Magical Mystery oder Die Rückkehr des Karl Schmidt (IMDb) – Satire/Drama/Musikfilm, Deutschland, 2017 – Regie: Arne Feldhusen, Skript: Sven Regener, Kamera: Christoph Iwanow & Lutz Reitemeier, Musik: VA, Copyright (Titelbild, Bildausschnitte, Trailer): DCM
Review
Itze-Itze-Itze-Itze, alle Arme hoch, Trillerpfeifen raus, Abfaaaaaaaahrt!
Er hat es in mittlerweile sechs (viel zu kurzen) Staffeln TATORTREINIGER bereits zur Genüge bewiesen und nun mit einem herrlichen Spielfilm endgültig alle Zweifel ausgeräumt: Arne Feldhusen kann es. Ziemlich gut sogar! Und wenn dann auch noch Sven Regener das Skript “verzapft” hat, ein Multitalent das mit HAI-ALARM AM MÜGGELSEE meinen vielleicht liebsten deutschen Film der letzten Jahre schrieb (und vertonte), plus auch zuvor im Gespann mit Leander Haußmann bereits mehrfach zur Höchstform auflief, rollt, bzw. schranzt da ein absolutes Must-See auf mich zu.
Gute Wahl, denn besonders mit Affinität zu elektronischer Musik, Wissen um ihre Ursprünge, sowie Bewusstsein für das auf absurde Größe gewachsene Massenphänomen, welches sie Mitte der Neunziger wurde, findet sich in MAGICAL MYSTERY reichlich Unterhaltungswert. Auf Peak Mainstream-Techno (den man keinesfalls „Tekkno“ aussprechen sollte), lassen Regener und Feldhusen eine Gruppe skurril-verpeilter DJs und/oder Produzenten und/oder Party-Nasen im gemieteten, schnell zugemüllten Bulli auf Achse durch die Republik gehen, um dem legendären Roadtrip der Beatles nachzueifern – ganze Nacht Party, ganze Nacht Mucke, auf der Suche nach einem Traum.
Abseits eines grandiosen visuellen Humors aus der Edgar Wright-Schule – allein durch Schnitte und Szenenabfolgen bringt Feldhusen eine gut gelaunte Dynamik in den Film, von der sich 90% aller hiesigen Kalauer-Jäger 3-4 Scheiben abschneiden könnten – und einiger bekannter Gesichter aus diversen TATORTREINIGER-Episoden (z.B. Bastian Reiber aus der grandiosen Amts-Parodie CARPE DIEM), schafft MAGICAL MYSTERY einen gekonnten Spagat, denn er ist sowohl Hommage an, wie auch Parodie einer einzigartigen Zeit. Techno, das ist und war schließlich nicht nur Musik, sondern ein Geist, eine Lebensart, der man sich hingab und sich von den Beats durch’s Leben treiben lies – immer in Bewegung, immer am Puls, auf der Suche nach perfekten Momenten mit perfekten Menschen.
Manche zumindest.
Oder man sprang halt auf eine Welle auf, mit der sich in einer gewissen Zeit ziemlich einfach ziemlich viel Kohle verdienen lies.
Den ewigen Konflikt zwischen künstlerischer Integrität, also dem nie abebbenden Durst nach Innovation und Qualität, und dem “Kommerz”, dem “Sellout”, den Trittbrettfahrern, die zu keinem Zeitpunkt mehr im Sinn hatten, als die Kuh zu melken, thematisiert MAGICAL MYSTERY ebenso sehr, wie auf ganz genereller Ebene die Reibungsflächen zwischen Normalität und einem Lebensstil, der sich dem Feiern und Tanzen bis 8 Uhr morgens verschrieben hat. Welten die nicht zusammen passen, werden von Hübner’s Karl Schmidt zwangsweise miteinander verwoben, wenn er die bunte Bande morgens halb aus den Clubs prügelt, um sich mit ihnen im Van wieder auf den Weg zu machen, oder mit absurden Bespaßungs-Unternehmungen die Tage zu verbringen.
Ambivalenz reagiert, “war schon ziemlich bekloppt damals…“ ruft der Film uns unter stetigem Kichern entgegen (ohne je seine Figuren zu verachten oder bloßzustellen, wie es jüngere Vertreter vom Schlage EINSAMKEIT UND SEX UND MITLEID auf zynischste Weise taten), nur um dann augenzwinkernd „aber irgendwie auch ziemlich geil!“ dranzuhängen. Zwischen Müllmannhosen und Trillerpfeifen lauschen wir dem „Hit mit der Flöte“, feiern mit auf Partys und, was sich im Nachgang als Kernelement des Films herausstellt, gehen mit Karl Schmidt auf eine emotionale Achterbahnfahrt.
Der ehemalige Künstler, einst verdrogt, dadurch in die Psychose gestrauchelt und nie wieder wirklich zurück auf die Beine gekommen, findet auf dem abgedrehten Roadtrip, mit seinen Hamstern im Kofferraum und inmitten der tobenden fiktiven Mayday im Finale des Films ein Stück weit wieder zu sich selbst zurück. Und zum Leben im Ganzen, denn was uns MAGICAL MYSTERY vor allem kommuniziert, ist die Notwendigkeit auf sich selbst zu hören. Tief in sich zu horchen und den eigenen Beat für’s Leben zu entdecken.
Außerdem stellt sich für Karl zwischen zig Bekloppten immer stärker die entscheidende Frage: Wer und was ist eigentlich bekloppt? Was macht Beklopptheit denn aus? Und weil der Film seine verschrobenen, naiv-fröhlichen, teilweise auch nicht unbedingt mit großer Intelligenz gesegneten (deswegen aber besonders sympathischen) Figuren nie aus der herzlichen Umarmung verliert, sagt er unterm Strich auf ganz eigene Weise ja zum Leben, lässt uns glauben dass der Kater nach der Feier zwar kommt, doch in der richtigen Gesellschaft eigentlich ganz gut auszuhalten ist. Motiviert uns, einen eigenen Weg zu gehen, ganz egal wie dieser aussehen mag – und trägt somit tatsächlich den tolerant-naiven Geist des Techno in sich.
So lobe ich mir mein deutsches Kino – charmant und mit ganz viel Herz.
Wertung
7 von 10 Müllmann-Jacken mit Trillerpfeife
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Der war wirklich ziemlich unterhaltsam und ich habe seit dem Schauen ständig den Drang mir Marmions Schöneberg anzuhören. Ich weiß gar nicht, warum…
Der war wirklich ziemlich unterhaltsam und ich habe seit dem Schauen ständig den Drang mir Marmions Schöneberg anzuhören. Ich weiß gar nicht, warum…
Auf den Film freue ich mich, läuft aber mal wieder in keinem Kino in der Nähe. Das Buch fnad ich Spitze.
Nichts gegen Charlie Hübner, aber die Entscheidung Detlef Buck nicht den Karl Schmidt spielen zu lassen, obwohl er diese Figur in “Herr Lehmann” gespielt hat, verstehe ich nicht.