Film: Match Point (2005)


Trailer © by Paramount Home Entertainment


Fakten
Jahr: 2005
Genre: Drama
Regie: Woody Allen
Drehbuch: Woody Allen
Besetzung: Scarlett Johansson, Jonathan Rhys Meyers, Emily Mortimer, Matthew Goode, Brian Cox, Penelope Wilton, Ewen Bremner, James Nesbitt
Kamera: Remi Adefarasin
Musik: Verschiedene (*)
Schnitt: Alisa Lepselter


Review
Lebst du so, wie es deinem Wesen entspricht, oder bist du unmerklich in eine Richtung gerutscht, die dir eigentlich gar nicht recht ist? Schaffst du, falls es in diese falsche Richtung geht, die Notbremse rechtzeitig zu ziehen, oder begibst du dich immer weiter in Abhängigkeiten, die dir irgendwann deine Eigenständigkeiten rauben werden? Spielst du nur eine Rolle, die andere von dir erwarten, weil dieser Erwartung zu entsprechen der bequemere Weg ist, der des geringsten Widerstandes?

Fragen über Fragen, die in letzter Instanz immer auf das eine, höchst komplexe Thema hinaus laufen: Ehrlichkeit zu sich selbst. Belügt man sich bereits durch die Art wie man lebt, die Entscheidungen die man trifft und den Weg den man einschlägt?

MATCH POINT ist für mich wahrscheinlich DER Woody Allen Film der Nuller Jahre. Zwar würde ich 1-2 andere Exemplare als überdurchschnittlich gelungen einstufen, doch ist dieser ganz klar das düsterste, was er in der Dekade auf die Leinwand gebracht hat. Und das ehrlichste. Denn oben angerissene Themenkomplexe sind nicht leicht zu verdauen, weil sie kraftvoll in den Kern des menschlichen Daseins vorstoßen und unbequeme Wahrheiten aufwühlen.

Allen schafft das perfekte Setting, um die komplexe Vielschichtigkeit der enthaltenen moralischen Dilemma aufzuzeigen: Jonathan Rhys Meyers spielt Chris. Dieser kommt aus armen Verhältnissen und lernt über einen Tennislehrer-Job Tom, gespielt von Matthew Goode, Sohn der äußerst wohlhabenden Familie Hewett (bekannten Namen in der Londoner High-Society) kennen, worüber er schnell Zugang zu betuchteren Kreisen erhält. Toms Schwester verliebt sich in Chris, ein Romanze beginnt, ihre Eltern akzeptieren ihn und schnell ist er Teil der Familie und aus seinem notgedrungen-spartanischen Lebensstil das Gegenteil geworden. Das Problem dabei ist nur, Chris hat in Bezug auf Chloe (welche Emily Mortimer wirklich herrlich anstrengend verkörpert) nicht gerade Flugzeuge im Bauch, viel mehr wirkt das Zusammensein von seiner Seite eher wie eine Zweckbeziehung – Chris wollte schon immer hoch hinaus und nachdem die Tennis-Karriere Verletzungs-bedingt zu Ende ging, bevor sie wirklich angelaufen war, ist ihm scheinbar jedes Mittel recht.

Im Folgenden entsteht ein wundervolles Geflecht aus entstehenden Abhängigkeiten, Lebenslügen und Unwahrheiten. Chloe’s Vater ist froh, dass seine schwierige Tochter “endlich auch mal einen abbekommen hat!”, stellt ein paar Weichen und schon sitzt Chris in einer hohen Position seiner Firma, dieser ist jedoch zunehmend von Chloe genervt – doch soll er sie verlassen? Das Herz sagt ja, die kühle Berechnung sagt nein. Zu schnell hat er sich an Penthouse-Wohnungen an der Themse, hohes Gehalt und reichlich Ansehen gewöhnt. Das alles, da macht sich niemand etwas vor, wäre dann schlagartig weg, die Champus-Korken hätten ausgeknallt. Der Preis der Moral?

Für sich schon eine prekäre Situation, deren Fortgang sich aber vielleicht für manche Menschen streng rational über die Argumentation, dass ein hohe materielle Lebensqualität die nervige Frau aufwiegt, besonders wenn die Alternative weder Frau noch Prestige bedeutet, rechtfertigen lässt. Wahrhaft brenzlig, geradezu verzwickt wird es dann jedoch erst, als Chris plötzlich eine Frau trifft, für die er echte Gefühle hegt. Um dem schwer verdaulichen Gericht die letzte bittersüße Würze zu geben, ist diese Frau jedoch nicht irgendwer, sondern zu allem Überfluss Toms Verlobte.

Nach einigem hin und her steht Chriss vor der Wahl: in einem schweren Schritt alles aufgeben, aber dafür so viel mehr bekommen? Oder doch auf dem sicheren, aber erfüllungslosen Weg bleiben?

Menschen belügen sich, Menschen täuschen sich und Menschen schaffen sich ihre eigene kleine Welt um ihr Glück zu finden. Geschickt stellt Woody Allen die Frage: was ist das Glück überhaupt? Emotion? Sich wohl und geborgen zu fühlen? Oder doch bloß ein sicheres Leben ohne Risiken zu führen?

Die Kernaussage, und das macht MATCH POINT so großartig, ist hier, dass die Antwort auf diese Fragen eben nicht so einfach getroffen werden kann. Das Thema ist viel zu komplex, um mit dem Finger auf Chriss zu zeigen zu sagen: wie kannst du nur! Vielmehr zeichnet Allen tiefschwarz nach, wie Menschen sich nach und nach in eine Situation manövrieren, in der sie mit dem Rücken an der Wand stehen und unfähig sind den Schleudersitz zu bedienen, der sich aus dem Cockpit des abstürzenden Kampfjets hinaus schleudern würde. Anfangs zweifelt Chriss nämlich noch. Will auf sein Herz hören, sich seinen Stand selbst erarbeiten, in keine Abhängigkeiten geraten, doch die mehr das Dolce Vita von ihm Besitz ergreift, desto schwieriger fällt es ihm Nein zu sagen.

Meisterhaft skizziert Allen hier, dass dieser Prozess ein schleichender ist. Immer bleiben die Figuren des berührenden (später schockierenden) Dramas dank tollem Schauspiel und noch tollerem Skript nachvollziehbar, menschlich, echt und so trifft die unterm Strich stehende Wahrheit ins Schwarze – kaum zynisch, eher beängstigend realistisch erzählt MATCH POINT von der unbequemen Wahrheit, dass unsere Welt leider nicht immer gerecht ist, manchmal einfach nur, weil kleine Zufälle zur falschen Zeit über ganze Schicksale entscheiden.

Großartig!


Wertung
9 von 10 ausweglosen Einbahnstraßen


WeblinksIMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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