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Fakten
Jahr: 1974
Genre: Satire, Drama
Regie: Michel Deville
Drehbuch: Christopher Frank, Roger Blondel (Vorlage)
Besetzung: Jean-Louis Trintignant, Jean-Pierre Cassel, Romy Schneider, Jane Birkin, Henri Garcin, Georges Beller, Georges Wilson, Estella Blain, Florinda Bolkan, Dominique Constanza, Jean-François Balmer
Kamera: Claude Lecomte
Musik: Verschiedene Originalmusik
Schnitt: Raymonde Guyot
Review
Wenn ich mich irgendwann erinnern muss, was mir aus LE MOUTON ENRAGÉ am meisten in Erinnerung geblieben ist, dann wird das wohl (abseits der bezaubernden Romy Schneider) die extreme Diskrepanz zwischen dynamischem, modernem, konsequentem, unheimlich experimentierfreudigem Inszenierungsstil und dem zwar zeitweise überzeugenden, über weite Durststrecken jedoch nur zäh und schleppend voransschreitendem Inhalt sein.
Besagter Inhalt vereint, mal offensichtlich, mal (leider) ganz tief versteckt eine Fülle genialer Ansätze – etwas Satire, eine interessante Vielschichtigkeit und Doppeldeutigkeit auf narrativer Ebene, gesellschafts- und sozialkritische Elemente, Humor und Zynismus. Das alles ist, vielleicht auch aufgrund der Fülle an gesammelten Inhalten, fasts chon zu viel und dennoch leider wenig ausformuliert, vielleicht auch lediglich mir persönlich zu wenig prägnant herausgearbeitet.
Da wäre zum einen das spannende Verhältnis der Hauptfigur Monsieur Mallet zu seinem körperlich gehandicapten (und daher immer sitzend im Bistro anzutreffenden) Freund Claude Fabre. Bereits das Verhältnis, bzw. die Natur der beiden Figuren ist vielseitig interpretierbar und es macht Spaß diese Gedanken soweit zu spinnen, dass die Frage aufkommt: “Gibt es einen der beiden vielleicht gar nicht?” Ist Mallet ein abbild des sich entwickelnden Skripts des Schriftstellers Fabre, der auf einer mentalen Ebene im Dialog mit seinem niedergeschriebenen Protagonisten steht und nur über Kommunikation mit diesem Produkt seiner Phantasie den Fortlauf der Handlung neu speisen kann?
Ist Fabre gar nicht real, sondern eine Art abgespaltener Teil von Mallet’s Persönlichkeit, die er sich (vergleichbar mit einem gewissen Tyler Durden) erschaffen hat, um aus seinem alten, wenig spannenden bürgerlichen Leben auszubrechen? Ist Fabre gar das Sinnbild für höhere Fügung und die Kraft bzw. Effektivität die Entstehen kann, wenn der Einzelne seinen spontanen Eingebungen folgt, seine Alltagsmechanismen bewusst über Bord wirft? Viel ist da zu deuten (vielleicht auch gar nichts), und so viel/wenig Sinn auch jede Möglichkeit macht: die Antwort ist nicht klar und somit jedem Zuschauer selbst überlassen.
Dann liegt streckenweise eine (fast) bissige Kritik an der Gesellschaft, der Rolle der Geschlechter und explizit männlichen Ritualen und Gewaltakten vor: “Sich hochschlafen”. Ein negativ behafteter und geschlechtsspezifisch eindeutig zugewiesener Begriff, wird hier um 180° gedreht und entgegen der ersten Assoziation von einem Mann betrieben. Wohlhabende Nichten, reiche und verwitwete Damen, Society-Starlets mit Ruhm und Einfluss – unser Protagonist macht auf seinem (von Freund Chabre klar instruierten) Weg nach oben vor nichts halt. Der Niemand steuert geradlinig auf Dagobert’s Geldspeicher zu, der Zweck heiligt die Mittel.
Doch zu welchem Preis?
Ein wenig fühlt Regisseur Deville noch der High-Society, den “Mächtigen” auf den Zahn und demaskiert ein wenig das Prinzip des Aufstiegs aus den falschen Gründen (Connections und noch mehr Connections – eine Hand wäscht die andere), sowie die Effektivität von harscher, gewaltsamer Vorgehensweise – man denke direkt an das erste Treffen von Marie-Paule und Mallet, welches alles andere als angenehm verläuft.
Das dritte essentielle Thema in Deville’s Film ist von romantischer Natur. Unzählige Frauen liegen Mallet zu Füßen, er kann alles und jeden haben – den großen Wagen, die Anerkennung und die Macht. Doch was geht im Inneren vor sich? Hier verpackt LE MOUTON ENRAGÉ eine sehr spät klar werdende und deshalb umso effektivere Parabel über Sinn und Zweck des Daseins, Ziele und Erfüllung.
Klingt alles richtig gut und genannte Charakteristika sind ohne Zweifel Qualitäten des Films, die man jedoch, speziell in der ersten Filmhälfte, wirklich aktiv suchen muss, denn ganz entgegen der hohen visuellen Dynamik – für 1974 liegt ein sehr untypischer, weil zackig-schneller Schnitt vor, der mit fixen Kameraperspektiven und -fahrten, sowie abrupt genutzten Zoom-Effekten harmoniert – schleppt sich der Film leider hier und da von Szene zu Szene. Das “Viewing-Pleasure” deckt sich nicht ganz mit den guten inhaltlichen Ansätzen. Trotzdem beim ersten Schauen ein guter Film, der gegen Ende noch schön Fahrt aufnimmt und vielleicht im zweiten Durchgang noch ein bißchen klarer zu verstehen ist.
Wertung
6 von 10 gewinnbringenden Bettgeschichten
Veröffentlichung
DAS WILDE SCHAF ist bei FilmConfect als BluRay-Mediabook und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Vorfilm: “Cul de Sac”. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
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Streamen: Werstreamt.es
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