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Fakten
Jahr: 2013
Genre: Horror
Regie: Fede Alvarez
Drehbuch: Fede Alvarez, Rodo Sayagues, Sam Raimi
Besetzung: Jane Levy, Shiloh Fernandez, Jessica Lucas, Elizabeth Blackmore, Lou Taylor Pucci
Kamera: Aaron Morton
Musik: Roque Baños
Schnitt: Bryan Shaw
Review
Sich einen der, zumindest unter Genrefans, bekanntesten und beliebtesten Horrorklassiker als Basis für ein modernes Remake unter den Nagel zu reißen, erscheint zunächst, aus jedem nur erdenklichen Blickwinkel betrachtet, wie eine schlechte Idee. EVIL DEAD von 1981 ist “Kult” und nicht wegzudenken aus der filmischen Genre-Sozialisation einer gesamten Generation, stellte er für viele doch zunächst einen unerreichbaren Mythos dar, der sich über die Zeit zum unantastbaren Teil der Jugend manifestierte. Der sagenumwobene Charakter der Videotapes, hierzulande natürlich unter dem Titel TANZ DER TEUFEL gehandelt, welche in den Neunziger Jahren auf Schulhöfen der Republik jeder behauptete gesehen zu haben, keiner jedoch in physischer Form an den Start bringen konnte, spricht eine deutliche Sprache – eine nicht zu leugnende Aura umgab Raimi’s Filmreihe schon immer. Und wer irgendwann tatsächlich, wahrscheinlich in viel zu jungen Jahren, ein VHS-Exemplar in die Finger bekam, staunte nicht schlecht und nahm entweder ein Trauma, oder eine tiefe Liebe für das Horrorgenre aus dieser Begegnung mit.
Wie es bei den meisten Klassikern ist, sind sie in den Augen dieser zahlreichen Fans genau deshalb so gut, weil sie sind wie sie sind. Exakt so. Nicht der Hauch einer Veränderung von Nöten, warum also neu machen? In Fall von EVIL DEAD wird es sogar noch komplizierter, denn zieht man die üblichen Argumentationsketten für Remakes heran, lässt sich das Vorhaben einer Neuverfilmung gleich in doppeltem Sinne als fragwürdig entlarven: Nicht nur, dass Fans den Film “weder wollen, noch brauchen”, auch der übliche Ansatz, einen sehr, sehr günstig produzierten Film in (vermeintlich) “verbessertem”, also technisch brillantem Anstrich nochmals zu präsentieren, geht nicht auf, hat Raimi schließlich bereits wenige Jahre nach dem damaligen Überraschungshit mit höheren Budget (welches aus dem Erfolg des ersten Films resultierte) seinen eigenen Film quasi noch mal gedreht. EVIL DEAD 2 ist streng genommen das erste Remake des Klassikers.
Man kann also im Vorfeld schon problemlos und deftig mit dem Knüppel auf dem geplanten Projekt herum kloppen – “was soll überhaupt dieser ganze Film, den brauchen wir doch nicht, das kann doch nur Müll werden”! Man kann es aber auch lassen, in seiner Erwartungshaltung offen bleiben und dem ganzen eine reelle Chance geben – ich selbst halte weder von Vorschusslorbeeren, noch von obig beschriebener Vorschussverurteilung etwas, plädiere grundsätzlich dafür, an ausnahmslos alles mit einer gewissen Grundoffenheit heranzugehen und vertrete die Devise: “Meckern kann man auch noch hinterher”. Zum Glück, wie sich nun nach Jahre verspäteter Sichtung dieses Films herausstellte.
Denn nicht nur ist EVIL DEAD (2013) ein (für sein Feld) handwerklich überdurchschnittlich kompetent inszeniertes Stück Horrorkino geworden, sondern weiß Regisseur (und Co-Autor) Fede Alvarez den altbekannten Abläufen des, für das “Hütte im Wald”-Genre richtungsweisenden Originals aus den 80ern, auch einen frischen Spin zu geben, der das Schlachtfest in der Einöde im Licht eines gänzlich neuen Subtexts erstrahlen lässt. In Alvarez’ Interpretation der Ereignisse fährt die Gruppe junger Erwachsener nämlich nicht mehr aus Spaß an der Freud in den Wald, sondern verfolgt ein konkretes, zu entspanntem Urlaub vollkommen gegenteiliges Ziel: In der völligen Abgeschiedenheit, jenseits jeglicher Zivilisation, soll der kalte Heroinentzug von Protagonistin Mia begleitet und zum Erfolg gebracht werden. Ohne die Möglichkeit zur Flucht (also Stoffbeschaffung), also mit minimiertem Rückfall-Risiko, soll diese die immensen körperlichen und mentalen Qualen durchstehen und als neue, geläuterte Version ihrer Selbst in die Stadt zurück kehren.
Kalter Entzug wird von ehemals süchtigen meist als der blanke Horror beschrieben – folgerichtig erlebt Mia in den straffen 90 Minuten also genau das: totalen Horror. Sich mit aller Macht Zugang zur verlassenen Hütte verschaffenden, absolut unkontrollierten Wahnsinn, entsprungen aus dem, in puncto Production-Design fantastisch gestalteten Necronomicon (symbolisch also der Droge), der in allegorische Bilder und Klänge gepresst an unserer Substanz nagt. Die charmante, damals von Raimi und anderen DIY-Horrorfans an Wochenenden mit einfachsten Mitteln zusammengeklöppelte B-Movie-Ästhetik, ist nun Relikt der Vergangenheit und auch der befreite, humorvolle Fun-Splatter-Ton zu großen Teilen passé – EVIL DEAD (2013) setzt uns bierernsten Terror vor, der durch die gelungene Effekt- und Kameraarbeit in hochfrequenter Taktung blutrote, höchst unangenehme Bilder generiert.
