Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Universal Pictures Germany
Fakten
Jahr: 2013
Genre: Drama, Thriller, Lovestory, Horror, Mystery
Regie: Alexandre Aja
Drehbuch: Keith Bunin, Joe Hill (Romanvorlage (*))
Besetzung: Daniel Radcliffe, Juno Temple, Max Minghella, Joe Anderson, Kelli Garner, David Morse, Heather Graham
Kamera: Frederick Elmes
Musik: Robin Coudert
Schnitt: Baxter
Review
Als Alexandra Aja im Jahr 2003 mit dem knallharten Genre-Kracher HIGH TENSION schlagartig auf den Schirmen der Horror-Gemeinde erschien und drei Jahre später mit dem mehr als gelungenen Remake des Wes Craven Terror-Klassikers THE HILLS HAVE EYES nachlegte, war sich das Gros der Genre-Freunde einig: Hier hat ein vielversprechender Filmemacher, einer der uns in den nächsten Jahren schonungslos und kraftvoll seelisch zermarternde Bilder um die Ohren knallen wird, die Bühne betreten. Mit dem zwei Jahre später folgenden MIRRORS (wieder einen Remake, dieses Mal jedoch eines asiatischen Films) setzte die erste, dafür jedoch umso intensivere Ernüchterung ein. Der verflixte dritte Film, die Allgemeinheit war wenig angetan – die erhoffte Härte war weg, der Film wenig stilsicher erzählt, die zuvor etablierte eigene Handschrift schien verwässert. Gutes Stichwort: Wasser. Mit dem wieder zwei Jahre später auf die Leinwand gebrachten PIRANHA 3D (nunmehr das dritte Mal in Folge, dass Aja bereits vorliegende Stoffe konservierte) polarisierte er enorm, da dieses formelle Experiment voll Blut und Titten die endgültige Abkehr von beklemmender Verstörung markierte. Die einzige Intention: durch ins Groteske überzeichnete Blut-Fontänen und unmissverständlichen Party-Appeal simpel Spaß machen – mehr sollte PIRANHA 3D nicht. Nur vier Filme seit dem Durchbruch also und doch schon ein großes auf und ab in der Wahrnehmung der Karriere dieses Horror-Filmers. Schön an derartiger Varianz im Werk eines Filmemachers ist jedoch die vollkommene Unberechenbarkeit seines nächsten Beitrags – wo also positioniert sich nun die gleichnamige Adaption des Joe Hill Romans HORNS? Die Antwort ist nicht leicht, denn das einzige was vollkommen klar erscheint, ist das Aja sich mit diesem (international schon 2013-2014 veröffentlichten) Werk in Gefilde vorwagt, die für ihn bis dato noch brachliegendes Terrain darstellten.
Wenn diese Geschichte um den jungen Radio-DJ “Ig”, nach eigener Aussage unschuldig des Mordes an der eigenen Freundin angeklagt, aber offenkundig von den Massen bereits als verachtenswerter Täter gebrandmarkt, sich primär durch eines auszeichnet, dann eine selten krude Mischung aus Versatzstücken vielseitiger Film-Genres. Dass Ig auf eigene Faust loszieht, um den wahren Täter zu finden, liebäugelt mit Crime- oder Thriller-Charakteristik, welche schnell durch Rückblenden an die schier perfekte gemeinsame Zeit mit der ermordeten Freundin (dargestellt als ein strahlend gutes Wesen und everybodys’s Darling) aufgebrochen wird – sobald Ig von vergangenen Tagen schwärmt, befinden wir uns auf Knopfdruck in einer sonnendurchflutet-kitschigen Liebesgeschichte allererster Güte. Soweit, so gut. Nach einer herben Konfrontation mit seinem Vater, deren dramatischer Impact kein leichter ist, schleichen sich erste, ungeahnt verrückte Elemente ein: wie das Filmplakat schon andeutet, bleibt dies kein kühler Liebes-Thriller und Ig nicht in seinem menschlichen Normalzustand. Eines Morgens erwacht er mit kleinen Beulen auf der Stirn, bald reißt die Haut und waschechte Teufelshörner beginnen ihm zu wachsen. Wieso, weshalb, warum? Weder er noch wir bekommen diese Antwort, die bald auftretenden positiven Aspekte der morbiden Transformationen lassen Ig diese missliche Situation jedoch schnell akzeptieren: zunehmend tendieren die ihn umgebenden Menschen dazu, seelisch die Hose runter zu lassen – ein Befehl seinerseits reicht, um tief in die Windungen fremder Hirne abzutauchen und dankend die dunkelsten Wünsche und Geheimnisse seiner Gegenüber ausgebreitet zu bekommen. Nicht die schlechteste Basis, wenn man gerne den wirklichen Mörder der eigentlichen Freundin entlarven möchte.
