Film: Marnie (1964)


Trailer © by Universal Pictures Germany GmbH


Fakten
Jahr: 1964
Genre: Drama, Psychothriller
Regie: Alfred Hitchcock
Drehbuch: Jay Presson Allen
Besetzung: Tippi Hedren, Sean Connery, Martin GabelDiane BakerAlan Napier
Kamera: Robert Burks
Musik: Bernard Herrmann
Schnitt: George Tomasini


Review
Hitchcock goes Psychoanalyse.

Tippi Hedren ist Marnie, eine junge Frau mit dubioser Vergangenheit. Sie jobbt von Firma zu Firma, stellt sich vor Ort mit den Kollegen gut und räumt anschließend kompromisslos den Tresor aus. Ihr scheint es rein optisch an nichts zu fehlen, also warum nur? Den einzigen Anhalts- und Erklärungspunkt für derart obsessives Verhalten bildet ein kurzzeitig angedeutetes, vollkommen gestörtes Verhältnis zu ihrer dominanten, gefühlskalten Mutter (der sie ständig Geld zu schicken scheint). Als dann Sean Connery als Mark Rutland, seines Zeichens Erbe einer der beraubten Firmen, die schwierige Marnie bei der Tat ertappt, sie mehr oder weniger erpresserisch in eine Ehe mit sich zwingt und im gemeinsamen Miteinander keine simplen, abweisenden Antworten mehr akzeptiert, bröckelt ihre toughe Fassade.

Was anfänglich nur wie eine atmosphärisch eingefangene Gaunergeschichte anmutet, bekommt schnell Elemente einer Romanze, sowie eines Beziehungsdramas und nimmt zu guterletzt die Abzweigung in den Sumpf tief psychologischer Traumata – der Meister jongliert mal wieder höchst (post)modern mit Filmgenres und verschmilzt sie zu einem Ganzen. Mark, hier in der Blüte von Connery’s Testosteron-geschwängertem Charisma verkörprt, gibt sich nicht mit Abspeisungen zufrieden und beginnt in Marnie’s Vergangenheit zu bohren. Diese sträubt sich immens, doch je mehr ihrer geschundenen Seele er in mühsamer, teils ruppiger psychologischer Kleinstarbeit freilegt, umso tiefer fällt sie in ein Loch. Die Wahrheit zu verdrängen ist oft leichter, als ihr ins Gesicht zu schauen. Stück für Stück erfahren wir mehr aus ihrer Vergangenheit, kriegen eine Ahnung, um welche schlimme Wahrheit es gehen könnte, doch das endgültige Bild formt sich nie klar genug, um die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen – Hitchcock, halt.

Formal stimmt in MARNIE alles: Durchweg schaffen Hitchcock’s Bilder und Bernard Hermann’s träumerisch-geheimnisvoller Score eine mysteriöse Stimmung, von farb-assoziierter Symbolik durchflutet geht es die Abwärtspirale immer weiter hinunter, bis tief unten die finale Erkenntnis lauert – und ihren Preis hat, versteht sich. Aus heutiger Sicht mag die Auflösung etwas einfach gestrickt wirken, aber man bedenke, dass MARNIE von 1964 ist – sowieso schon nicht unbedingt die Zeit in der Frauen Hauptrollen mit Charakter spielten, ein eigenes Wesen zugestanden bekamen und es bereits in den Volksmund durchgesickert war, dass krankhaftes Verhalten durch schwere persönliche Trauma ausgelöst sein kann. Insofern beschreitet Hitch hier mutige Pfade, denn er gesteht den Figuren Fehler zu, plädiert für Vergebung und flüstert uns zu, dass vieles wohl doch nicht so einfach ist, wie es auf Anhieb scheint.


Wertung
7 von 10 scharlachroten Panikattacken


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
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4 Gedanken zu „Film: Marnie (1964)“

  1. “Stark, wie #AlfredHitchcock im Film #Marnie bereits 1964 schwere psychologische Traumata thematisierte.”

    Das hat er doch schon 1945 in SPELLBOUND (ICH KÄMPFE UM DICH) gemacht.
    Gregory Peck dreht regelmäßig durch wenn er “Rillen” sieht, und mit Hilfe eines Therapeuten kommt er dem verdrängten Trauma auf die Spur – Freud lässt grüßen.

    Der absolute Hingucker in diesem Film sind die Traumsequenzen – gestaltet von einem gewissen Salvatore Dali. Talentiertes Kerlchen, der hätte gern mehr Filme designen dürfen

    1. Den kenne ich noch nicht. Leider ist das ja selbst für 1964 noch selten. Glaube ich. Vielleicht hab ich auch keine Ahnung Hitch hat aber oft Sachen gemacht, die seiner Zeit voraus waren!

  2. Tamino hat gerade THE BIRDS verrissen (nur ein Punkt in seiner Liste); tzz…so ein schöner Film, alleine diese Farben….

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