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Fakten
Jahr: 2013
Genre: Drama, Anklage
Regie: Steve McQueen
Drehbuch: John Ridley
Besetzung: Chiwetel Ejiofor, Lupita Nyong’o, Michael Kenneth Williams, Michael Fassbender, Scoot McNairy, Paul Giamatti, Benedict Cumberbatch, Paul Dano, Sarah Paulson, Garret Dillahunt, Brad Pitt, Alfre Woodard
Kamera: Sean Bobbitt
Musik: Hans Zimmer
Schnitt: Joe Walker
Review
Ich habe unglaubliche Probleme diesen Film für mich richtig einzuschätzen. Aufgrund des vorherigen Werkes SHAME von McQueen waren die Erwartungen riesig, nun weiß ich weder, was ich von 12 YEARS A SLAVE bei tieferer Betrachtung halte und noch nicht mal, ob er mir auf einer ganz primären Ebene gefallen hat oder nicht. Sofern “gefallen” das richtige Wort für ein Sklaven-Drama ist – klingt nämlich etwas deplatziert. Sagen wir also: ob ich ihn für einen funktionierenden Film halte? Vielleicht sträubt sich auch lediglich irgendetwas in mir zu akzeptieren, dass er eben nicht recht funktioniert – wie das immer bei fähigen Filmemachern ist.
Wer war Solomon Northup?
Das wusste ich vor dem Film nicht. Und nach dem Schauen weiß ich zwar was ihm widerfahren ist – nämlich schlimmes, unmenschliches, schier unerträgliches – aber wer er war, liegt weiterhin im Dunste verborgen.
Woran mag das liegen? McQueen erzählt zum dritten Mal das tragische Schicksal einer einzelnen Person, doch man hat nicht das Gefühl er kümmere sich wirklich um den Mann, den er uns in dieser Anklage an die US- (und natürlich auch globale westliche) Vergangenheit nahe bringen will. Stattdessen knallt er dem Zuschauer über zwei Stunden, beinahe unaufhörlich und mit voller Wucht die Greueltaten der amerikanischen Sklaverei ins Gesicht, liefert jede nur erdenkliche Demütigung in voller Zurschaustellung. Auspeitschungen bis der Rücken aufplatzt, brutale Vergewaltigungen an Frauen, die niemals auch nur irgendetwas gegen ihre Peiniger unternehmen werden können, Rassistenschweine die vor der versammelten Sklavenschaft “Run, Nigger, Run“-Hasslieder anstimmen und die Sklaven dazu zwingen den Beat zu klatschen, derbe Beleidigungen, jede Form der seelischen und psychischen Demütigungen.
Hass. Immer und immer wieder, in Dauerschleife. Zwei Stunden, nahezu komplett voller Hass, voller Gewalt und voller schrecklicher Dinge.
Aber sonst nichts. McQueen setzt alles daran uns durch betroffen und schuldig machende Bilder und direkte, leidende Blicke des Protagonisten in die Kamera ein ungutes Gefühl zu geben, will das Gezeigte als tief in der Menschheit verankert verkaufen, doch vergisst dabei auch das Innere seiner Figuren auszuleuchten. Uns verstehen zu lassen wo der Hass herkommt. Uns mitfühlen zu lassen, wie die Opfer dieses grausamen Systems es ertrugen jeden Morgen aufs Neue aufzustehen. In 12 YEARS A SLAVE scheint kein Sonnenstrahl zwischendurch, Hoffnung gibt es erst recht nicht. Vielleicht war das einfach so, wahrscheinlich sogar, aber da fehlt dennoch etwas, was einen Film voll krasser und emotional schockierender Bilder auch zu einem guten Film macht (sonst wäre jeder exploitative Torture-Porn automatisch gut). Was uns über die zermarternde Oberfläche hinaus die Psychologie beider Seiten näher bringt. Der vorliegende Film könnte eine drastische Dokumentation über einen (von vielen) dunklen Schandfleck(en) in der Geschichte der Menschheit namens Sklaverei sein, nicht das Portrait der höllischen Odyssee eines einzelnen Mannes.
Sicher waren die damalige Zeit und der tiefsitzende, verabscheuungswürdige Rassismus extrem und die Demütigungen und Gewalt kaum vorstellbar. Aber trotz allem gab es sicher nicht nur gut und böse. Trotz allem haben die Opfer gehofft, dass irgendwann eine Wende kommt. Haben gemeinsam versucht ihre Qualen zu überstehen. Und da liegt ein Problem in der Darstellung dieses Films: Es gibt nur und ausschließlich Extreme. Fassbender als wütender Großgrundbesitzer ist NUR böse und sadistisch – ein Teufel auf zwei Beinen, der wilkürlich prügelt, quält und demütigt. Alle Sklaven sind IMMER und ausnahmslos bis ins letzte bedrückt – es entsteht zwischen den Leidensgenossen nie auch nur ein Funken Freundschaft, Solidarität oder Anteilnahme. Nuanciertheit ist in diesem Drehbuch Fehlanzeige, es ist zu sehr damit beschäftigt uns Northup minutenlang, bzw. in der Filmwelt stundenlang, kurz vor dem Ersticken am Strick baumelnd zu zeigen.
