Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Das Erste / SWR
Fakten
Jahr: 2015
Genre: Thriller, Drama
Regie: Roland Suso Richter
Drehbuch: Holger Karsten Schmidt
Besetzung: Felix Klare, Richy Müller, Carolina Vera, Miranda Leonhardt, Robert Hunger-Bühler, Michaela Caspar, Miriam Joy Jung
Kamera: Jürgen Carle
Musik: Johannes Kobilke
Schnitt: ?
Review
Der Preis des Lebens. Wie hoch ist er? Gibt es überhaupt eine Währung die in der Lage ist ein adäquates Gegengewicht zu einer menschlichen Existenz zu geben?
Zugegeben, der TATORT ist wohl eine der letzten Anlaufstellen, wenn man diesen Fragen nachgeht. Koreanische Thriller oder tief-tragische Autoren-Dramen geben vielleicht im möglichen Rahmen die Antworten auf das un-benatwortbare, aber doch nicht die wöchentliche Dosis (oft banaler) deutscher Sonntagabends-Unterhaltung. Normalerweise. Denn diese Woche tickten die Uhren in Stuttgart anders – anstatt sich, wie so oft, lediglich zaghaft bis auf verschwommene Sichtweite an schwierige Themen wie Verlust, Schmerz und Verzweiflung heran zu wagen, geht die Episode PREIS DES LEBENS in die Vollen. Frontal auf Berührungskurs.
Das Fundament dieses Films, welcher sehr gut getimet und stilsicher zwischen traurigem Drama und packendend hartem Thriller balanciert, ist die Kerbe die ein Verlust in das Leben reißen kann. Wie wirst du damit fertig, wenn ein Mensch den du geliebt hast einfach nicht mehr da ist? Dir genommen wurde. Von anderen Menschen, die sich eventuell auch noch daran erfreuten, brutal und rücksichtslos zu morden und somit wissentlich mehr als nur eine Existenz zerstörten. Kann man einfach weitermachen? Fällt man in ein Loch, aus dem es unmöglich scheint heraus zu klettern? Oder wird der Durst nach Rache so groß, dass der einzige Antrieb für die weiteren Jahre der Wunsch nach Vergeltung ist?
In PREIS DE LEBENS hat eine Familie durch zwei Sexualstraftäter ihrer Tochter verloren. Einer wurde nie geschnappt, der andere kommt nach 15 Jahren aus dem Gefängnis frei – in der ersten Minute seines neuen Lebens fangen sie ihn ab, foltern ihn, um den Namen des unbekannten Mittäters zu erfahren und schmeißen ihn anschließend tot in eine Mülltonne. Auf die gleiche Art zu einem wertlosen Stück Fleisch degradiert, wie er es einst mit der eigenen Tochter tat. Blind vor Hass, Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Gleich aus mehrfacher Perspektive lotet die Episode aus, wie Schmerz den rationalen Verstand lähmt, wie ein Mensch mit vermeintlich gefestigten Moralvorstellungen zum Tier wird, das rot sieht und Blut fordert. Töten, um zu retten? Prinzipien über Bord werfen, um zu schützen, was einem heilig ist? Wem nützt das Lösen einer Gleichung deren Ergebnis nur Verlierer hervor bringt? Natürlich erreicht das Maß an visualisierter physischer Gewalt nicht den Level thematisch vergleichbarer Rache-Thriller der Marke 7 DAYS oder PRISONERS – doch dass muss es nicht, denn als auch noch Kommissar Bootz’ Tochter als Druckmittel entführt wird, passiert auf psychologischer Ebene endgültig mehr als genug, um das vollkommene Aussetzen jeglichen rationalen Handelns nachvollziehbar werden zu lassen. Menschen an der Grenze der Belastbarkeit, nah am Zusammenbruch, nur noch getrieben von einer einzigen Emotion, die sie zum Schatten ihrer Selbst werden lässt.
Wirken tut das, weil primär Felix Klage, gleich danach aber auch Richy Müller und Caroline Vera schauspielerisch über sich hinaus wachsen und den perfekten, intensiven Ausdruck im Kampf mit der Verzweiflung finden. Bewegende Performances, die einen deftigen Kloß im Hals platzieren. Als PREIS DES LEBENS dann ins letzte Drittel geht, beginnt er so sehr mitzureißen, dass die Fingernägel sich in die Handflächen bohren. Tempo, Unberechenbarkeit und die beklemmende Stimmung werden so weit intensiviert, dass Roland Suso Richter nun endgültig knallhartes Genrekino in Reinform abliefert. Das ausgedehnte Finale hält konstant einen derart hohen Spannungslevel aufrecht, dass dieser TATORT sich problemlos mit “echten” Thrillern messen kann. Eine selten hohe Intensitäts-Dichte, kühkl und astrein inszeniert, packend bis ins Letzte – PREIS DES LEBENS ist ganz klar ein Highlight der Reihe und somit ein neuer Zugang in meiner persönlichen TATORT-Top 5.
Wertung
8 von 10 entführten Töchtern
Veröffentlichung
TATORT: PREIS DES LEBENS ist eine Produktion des SWR und lief am 25. Oktober 2015 erstmalig in der ARD.
Weblinks
DAS ERSTE
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