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Fakten
Jahr: 2005
Genre: Thriller, Gangsterfilm
Regie: Johnnie To
Drehbuch: Yau Nai-Hoi, Yip Tin-Shing
Besetzung: Simon Yam, Tony Ka Fai Leung, Louis Koo, Nick Cheung, Lam Ka-Tung, Maggie Siu, Cheung Siu-Fai
Kamera: Cheng Siu-Keung
Musik: Lo Ta-yu
Schnitt: Patrick Tam
Review
Alte Tradition versus moderne (kapitalistische) Welt – in Johnny To’s kühlem Triaden-Thriller ELECTION prallen mit aller Härte im Wandel der Zeit verschobene Weltanschauungen aufeinander.
Eigentlich soll lediglich der Anführer einer Hongkong’schen Triade neu gewählt werden – ein alt eingebrachtes Ritual, wie es alle zwei Jahre stattfindet – doch entgegen aller Bekundungen von Loyalität, Respekt und Ehre, zählt hier schon lange nicht mehr der tauglichste Kandidat. Alles nur Fassade – die Mechanismen der Weltwirtschaft haben auch vor den sagenumwobenen chinesischen Geheimbünden nicht halt gemacht und wer die meisten Klinken putzt, finanziell versteht sich, bekommt den Zuschlag. Als allerdings plötzlich und unerwartet die alte Garde des inneren Zirkels beschließt wieder nach reinem Gewissen zu handeln, um das ehrenvolle Ritual nicht endgültig zu einer Versteigerung verkommen zu lassen, geht dies dem zahlungskräftigen Anwärter enorm gegen den Strich und die Balance der Triade gerät ins Wanken. Ein weiteres Problem: Der Drachenkopf, ein seit jeher vom Anführer an den Nachfolger überreichtes Symbol der Macht, wurde vom Vorgänger an einen unbekannten Ort gebracht und ist unauffindbar – doch erst die Übergabe besiegelt den Wechsel an der Spitze, bis dahin herrscht Chaos.
Johnnie To holt sich einen beachtlichen Cast ins Boot und inszeniert den anstehenden Machtkampf zwischen dem leer ausgegangenen, impulsiven Big D (Tony Leung Ka Fai) und dem kühl-berechnenden neuen Kopf der Triade Lok (Simon Yam), als ein nüchternes Verwirrspiel voller Verstrickungen, Wechsel der Loyalitäten und quer gesponnener Fäden. Mittendrin die Polizei, die dauerhaft versucht führende Köpfe der Organisation hinter Gitter zu bringen, aber ein ums andere Mal am finanzstarken, einflussreichen Machtapparat hinter den Bossen scheitert. Schaffen die engagierten Beamten es dann ausnahmsweise doch mal, einige der bedeutsamen Männer in Untersuchungshaft zu bringen, dirigieren diese selbst von dort aus noch ihre Geschäfte, das Tagesgeschehen der Stadt, oder beschließen “Kriegserklärungen” gegen aus der Reihe tanzende Brüder.
Stark wirkt ELECTION, als würde To versuchen anhand einer zunächst fiktiv erscheinenden Story die realen Verhältnisse in seiner Heimatstadt Hongkong abzubilden: Triaden als Teil des Ganzen, zig Tausende Männer gehören ihnen an, über hunderte Jahre sind sie fest mit dem System verwachsen – eines existiert nicht mehr ohne das andere und sich voneinander frei zu schneiden ist schier unmöglich, denn in jeglichen Aspekten des alltäglichen Lebens haben Triaden ihre Finger drin. In Hongkong ist bereits die Mitgliedschaft in selbigen als kriminell eingestuft und steht unter Strafe – kein Zweifel also, dass der Staat diese (übrigens keineswegs mit der klassischen Mafia gleichzusetzenden) Strukturen gern los werden will – doch To lässt in ELECTION keine Zweifel aufkommen, dass der Feldzug der Autoritäten ein Ritt gegen Windmühlen ist. Es ist zu spät für eine tiefschürfende Veränderung, das System ist etabliert.
Viel vordergründiger erzählen die atmosphärischen Bilder jedoch vom Werte-Verfall, denn strenge Prinzipien sind einem traurigen Opportunismus gewichen: Loyalität gilt nicht mehr dem, der sie einst laut Hierarchie verdiente, sondern nur noch dem, der die meisten Aufstiegsmöglichkeiten verspricht – allerdings nur bis zu der Sekunde, in der sich eine bessere Chance auftut, dann wird selbst engen Verbündeten gnadenlos in den Rücken gefallen. Es zählt der eigene Vorteil und zwar NUR der – das Resultat sind sich ständig verschiebende Fronten, wodurch ELECTION zugegebenermaßen im ersten Durchlauf etwas wirr, oder zumindest überladen erscheint – zahllose Figuren bekommen aus etlichen Richtungen Befehle, eine Vielzahl wichtiger Bosse macht blitzschnelle Beschlüssen in Hinterzimmern oder Gefängniszellen, worauf die Gangster auf den Straßen sich ohne zu Zögern mit der Gegenseite solidarisieren. Doch diese hohe Konzentration an Figuren und Gangstern vermitteln einen Kernaspekt des Films sehr effizient: Sie sind überall. Jeder Mann auf Hongkong’s Straßen (oder zumindest To’s Version dieser) kann ein Mitglied der Triaden sein, egal ob dubioser Zuhälter im Rotlichtviertel, oder anständiger Einweiser im Parkhaus.
In Summe ein interessanter, packender Film, mit einigen sehr heftigen Gewaltausbrüchen, der trotz sehr viel Dialog, aber sehr geringer Action- oder Shootout-Dichte durchweg fesselt, weil sich ein angenehmes Brodeln auf Ebene der Figuren aufstaut. Ein paar Figuren zu viel, doch dies deutet an, dass ELECTION im nächsten Durchgang wahrscheinlich noch besser wirken kann.
Wertung
7 von 10 vernetzten Triaden-Banden
Veröffentlichung
ELECTION ist bei 3L Homevideo als BluRay im Bundle mit ELECTION 2 und als DVD erschienen. Das Bonusmatrial beinhaltet: Making of (deutsch untertitelt), Deutscher Originaltrailer, Chinesischer Originaltrailer, Chinesiche TV-Spots, Bio- und Filmografien zu Regisseur und Darstellern & Trailershow.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):
Yeah! Kannst dich weiter auf den zweiten Teil freuen, da er sich primär auf eine Figur (Louis Koo) konzentriert und dadurch stringenter wirkt. (Weiß nie, ob ich das schon an anderer Stelle mal geschrieben habe…). Als Fundament ist der hier aber definitiv wichtig.
Hast du. Steigert aber meine Vorfreude nur umso mehr, dass du es immer wieder betonst
Oh, dann bin ich jetzt besser ruhig. Nicht dass du noch wegen zu hoher Erwartungen enttäuscht wirst.
Aber der zweite ist schon ein Sahnebonbon…