Zwar signalisiert uns der Film durch Cumberbatch und Pitt’s Figuren, dass es auch damals schon Menschen gab, die ein wenig oder sogar ein wenig mehr über diesem Wahnsinn standen, die Güte und Menschlichkeit kannten und über stumpfe, auf Hautfarben basierende Vorurteile hinaus dachten, aber ansonsten regiert Gleichförmigkeit. Zudem beschlich mich bei zunehmender Laufzeit ein weiterer recht unangenehmer Gedanke – es scheint, als wolle McQueen bewusst Schuldgefühle im Publikum erzeugen. Wann immer Northup wieder ein wenig zu lange und ein wenig zu direkt in die Kamera schaut, wirkt dies auch wie eine Anklage an den Zuschauer. Ob in Teilen der USA nach wie vor ein so tief sitzender Rassismus vorherrscht, dass derartige Gesten angemessen scheinen, kann ich nicht beurteilen, ich persönlich jedoch – jemand für den Herkunft, Hautfarbe, Sexualität, etc. meines Gegenübers schlichtweg nicht die geringste Rolle spielen – empfinde es als unfaire, pauschalisierte Beleidigung in diese Richtung angeklagt zu werden – in Anbetracht der weltweiten politischen Geschehnisse verdient die Menschheit aber vielleicht auch eine pauschale Anklage mit Nachdruck – auf dass der Hass irgendwann mal abnehme – also sei es drum.
Dennoch ist 12 YEARS A SLAVE schockierendes, von allen Beteiligten wirklich brilliant gespieltes, nur leider ein wenig zu klar auf Anklage getrimmtes Feel-Bad-Kino in Reinform. Aber irgendwie kein guter Film. Vielleicht auch doch. Ich weiß es nicht.
Wertung
5 von 10 fehlenden psychologischen Fundamenten
Veröffentlichung
12 YEARS A SLAVE ist bei Tobis Home Entertainment als BluRay und DVD erschienen.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):
Ah, habe gerade über einen anderen Artikel von dir diesen hier gefunden – und fühle mich erstmals nicht allein mit meiner Ansicht zu dem Film!!! Danke. Ich habe ihn zwar einen Tick besser bewertet, habe mir aber auch so richtig schwer getan, ihn überhaupt zu bewerten: https://singendelehrerin.wordpress.com/2013/12/28/12-years-a-slave-steve-mcqueen-usauk-2013/
Fast alle anderen Kritiken, die ich so in der Bloggerwelt gelesen habe, waren meist total positiv, und dann bekam er auch noch den Oscar für den Besten Film… Ich mag ihn trotzdem nicht wirklich.
Puh, dann bin ich jetzt miz meiner Meinung endlich nicht mehr so gut wie allein. Mit etwa einem Jahr Abstand ist mein größtes Problem mit dem Film wohl, dass er die ganze Zeit so unglaublich stark anklagt, anstatt sich mit dem wirklich interessanten Fragen auseinander zu setzen (nämlich wie es aus psychologischer Sicht dazu kommt, dass Menschen derart verachtenswert wie die Sklaventreiber handeln).
Stimmt. Zumal McQueen das meines Erachtens in den beiden Filmen davor eben schon gemacht hat. Umso bedauerlicher, dass es in diesem Film nicht so klappt.
Muss HUNGER endlich mal sehen, denn SHAME ist für mich ein 10/10 Film!
Mit der Härte hätte ich an sich überhaupt kein Problem (generell auch mit Feel-Bad-Filmen nicht), weil ich mir zwar bewusst bin, wie abstoßend Gewalt ist, allerdings Filme schätze, die sie dann tatsächlich mal in dieser abstoßenden Form zeigen. Sonst bringt der Held ja immer alle um und uns wird weißgemacht das wäre gar kein Problem und Konflikte liesen sich ja eh am besten mit Gewalt lösen.
Allerdings fand ich die Erzählstruktur hier einfach fragwürdig. Vielleicht muss man dem Durschnittsami mit aller Gewalt vorsetzen was damals los war, aber mir hat diese Aneinanderreihung von nonstop heftigen Szenen nicht ausgereicht. Ist immerhin ein Film und keine Doku. Da erwarte ich auch erzählerisch etwas (vor allem weil die Entführung von Solomon ja definitiv eine erzählenswerte Geschichte ist).
ich fand ihn zu hart zu gucken. haette mir vorher jemand einige szene erzaehlt durch die ich mich quaelen muss haette ich mir das geld gespart.