump als eine graue Masse über einen Kamm scheren darf – im Gegensatz zu “Westlern” anders machen, sondern anders, als überhaupt alle es machen.
Regisseur und Co-Autor Tetsuya Nakashima tut Dinge, mit denen wohl die wenigsten Filmemacher erfolgreich das Publikum überzeugen würden – z. B. lässt er in einem halbstündigen Segment eine Lehrerin ihrer Klasse die vollständige Basis der Filmhandlung ERZÄHLEN. Unterlegt ist das natürlich mit den dazugehörigen Bildern, wird aber von einem omnipräsenten Voiceover begleitet. Immer wieder springt das Bild (fast dauerhaft getragen von mysteriöser Klanguntermalung) in wilden Schnitten hin und her, Zeitlupen und Close-Ups werden eingeflochten, das alles wirkt angenehm wirr und verstörend.
Ein kleines Kind ist gestorben – durch die Hnd zweier Schüler der gezeigten Klasse. Vorsatz? Unfall? Und diese Tat wurde aufs Übelste vergolten. Behauptet die Lehrerin. Lügt sie? Hat sie es getan? Was folgt als logische Konsequenz? Tod? Reue? Vergebung?
Nakashima schafft bis zum letzten Moment seiner irren Geschichte nie Klarheit. In einem düsteren und fordernden Psychothriller, episodenhaft erzählt, überschreitet er immer wieder die Grenze zum grotesken Wahnsinn. Es geht um Schuld, um Verzweiflung und die essentielle Frage des potentiellen Rächers: Vergeltung oder Vergebung?
Sind Menschen von Grund auf böse, oder müssen sie es durch ihre Umwelt (repektive Familie) werden? Sind die Familie und die Bande die zwischen Eltern (respektive Müttern) und Kindern besteht der Ursprung aller Gewalt? KOKUHAKO balanciert an den Grenzen dieser Fragen entlang, lotet Antwortmöglichkeiten aus und liefert Vorschläge, aber keine absoluten Aussagen. Die Auflösung des Verbrechens gerät dabei schon fast in den Hintergrund. Viel mehr gilt es zu überdenken, wer hier was tut und wie gewichtig es ist. Die Bewertung dessen verbleibt jedoch allein beim Zuschauer, denn KOKUHAKO reflektiert die Subjektivität der Dinge und Hinterfragt den Begriff der der absoluten Wahrheit – Erinnerungen an RASHOMON kommen hoch. Genauso ist Thema, wie subjektiv de Begriff von gerechter Strafe eigentlich ist. Wo endet die Verhältnismäßigkeit?
Fragen über Fragen in einem audiovisuell überragend inszenierten, extrem wendungsreichen Film, dessen Kern sich wirklich schwer in Worte fassen lässt.
Wertung
9 von 10 bitteren Rache-Gelüsten
Veröffentlichung
GESTÄNDNISSE ist bei Rapid Eye Movies als BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Booklet, Making-of (ca.67 Min.) & Kinotrailer. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.
Weblinks
IMDB
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