Alvarez hat das Prinzip der “Chekov’s Gun verinnerlicht und versteht sich darauf, bereits durch das frühe, beiläufige Einbinden von Nailguns, elektrischen Fleischermessern und anderen destruktiv einsetzbaren Alltagsgegenständen unangenehme Vorahnungen herauf zu beschwören – das wird kein gutes Ende nehmen. Dass die späteren Momente, in denen diese Werkzeuge dann gnadenlos zum Einsatz kommen, für Mimosen wie mich noch im Rahmen des erträglichen rangieren, verdanken wir vor allem einer Eigenschaft des Films: So hart und kompromisslos sich EVIL DEAD (2013) auch (oberflächlich) gibt – woraus sicher auch der heftige Ruf des Streifens resultiert – so sehr beinhaltet er einen kleinen, nötigen Restfunken an überzeichnet-humorvollem Spirit. Ab einem gewissen Punkt schlagen die morbiden Ereignisse so enorm über die Stränge, dass es schwer fällt, die irrsinnige Splatter-Party nicht zumindest ein wenig augenzwinkernd zu verstehen. Ganz hat sich Alvarez des ironischen Geistes der Vorlage eben doch nicht entledigt.
Diese zwei Charakteristiken – knallharter Gore-Horror, kontrastiert mit trashigen Dämon-Stimmen der besessenen jungen Mia, etc. – scheinen sich auf Anhieb zu beißen, eine zu krude Mischung zu bilden, doch wenn EVIL DEAD (2013) eines ist, dann atmosphärisch stimmig. Während die Macher in gelungener Symbiose aus beklemmendem Score und Bildern eifrig eigene ikonische Bilder erschaffen – z.B. den sehr speziellen Einsatz eines Cuttermessers dürfte niemand so schnell wieder vergessen – gelingt es zusätzlich, schöne atmosphärische Zitate der Vorlage einzubinden und so in Summe einen gesunden Mittelweg aus Härte, Creepiness und Absurdität zu finden. Die oftmals zu exzessiven (sowie recht konventionellen) Scream-Queen- und Jump-Scare-Motive sind das einzige, was gelegentlich das Erlebnis trübt
Man kann derartige Filme natürlich mit einfachsten Argumentationsketten als leere Gewaltorgie ohne Sinn abwatschen, doch so einfach ist es in diesem Falle (zum Glück) nicht. Ihm einen spannenden Gehalt abzusprechen, würde EVIL DEAD (2013) nicht gerecht. Denn nicht nur ist die Hölle auf Erden als gelungene Verbildlichung des kalten Entzuges angelegt, sondern immer wieder schaffen Alvarez und Symbole, die genau diesen Ansatz stützt – der Dämon (die Droge), der durch das Spalten der Zunge sein wahres, falsche Versprechungen machendes Ich offenbart, kurz bevor er eine weitere Person dem Tode weiht (also süchtig macht), ist nur eins davon. Und auch wenn die Schaffung interpretatorischer Herausforderungen sicher nicht das Hauptanliegen des Films ist, funktioniert diese Ebene doch exzellent.
Also Kinder, hier könnt ihr nicht nur verstörende Bilder in einer tighten State-Of-The-Art Inszenierung bewundern, hier könnt ihr sogar noch etwas lernen! Die Message ist klar: Finger weg vom Heroin, denn wenn es dich im Griff hat, dann richtig und wenn du irgendwann aus dem Blutregen der Entzugs-Hölle heraustrittst, weil Cold Turkey überstanden ist, wird nichts mehr sein wie vorher. H fordert Opfer. Lasst es lieber.
Wertung
7 von 10 abgefeuerten Nägeln
Veröffentlichung
EVIL DEAD ist in Deutschland in einer gekürzten Fassung bei Sony Pictures Home Entertainment als Steelbook, BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Tour de Force – Die intensive und kräftezehrende Entstehung des Films, Regisseur der Toten – Regisseur Fede Alvarez’ Neuentwurf eines kultigen Horrorklassikers, Mia Die körperliche und psychische Verwandlung in “die böse Mia”, Kommentar mit Besetzung und Filmemachern, Entfesselung des Bösen – Die Ursprünge und das Design des neuen Buchs der Toten, Das Remake von Evil Dead – Bruce Campbell, Proben, Deadites und vieles mehr. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
Amazon (*) (falls ihr das Amazon-Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):
Interessant. Ein gelungenes Horror-Remake? Du beschreibst das am Anfang recht schön. Übrigens war für mich der erste “Evil Dead” noch weniger Comedy, als ernsthafter Horror. Sicher trashig, aber nicht bewusst lustig. Aber das war nur mein Eindruck. Der zweite Teil ist dann wunderbare Comedy und der dritte sowieso. Das Grimmige hat die Filmreihe dennoch nie ganz abgelegt.
Ja, der hat mir in seiner Mischung aus Härte und Irrsinn echt gut gefallen.
Comedy war TANZ DER TEUFEL für mich auch nie, denn obwohl er ziemlich “drüber” ist, baut der durchweg eine sehr creepige Stimmung auf – nur eben immer in Wage mit einer gewissen Lockerheit. Werde den auch bald mal wieder auffrischen, die UK-Box steht schon im Regal