Kraftidioten (IMDb) – Schwarze Komödie, Rachethriller, Norwegen, 2014 – Regie: Hans Petter Moland, Skript: Kim Fupz Aakeson, Kamera: Philip Øgaard, Musik: Brian Batz, Copyright (Titelbild, Bildausschnitte, Trailer): good!movies
Review
Söhne wollen bescheißen, aber werden von Gangstern getötet, Väter trauern um sie und töten dann Gangster. Allzu viel gesprochen wird nicht dabei, nur der Schnee rieselt leise und stetig. Tat er schon immer und wird er auch weiter tun – lange über das kleine unbedeutende Dasein der Menschen, ihre absurden Probleme, und ihre blutigen Rachefeldzüge hinaus. Wenn diese Wichte vom eisigen Antlitz des Erdbodens verschwunden sind, vor dem Angesicht einer mächtigen Natur in die Knie gezwungen, so roh und konsequent, dass wir trotz aller Vorsicht immer nur Gast in ihr bleiben werden, verblassen derartige Irrungen des Lebens und Sterbens sowieso nur zur unbedeutenden Farce. Der Himmel wird blau sein, der Schnee wird fallen, endlos, auch wenn morbide Spektakel wie dieses lang vergessen sind.
Es ist dieses ausgeprägte Gefühl der Unaufgeregtheit, fast schon Beiläufigkeit, welches KRAFTIDIOTEN als eigenen Weg wählt, um in gleichbleibender Tonlage von einem zu erzählen, der ohne es zu wollen in eine üble Sache hineinrutschte, der er eigentlich nicht im Ansatz gewachsen sein dürfte, sich aber durchboxt statt klein beizugeben. Er – Nils Dickman, Normalbürger nach Vorschrift – war ein stiller Niemand, dessen hauptsächliche Außenwirkung sich auf Erheiterung bezüglich seines Nachnamens beschränkte. Doch der unerträgliche Schmerz des familiären Verlustes dient als Triebmittel einer radikalen Vendetta inmitten des täuschend besinnlichen Weiß des Nordens. Einem Weiß, auf dem sich rote Flecken prägnant abzeichnen.
Doch obwohl auf seinem Weg bald schon kaltblütig gefoltert und gemordet wird, Bandenkriege zwischen Serben und Norwegern ausbrechen und jegliche Moral auf der Strecke bleibt, wirkt all der blutige Zirkus wie keine große Sache – zumindest erzählt der Film uns die Geschichte entsprechend. Lakonisch. Unspektakulär. Mäandernd, auf eine Art, die die Dinge ohne große dramaturgische Kniffe und Haken einfach passieren lässt.
Die arroganten Gangster, die Nils (mit großem Überraschungsmoment auf seiner Seite) “einen nach dem anderen” umnietet, macht dies trotzdem nicht wieder lebendiger, die Konsequenzen bleiben also fatal. Überhaupt liegt in KRAFTIDIOTEN etwas in der Luft – ein stetiges Gefühl der Beklemmung. Man zweifelt in Hans Petter Moland’s stillem Werk keine Sekunde daran, sich in langsamem, aber konstantem Tempo auf das Unvermeidliche zu zu bewegen, auf ein Finale, in dem es für niemanden gut ausgehen kann.
Skarsgard als unterschätzten Racheengel, der in seiner Paraderolle als wortkarger Einzelgänger die perfekte Balance zwischen unbeholfenem Normalbürger und explosiver Unberechenbarkeit findet, verkauft glaubhaft, dass er – als nach dem Verlust des getöteten Sohnes auch noch die Frau in Trauer wegläuft und sein Lebensmut auf den Nullpunkt sinkt – zu allem bereit ist, nichts mehr zu verlieren hat. Eben diese Todessehnsucht macht den Unterschied, lässt ihn in den typisch nordischen, hochgradig makaberen, weil immerfort von so trocken wie tiefschwarzem Humor durchzogenen Konfrontationen bis zum Äußersten gehen. Der wildgewordene “Bürger des Jahres” will schließlich nicht gehen, ohne möglichst viele Männer des exzentrischen “Grafen” mit ins Grab zu nehmen.
Besagter “Graf”, ein chiquer Gangsterboss, auf der einen Seite streng veganer Gesundheitsfreak mit Hang zu Design-Klassikern, auf der anderen cholerischer Frauenschläger und eiskalter Killer, wirkt in sich bereits wie eine groteske Parodie seiner selbst und stellt damit einen von vielen Faktoren dar, die KRAFTIDIOTEN (auch) zu einer überaus skurrilen Angelegenheit machen. Man nehme noch zwei unfähige Dorfsheriffs, die sich für DIRTY HARRY halten, aber aus Scheu vor Kälte nicht den Wagen verlassen, einen Trupp serbischer Killer (unter der Leitung ihres Anführers Bruno Ganz), die vor dem großen Massaker noch kindlich eine Schneeballschlacht veranstalten, oder ganz allgemein einfach die Prämisse, dass unser (fragwürdiger) “Held” als Ottonormalverbraucher die gesamte organisierte Kriminalität eines Landstrichs ausräuchert und es besteht kein Zweifel mehr, eine typisch-nordische Schwarze Komödie vor der Nase zu haben.
Kranken tut KRAFTIDIOTEN dann eigentlich nur an einer relativ repetitiven Schematik, die sich über die Laufzeit abzunutzen beginnt. Nils trifft Gangster, entlockt ihm Informationen, macht kurzen Prozess und steigt ins nächste “Level” auf. Zwar steht durchweg auf wackligen Beinen ob er es zum “Endgegner” schaffen wird – dies ist keiner der Filme, in denen das Happy-End bereits mit dem Vorspann gesetzt scheint – aber der gleichförmige Ablauf der Konfrontationen ist irgendwann breitgetreten. Einen Hang zur lakonischen Langsamkeit vorausgesetzt, wird der Fan unterkühlter nordischer Filmkunst aber dennoch auf seine Kosten kommen.
Wertung
6-7 von 10 bei Nacht geräumten Straßen
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