So zusammengewürfelt dies auch klingt, fällt schnell auf, dass Aja stilsicher all diese (für sich genommen) recht konträren Fragmente zu einem Ganzen verschmilzt. Eine düstere, mysteriöse Stimmung überspannt die Geschehnisse, Themenkomplexe um die seelische Ausgebranntheit nach dem Verlust der Tochter, gesellschaftliche Stigmatisierung, oder nagenden Egoismus werden gestreift und selbst die liebestrunkenen Rückblenden sind von einem nervösen Gefühl durchzogen: Hier ist etwas unheimliches im Busch, hier wird irgendwann noch schlimmes passieren. In Verbindung mit der stringenten Musikauswahl – von David Bowie’s HEROES über den Pixies Klassiker WHERE IS MY MIND? sind einige Knaller verarbeitet – spielt Aja immer wieder sein inszenatorisches Geschick aus und erzeugt innerhalb der jeweiligen Szenen eine starke emotionale Wirkung. Dass in kleinen Spitzen die ein oder andere Referenz an blutige Terror-Tage aufkeimt, gibt dem Ganzen obendrein einen wundervoll irren Anstrich. Erzählerisch, also in konkreten Punkten wie Fortgang des Plots, Enthüllung von Wendungen, oder schlicht Darreichung von notwendiger Information, holpert es leider ein wenig: Aja will alles bis ins letzte auserzählen, keine offenen Enden zurücklassen, so dass bis auf das (auch final nicht explizit geklärte) Mysterium der gewachsenen Hörner keine Fragen zurückbleiben. Dabei fehlt ihm ein wenig (bzw. teilweise stark) das Gespür für notwendige Auslassungen: Weil immer im erwartbaren Moment auf Rückblenden umgeschnitten wird, die uns genau das zeigen, was plotwise zu erwarten war, bleibt wenig Raum für wirkliches Mystery-Feeling, oder echte Überraschung. Durch einem Film wo alles möglich wäre, führt Aja rückblickend doch recht konventionell, so dass Antworten auf die Fragen “wer?” und “wieso?” leider leicht plump daher kommen. Letzteres muss jedoch nicht heißen, dass HORNS nicht in sich stimmig sei: die sternförmigen Ausflüge in sämtliche Stilrichtungen fallen immer wieder auf das zentrale Motive zurück – die Liebe – welches in symbolischer Form sowohl das Wachsen der Hörner nach dem Verlust des engelsgleichen Gegenpols erklärt, wie auch Figuren und Plot mit gesundem Antrieb versieht. Ist der Mensch schlecht ohne Liebe? Eine zentrale Frage, die Aja mit bedingter Tiefe auslotet, die aber konstant durch den Film führt – für einen roten Faden ist also gesorgt und so ist HORNS zwar ein wenig zu lang, aber dennoch ein guter Film. Man darf gespannt sein in welche Richtung Aja’s nächster, THE 9TH LIFE OF LOUIS DRAX, ausgerichtet sein wird.
Wertung
6 von 10 dem Teufel offenbarten Sünden
Veröffentlichung
HORNS ist bei Universal Pictures Germany als BluRay, VoD und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Hinter den Kulissen. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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